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29./31.05.2002 - Letzte Aktualisierung: 31.05.2002 Interview

Wislander in Sport1: "Bin kein perfekter Handballer"

Update: Teil 2

Inhalt: Teil 1 | Teil 2

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Einer der größten Handballer der Welt verlässt die Bühne Bundesliga. Sieben Mal Deutscher Meister, drei Pokalsiege, zwei Mal Europapokalsieger - und alles mit einem Verein. Zwölf Jahre hielt Magnus Wislander für den THW Kiel die Knochen hin. Beinah jedes Jahr durfte der "alte Schwede" also einen Pokal in die Höhe stemmen. Ungewöhnliche Vereinstreue in Zeiten der häufigen Vereinswechsel.

Nur drei Vereine in über 30 Jahren

"Ich habe in meiner ganzen Karriere nur drei verschiedene Vereine gehabt und einer davon war eine Jugendmannschaft", stellt der Skandinavier - beinah selbst überrascht - fest.

38 Jahre alt, seit über dreißig Jahren auf dem Handballfeld, neben den Titeln mit dem Verein WM- und EM-Erfolge mit der Nationalmannschaft - Zeit für eine Bilanz.

Erinnerungen an den ersten Titel

In einem ausführlichen Gespräch mit Sport1 lässt der Skandinavier seine Karriere Revue passieren. Wislander spricht über die erhebensten und schlimmsten Momente seines Handballer-Lebens.

Nach dem ersten Titelgewinn 1994 "das erste Mal auf dem Kieler Rathausplatz zu stehen" ist eine Erinnerung die er höher bewertet als die Ernennung zum "Welthandballer des Jahrhunderts".

"Ich bin kein perfekter Handballer"

Eine Ehre, die er selbst nicht so ganz zu begreifen scheint. Denn er selbst hält sich keineswegs für einen "perfekten Handballer".

Ein perfekter Handballer "muss hoch springen können, schnell und explosiv sein, er muss ein gutes Auge haben, gut werfen können...", so seine Anforderungen.

"Ich habe nie hart werfen können"

Attribute, die er sich selbst abspricht: "Ich habe nie hart werfen können, konnte nie hoch springen und war langsam", sagt er bescheiden - wie man ihn in Kiel kennengelernt hat. Statt dessen meint Wislander: "Ich möchte mich ganz gern als einen kompletten Handball-Spieler beschreiben, der Angriff und Abwehr spielen kann und das auch einigermaßen gut und dass ich auch ein sehr gutes Auge für meinen Nebenmänner habe."

Immer hat er sich in den Dienst der genau Mannschaft gestellt, die der Verein Jahr für Jahr um ihn herum aufgebaut hat.

"Wichtig ist das Spielverständnis"

"Selbstverständlich mussten sie gut Handball spielen können. Aber besonders wichtig war mir das Spielverständnis", beschreibt der Spielmacher die Anforderungen an seine Mitspieler.

Anforderungen, die er auch an seine neuen Kollegen stellen wird. Denn so ganz kann das Urgestein noch nicht lassen von seinem Sport.

Noch ein Jahr aktiv in Göteborg

Seine Karriere will er in seiner Heimat ausklingen lassen. Noch ein Jahr will "Max", wie man ihn an der Förde nennt, den Torhütern die Bälle um die Ohren werfen.

Vorher aber wird eine Weltauswahl dem Spieler, der laut Geschäftsführer Uwe Schwenker in Kiel eigentlich "schon zum Inventar gehört", in der Ostseehalle einen rauschenden Abschied bereiten.

Die Bundesliga sagt "Hej då, Max". - Oder auf gut norddeutsch: Tschüs.

(© 2002 Sport1)

Interview mit Magnus Wislander

"Muss sehr zufrieden sein"

Mit Magnus Wislander verlässt einer der großen Stars die Handball-Bundesliga. Der Schwede geht nach 12 Jahren Kiel zurück in seine Heimat nach Göteborg. Dort will er seine Karriere bei dem Verein ausklingen lassen, bei dem seine beispiellose Laufbahn begann.

Nach der Meisterschaft in der abgelaufenen Saison mit dem THW sprach Sport1 mit dem 38-Jährigen über seine Jahre in Kiel, die Karriere des umgeschulten Kreisläufers und die Ereignisse, die sein Leben prägen.

