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04.11.2003 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Der Unberechenbare

Christian Zeitz ein Hoffnungsträger - THW im Pokaleinsatz

Aus den Kieler Nachrichten vom 04.11.2003:

Kiel - Fünf Sekunden blieben, Spanien führte im Finale des Supercups 29:28. Auszeit. Niederlage oder doch noch rein ins vielleicht rettende Siebenmeterschießen? Bundestrainer Heiner Brand scharte seine Spieler um sich. "Alle nach links verschieben, und Zeitzi haut drauf", lautete die Losung. 2,5 Millionen Fernsehzuschauer hörten zu. Der Plan war gut, aber die Spanier störten den Ablauf. Sieg, Pokal und Sektfontäne gingen bei der "Mini-EM" in Sachsen an die Spieler von der iberischen Halbinsel. Verdient. Die fünf Turniertage von Leipzig und Riesa brachten aber auch einen deutschen Sieger hervor: Christian Zeitz, 22 Jahre alt, geboren in Heidelberg und seit Juli 2003 mit links werfender Hoffnungsträger beim Handball-Bundesligisten THW Kiel.
Wenn ein 22-Jähriger von gestandenen Nationalspielern die Verantwortung für den finalen Wurf übertragen bekommt, muss schon etwas Besonderes dran sein an ihm. Klar, Christian Zeitz ist schnell auf den Beinen, ausgestattet mit einem irrsinnig starken Wurf, außerdem trickst er auch die Großen seiner Sportart schon mal aus wie ein ausgebuffter Profi. Und dass er es in jungen Jahren bereits auf 56 Länderspieleinsätze mit 161 Toren gebracht hat, kommt auch nicht alle Tage vor. "Bei Zeitzi", sagt Heiner Brand, "kann man immer mit ungewöhnlichen Dingen rechnen, das hilft oft der Mannschaft." Michael Roth, sein ehemaliger Vereinstrainer, nennt Zeitz einen "Straßenhandballer, einer der auf dem Feld nur seinem Instinkt folgt."

Es ist wohl genau dieses Unberechenbare, das ihn zum Liebling vor allem der jugendlichen Fans aufsteigen ließ. Mädchen kreischen bei seinen Toren wie bei Auftritten von Popstars, Interviewwünsche häufen sich, Kameras sind auf ihn gerichtet. Der aus Kronau-Östringen nach Kiel gewechselte Reisebürokaufmanns-Lehrling gilt als "cool". Auch, wenn er selbst das nicht wahrhaben will. "Kretsche ist cool", sagt er und meint den Magdeburger Handball-Punk Stefan Kretzschmar. Zeitz hält sich für einen ganz normalen Sportler, der "nur einen guten Job machen will". Darum schloss er sich dem Branchenführer an. Bis heute hat er noch keinen Tag in Kiel bereut. "Sportlich wie privat fühle ich mich wohl."

"Er fehlt wirklich sehr", trauert dagegen Verena, eine Kronauer Anhängerin, ihrem Liebling im THW-Internet-Forum nach. "Zum Beispiel, wenn ich an seinem alten Haus vorbei laufe und der legendäre Audi da steht mit dem Kennzeichen CZ." Christian Zeitz schluckt ein wenig bei diesen Zeilen, doch Kronau ist abgehakt. Sein neues Reich ist eine 80 Quadratmeter-Wohnung in der Damperhofstraße, siebter Stock, kein Fahrstuhl. Waschen, Bügeln und Essen kochen ("meistens Spaghetti mit Tomatensoße") nimmt er in Kauf. "Ich habe gerne zu Hause gelebt, aber jetzt genieße ich meine Freiheit." Ein ganz normaler Abnabelungsprozess. "Straßenhandballer" Zeitz will vor allem Bodenhaftung behalten. Das ist ihm wichtig. "Wenn es zuviel wird mit Presse und so, bleibt das Handy eben ausgeschaltet." Sein ganzer Ehrgeiz gilt dem Sport, den er liebt. Bei THW-Trainer Noka Serdarusic fühlt er sich daher bestens aufgehoben: "Noka bringt mich weiter, der weiß soviel von Handball, das ist verrückt."

Heute Abend ist wieder Handball-Alltag. Die Zebras sind in der dritten DHB-Pokalrunde um 19.30 Uhr Gast und hoher Favorit beim Regionalligisten HG 85 Köthen (siehe Vorbericht). Mit Christian Zeitz, der, falls nötig, Verantwortung übernehmen wird.

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 04.11.2003)

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