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11.10.2004 Interview

Piotr Przybecki im Zebra-Interview: "Zu guter Leistung bereit"

Der polnische Nationalspieler kehrt in die Ostseehalle zurück

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Piotr Przybecki.
Klicken Sie für weitere Infos! Piotr Przybecki.

Drei Jahre lang stand Piotr Przybecki in Diensten des THW Kiel, ehe es ihn vor dieser Saison nach Nordhorn zog. Nach einer Zeit, die hauptsächlich von Verletzungen, etlichen Operationen und immer wiederkehrenden Rückschlägen geprägt war, startet der wurfgewaltige Pole einen sportlichen Neuanfang bei der HSG. Thomas Fischer (living sports) sprach mit dem sympathischen "Pechvogel", der auch dem Ostseehallen-Publikum zeigen möchte, dass er durchaus zu guter Leistung bereit ist.
Zebra:
Nach drei Jahren im THW-Trikot wirfst du nun für die HSG Nordhorn deine Tore. Wie ist es dir ergangen, hast du dich gut eingelebt?
Piotr Przybecki:
Ja, ich fühle mich hier bereits sehr wohl, bin von der Mannschaft freundlich aufgenommen worden. Ich kann also nicht klagen. Auch die Vorbereitung verlief bei uns ganz ordentlich, so dass wir doch recht erfolgreich in die Saison starten konnten. Bis auf die Heim-Niederlage gegen Lemgo natürlich, die hätte nicht sein müssen.
Zebra:
Der Saisonstart liest sich mit 8:2 Punkten in der Tat sehr freundlich. Du meinst also, es hätte sogar noch besser für euch laufen können/müssen oder entspricht der Auftakt schon dem vorgestellten Optimum?
Piotr Przybecki:
Es ist natürlich kein Beinbruch, gegen den TBV Lemgo zu verlieren. Aber ich bin ehrgeizig und möchte gerne jedes Spiel gewinnen. Wir haben in dem Spiel zu viele leichte Fehler gemacht, die Niederlage ging wohl so in Ordnung. Es ist schwer zu sagen, inwieweit unser Auftakt ideal war. Unsere Auswärtssiege haben wir gegen zwei Aufsteiger, Schwerin und Düsseldorf, geholt, gegen Essen haben wir uns die zwei Punkte hart erkämpft. Man kann noch nicht viel sagen, insgesamt ist es aber ein gutes Ergebnis.
Zebra:
In deiner Kieler Zeit warst du häufig verletzt und konntest nicht alles zeigen, was du kannst. Momentan stehst du auf Platz zwei eurer internen Torschützen-Liste. Bist du zufrieden mit deiner bisherigen Leistung?
Piotr Przybecki:
Teils, teils. Es klappt eigentlich schon ganz gut, allerdings müssen wir alle sicherlich noch hart arbeiten, um richtig zusammen zu wachsen und die Laufwege zu verinnerlichen. Es sind ja einige neue Spieler zu integrieren - aber wir helfen uns gegenseitig und es wird von Mal zu Mal besser. Wir sind auf einem guten Weg.
Zebra:
Insgesamt ist die Bank der HSG um drei Spieler gegenüber der letzten Saison geschrumpft. Macht sich das schon negativ bemerkbar?
Piotr Przybecki:
Unsere Wechselmöglichkeiten sind relativ beschränkt und im Laufe der Saison könnte dies mit ein wenig Pech noch stärker ins Gewicht fallen. Wir müssen mit dem vorhandenen Kader so auskommen, wie er ist. Qualitativ haben wir gute Spieler in unseren Reihen, mit denen wir uns nicht zu verstecken brauchen, die Leistung halte ich auch noch für steigerungsfähig.
Zebra:
Du sagst, du siehst noch Potential in der Mannschaft. Wo siehst du euch am Ende der Saison?
Piotr Przybecki:
Das ist schwierig. Offiziell wollen wir um den siebten, achten Platz kämpfen, also wenn möglich, uns für den Europapokal qualifizieren. Meine persönliche Zielsetzung ist es, jedes Spiel zu gewinnen, letztlich möchte ja jeder Spieler, der mitspielt, am Ende ganz oben stehen. Man wird mit der Zeit sehen, was realistisch ist.