Sport1:
Zwölf Jahre Kiel. Meisterschaften und Pokalsiege. Ihr persönliches Fazit?
Magnus Wislander:
Ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden sein muss. Sicher gab es - wie immer im Sport - Höhen und Tiefen, aber die Tiefen waren nicht so richtig große Löcher, die wir uns selbst gebohrt haben. Letzte Saison war vielleicht nicht ganz so gut, immerhin konnten wir keinen Titel holen und die Platzierung in der Liga war nicht so ganz gut. Der siebte Titel war aber ein toller Abschluss.
Sport1:
Es fallen keine Superlative. Ist das ihr Charakter? Lieber alles ruhig und gelassen sehen?
Magnus Wislander:
Ja, das glaube ich schon. Ich freue mich selbstverständlich auch riesig über bestimmte Sachen oder über die Titel, die wir gewonnen haben, aber letztendlich weiß ich, je mehr man sich freut, desto tiefer fällt man auch, wenn es mal nicht so läuft. Deshalb versuche ich, einigermaßen auf dem Boden zu bleiben.
Sport1:
Woher kommt das? Liegt das in der Familie? Oder ist das der Charakter der Schweden generell?
Magnus Wislander:
Das weiß ich nicht. Vielleicht bin ich von meinen Eltern so erzogen. Ich habe das so in mir drin. Die meisten Schweden, die in der Nationalmannschaft spielen oder beim THW, sind so ähnlich. Sie wissen, man soll sich zwar freuen, wenn man etwas gewonnen hat, aber im Rahmen.
Sport1:
Was war der schönste Moment - Ihr prägenstes Highlight?
Magnus Wislander:
Ganz klar, das war die Deutsche Meisterschaft 1994. Das erste Mal etwas zu gewinnen ist immer am Besten. Aber auch in Flensburg Meister zu werden war etwas Besonderes.
Sport1:
Was war der bitterste Moment?
Magnus Wislander:
Das ist schwer zu sagen. Es sind einzelne Spiele, die wir verloren haben. Wenn man so will, dann sicherlich die Champions-League-Niederlage im Finale gegen Barcelona. Das war direkt nach dem Spiel bitter und vielleicht eine Woche danach, aber das ist Sport.
Sport1:
Was war der bewegenste Moment?
Magnus Wislander:
Das war wohl das erste Mal auf dem Kieler Rathausplatz zu stehen. Mit allen Fans, die da standen, zu feiern und von ihnen gefeiert zu werden.
Sport1:
Sie haben den Erfolg angezogen - auch mit der Generation der Schweden. Was sind die Gründe für Ihren persönlichen Erfolg?
Magnus Wislander:
Schwer zu sagen, schwer zu sagen. Ich glaube, dass wir am Anfang der 80er Jahre sehr gut trainiert haben und da eine dicke Grundlage gelegt haben, ich meine die Schweden, die so 1964/65 geboren sind. Auch die körperliche Fitness spielt da eine Rolle und dass wir wenig Verletzungen hatten - das hat selbstverständlich auch mit Glück zu tun.
Sport1:
Wie würden sie sich selbst als Spieler beschreiben?
Magnus Wislander:
Ich möchte mich ganz gern als einen kompletten Handball-Spieler beschreiben, der Angriff und Abwehr spielen kann und das auch einigermaßen gut und dass ich auch ein sehr gutes Auge für meinen Nebenmänner habe.
Sport1:
Es wurde immer darauf geachtet, dass in Kiel eine Mannschaft um sie herum aufgebaut wurde. Was haben sie von ihren Mitspielern verlangt?
Magnus Wislander:
Selbstverständlich mussten sie gut Handball spielen können. Aber besonders wichtig war mir das Spielverständnis. Sie mussten sich ohne große Absprache bewegen können, so wie ich das gerne hatte, als ich Mittelmann war. Außerdem ist es wichtig, dass man eine Persönlichkeit hat, die mit der Mannschaft übereinstimmte. Und dass man sich fair benimmt und ehrlich ist.
Sport1:
Ihre Karriere war lang. Haben sie Fehler gemacht?
Magnus Wislander:
Das habe ich bestimmt - viele Fehler, sonst hätten wir vielleicht noch mehr gewinnen können (lacht). Wenn ich zurückblicke, bin ich sehr zufrieden mit meinen Entscheidungen - wo ich gespielt habe und wann ich gewechselt bin und warum ich das getan habe. Ich habe in meiner ganzen Karriere nur drei verschiedene Vereine gehabt und einer davon war eine Jugendmannschaft. Das gibt es nicht so oft, dass Spieler nur in so wenigen Vereinen gespielt haben; und ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin damit sehr zufrieden.
Sport1:
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht Handballer geworden wären?
Magnus Wislander:
Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube, ein ganz normaler Mensch. Ich hätte versucht Fußball zu spielen.
(© 2002 Sport1, das Gespräch führte Michael Schwartz)