Zebra:
Deine Zielsetzungen hast du also von Kiel nach Nordhorn mitgenommen.
Piotr Przybecki:
(lacht) Ja, so ungefähr. Kiel hat natürlich eine Spitzenmannschaft und ich denke, man sollte für sich selbst so viel wie möglich von solchen Vereinen mitnehmen. Nordhorn ist nicht der THW, an meiner Einstellung zum Handball ändert sich deshalb jedoch nichts.
Zebra:
Als du dich für einen neuen Verein entscheiden musstest, hast du unter anderem ein Angebot deines Ex-Clubs TUSEM Essen ausgeschlagen. Kannst du heute sagen, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast?
Piotr Przybecki:
Es war damals weniger eine Entscheidung gegen Essen, als eine Entscheidung für Nordhorn. Ich wusste bei TUSEM nicht wirklich, woran ich bin, zumal auch die finanzielle Situation zu der Zeit dort nicht geklärt war. In Nordhorn habe ich für mich und meine Familie die besseren Perspektiven gesehen.
Zebra:
Es ist gar nicht lange her, dass auch Nordhorn vor finanziellen Schwierigkeiten stand und sogar der Lizenzentzug im Raume stand. Ist die Situation, soweit du es beurteilen kannst, stabil?
Piotr Przybecki:
Ich habe zwar keinen genauen Überblick über die Wirtschaftlichkeit des Vereins, soweit ich weiß, sind die alten Probleme aber behoben und der Verein steht auf einer gesunden finanziellen Basis. Es herrscht diesbezüglich Ruhe, diese Entwicklung kann man nur gutheißen.
Zebra:
Was hat sich für dich seit deinem Wechsel alles verändert? Kannst du große Unterschiede zwischen Kiel und Nordhorn, besonders bezüglich deiner eigenen Rolle innerhalb der Mannschaft, ausmachen?
Piotr Przybecki:
Am meisten vermisse ich die Ostseehalle und das tolle Publikum, es wird für mich ungewohnt sein, dort als Gegner zu gastieren. Im Euregium in Nordhorn zu spielen macht auch Spaß, nur war die bisherige Heimquote anscheinend nicht so berauschend, die wollen wir dieses Jahr stark verbessern. Meine eigene Rolle als Spieler hängt einmal mehr von meiner körperlichen Verfassung ab. Wenn ich, wie jetzt, fit bin, bin ich durchaus auch in der Lage dazu beizutragen, dass wir attraktiven Handball spielen. Ich versuche, ein Stück Verantwortung zu übernehmen. Ich habe momentan weit mehr Spielanteile als in Kiel, sowohl im Angriff als auch in der Abwehr.
Zebra:
In der letzten Spielzeit hatte Nordhorn die zweitschlechteste Abwehr der Bundesliga - wurde darauf in der Vorbereitung ein besonderer Schwerpunkt gelegt?
Piotr Przybecki:
Ja, auf jeden Fall. Man muss zwar auch berücksichtigen, dass Nordhorn in der letzten Saison große Probleme mit Verletzungen hatte und die Bilanz so schlechter ausgefallen ist, als sie hätte sein können. Dennoch war gerade die Abwehrleistung ein besonderer Schwerpunkt. Es läuft bereits ganz gut, Nachholbedarf haben wir aber immer noch.
Zebra:
Beim THW wurdest du oft als "der große Pechvogel" betitelt. Hast du mit dieser Zeit abgeschlossen und wie fühlst du dich momentan gesundheitlich?
Piotr Przybecki:
Zurzeit habe ich keinerlei Beschwerden, worüber ich sehr froh bin. Ich wurde in meinen drei Jahren in Kiel vier Mal operiert und musste immer wieder Rückschläge einstecken. Das hat mich als Handballer sehr belastet. Immer wenn es gerade wieder ging, ging die ganze Geschichte von vorne los. Vielleicht muss ich mir auch vorwerfen, dass ich zu viel auf einmal wollte. Pechvogel hin oder her - das nervt einen auf die Dauer wirklich tierisch an. Ich will einfach nur Handball spielen und bin glücklich, dass es jetzt wieder klappt.