Teil 2: "In der Bundesliga muss man besser miteinander umgehen"

Der Abschied rückt näher. Am Samstag ab 15 Uhr bestreitet Magnus Wislander sein letztes Spiel im Trikot des THW Kiel. Im Rahmen einer Handball-Gala sagt der 38-Jährige den deutschen Handball-Fans "auf Wiedersehen". "Nach zwölf Jahren gehört Max eigentlich zum Inventar", sagt THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker. "Es ist schon ein komisches Gefühl, ihn jetzt gehen zu lassen, denn er hat die großen Erfolge der letzten Jahre maßgeblich mit verkörpert." Die Stars des Handballs werden bei der Verabschiedung dabei sein. Neben Jackson Richardson haben Torwart-Legende Andreas Thiel, Bundesliga-Torschützenkönig Jochen Fraatz oder auch Stephane Stoecklin zugesagt. Im zweiten Teil des Sport1-Interviews macht sich Wislander Gedanken für den Bundesliga-Handball. Im Mittelpunkt seiner Kritik stehen die Schiedsrichter. Wislander fordert ein Umdenken und nimmt die Referees in die Pflicht.
Sport1:
In der vergangenen Serie gab es viele kleine Eklats. Immer wieder gab es auch Schiedsrichterdiskussionen. Ist der Handball unglaubwürdig?
Magnus Wislander:
Die Schiedsrichter haben zu viel Einfluss. Das muss man sicher zugeben. Dass diese kleinen Entscheidungen ein ganzes Spiel umkippen können, ist eine Frage, die man unbedingt beantworten muss. In der Bundesliga muss man besser miteinander umgehen. Dass immer wieder gemeckert wird, davon wird man nie wegkommen. Denn Handball ist eine körperbetonte Sportart. Es gibt viele Tatsachenentscheidungen. Entscheidungen, die nicht einfach zu pfeifen sind. Aber nicht die Schiedsrichter sollen bestimmen, was ein Stürmerfoul ist oder nicht. Das sollen die Spieler machen. Man muss mehr miteinander diskutieren und zu einer gemeinsamen Lösung finden.
Sport1:
Ist das Schiedsrichter-Problem ein deutsches Problem?
Magnus Wislander:
Nun, es gibt einige Schiedsrichter in Deutschland, die auf einem guten Weg sind. Auch international. Die sagen auch: Ich habe einen Fehler gemacht. Tut mir leid. Einige Schiedsrichter in der Bundesliga schreien einen aber auch an: 'Hau mal ab!' 'Halt die Schnauze!' Das ist eine Frechheit. Hätte ich das zu einem Schiedsrichter gesagt, hätte ich die Rote Karte und sechs Spieler Sperre bekommen. Man muss da auf ein anderes Niveau kommen. Wenn man nämlich gut miteinander klarkommt, und miteinander redet, akzeptieren wir Spieler auch eine Entscheidung. Da muss man hinkommen.
Sport1:
Gerade die Entscheidungen im EM-Finale Schweden gegen Deutschland haben hierzulande für Empörung gesorgt. Das Image hat gelitten. Können Sie den Frust der Deutschen verstehen? Wie gehen Sie mit Fehlentscheidungen um?
Magnus Wislander:
Selbstverständlich kann ich den Frust der Deutschen verstehen. Ob das eine Fehlentscheidung war? Ich sehe das nicht so. Das Tor durfte man nie anerkennen. Das ist kein Thema mehr für mich. Diese Arroganz, die ab und zu da ist, die kann ich nicht leiden.
Sport1:
Das heißt, der Ton in der Bundesliga muss sich ändern?
Magnus Wislander:
Ja. Wir Spieler wollen oft nur wissen, warum die Schiedsrichter so gepfiffen haben. Man erwartet nur kurz eine kleine Antwort... Das machen die Schiedsrichter Lemme/Ullrich aus Magdeburg gut. Auch die haben mal schlecht gepfiffen, auch gegen uns. Trotzdem akzeptiere ich die. Wir wissen alle, dass es nicht einfach ist.
(© 2002 Sport1, das Gespräch führte Michael Schwartz)


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