Zebra:
Während einer solchen Leidensphase baut sich wahrscheinlich auch eine gewisse nervliche Anspannung an. Kann man den Gedanken, sich ja nicht wieder zu verletzten, während eines Spiels wieder völlig abwerfen?
Piotr Przybecki:
Das stimmt, ab und zu denkt man schon daran, besonders in ähnlichen Aktionen, in denen man sich die vorigen Verletzungen zugezogen hat. Ich versuche einfach abzuschalten, ansonsten würde es gar keinen Sinn machen, das Spielfeld zu betreten. Es ist manchmal nicht einfach, aber anders geht es nicht. Mit der Zeit wird man immer sicherer, bis man die Angst dann hoffentlich irgendwann völlig abschüttelt.
Zebra:
Du hast mittlerweile eine Familie. Hast du schon daran gedacht, was du machen wirst, wenn du nicht mehr Handball spielen kannst?
Piotr Przybecki:
Daran denke ich sehr oft. Ich bin Diplom-Sportlehrer, was jetzt aber nicht zwangsläufig heißen muss, dass ich nach meiner aktiven Laufbahn Trainer oder ähnliches werden muss. Ich werde abwarten, ob sich noch etwas anderes ergibt.
Zebra:
Wie bist du mit deinem Abschied aus Kiel umgegangen? Ist er dir schwer gefallen?
Piotr Przybecki:
Ich hatte diesbezüglich gemischte Gefühle. Ich war mir bewusst, dass ich die Mannschaft, das Umfeld und die vielen Fans sehr vermissen werde, aber ich wollte auch Handball spielen - und zwar mehr, als es beim THW der Fall war. Letztlich musste ich mich von vielen Freunden verabschieden und war deshalb ein Stück weit traurig, andererseits hatte ich mich auf eine neue Herausforderung gefreut. Ich wollte noch einmal neu anfangen. Jetzt freue ich mich auf die Ostseehalle und darauf, alte Weggefährten wieder zu treffen.
Zebra:
Ich habe gehört, dass du Schalke-Fan bist. Dann müsste dir der Verzicht auf das Spiel gegen Lemgo in der Schalke-Arena doch besonders schwer gefallen sein, oder?
Piotr Przybecki:
(lacht) Ja, das hatte ich damals gesagt, weil ich Pitti ein bisschen unterstützen wollte. Aber es stimmt trotzdem. Bei dem Spiel wäre sicherlich jeder Spieler selig gewesen, dabei zu sein - ich schließe mich da ein. Wir hatten zeitgleich ebenfalls ein Spiel, sonst wäre ich wenigstens zum Zuschauen angereist. Das war ein tolles Ereignis!
Zebra:
Wie siehst du eure Chancen, ein, zwei Punkte aus der Ostseehalle mit nach Hause zu nehmen?
Piotr Przybecki:
Der THW ist sehr heimstark und wir reisen im Grunde mit dem Ziel an, so gut wie möglich gegen zu halten und wenn möglich zu gewinnen. Das wird sehr schwer, aber ich hoffe, dass wir uns möglichst gut präsentieren werden. Wir haben auch nach dem Spiel gegen den THW noch genug zu tun, beispielsweise das Heimspiel gegen Flensburg.
Zebra:
Dem THW würde es wahrscheinlich besser gefallen, wenn du den Beweis deiner wahren Leistungsstärke erst gegen Flensburg antrittst. Was hast du dir selber für die Ostseehalle vorgenommen?
Piotr Przybecki:
(amüsiert) Das ist eine andere Sache, ich werde mein Bestes geben. Aber naturgemäß möchte ich auch in Kiel zeigen, dass ich zu guter Leistung bereit bin. Im Endeffekt wollen wir einfach ein gutes Spiel zeigen.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", das Gespräch führte Thomas Fischer für living sports)


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