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05.10.2005 Presse / Interview

handball-magazin-Interview mit Stefan Lövgren: Zurück in den Verkauf

Stefan Lövgren will seine Karriere in Kiel beenden und danach in seinen alten Beruf zurückkehren. "handball magazin"-Mitarbeiter Frank Heike sprach mit dem Kapitän des Meisters.
Aus dem handball-magazin 9/2005:
Das "handball-magazin".
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handball-magazin:
Ihr Trainer Zvonimir Serdarusic sagt, er habe in seinen 17 Jahren als Coach nie solch einen vorbildlichen Kapitän erlebt wie Sie. Spüren Sie ein Mehr an Verantwortung durch solche Aussagen?
Stefan Lövgren:
Nein. Ich war schon immer so ein Typ. Ich war bereits in Göteborg in meinem Verein Kapitän und in der Nationalmannschaft, und jetzt seit Jahren auch hier. Ich bin als Typ ganz sozial und will mich gern um die Leute kümmern.
handball-magazin:
Welche Aufgaben haben Sie im neuen Team des THW Kiel?
Stefan Lövgren:
Es spielt vieles rein. Ich bin ja nicht der Einzige, der sich um die Neuen kümmert: Wir haben ja auch andere alte Spieler, die das machen. Aber ich bemühe mich, den Zugängen alle Hilfe zu geben, die sie brauchen. Am Anfang stürzt eine Menge auf sie ein. Die sollen sich hier und dort melden, können aber die Sprache nicht; sie sollen ein Telefon anmelden und ein Bankkonto eröffnen. Aber eigentlich geht es nicht darum, sondern um das, was auf der Platte passiert. Man muss versuchen, das alles unter einen Hut zu kriegen. Bisher haben wir es jedes Jahr hinbekommen. Und wir werden das auch dieses Mal schaffen.
handball-magazin:
Was sagt Ihre Frau dazu, dass Sie sich um so viel kümmern müssen? Sie haben ja auch zwei Kinder.
Stefan Lövgren:
Sie kennt mich seit Jahren und weiß, dass mir das viel bedeutet. Als ich damals nach Niederwürzbach gewechselt war, haben wir auch Hilfe bekommen. Seitdem wissen wir, wie wichtig das für die Spieler ist.
handball-magazin:
Welche Rolle spielt die Sprache? Sie haben in Nikola Karabatic einen Franzosen und in Vid Kavticnik einen Slowenen im Team, dazu in Linders und Andersson zwei neue Schweden.
Stefan Lövgren:
Es ist ja nicht selbstverständlich, dass jeder Deutsch kann. Ich hatte drei Jahre Französisch und sechs Jahre Spanisch und kann beides kaum noch. Ich hatte überhaupt kein Deutsch in der Schule. Aber das geht nach ein paar Monaten, wenn man in einem Land lebt. Dann lernt man die Sprache schon kennen.
handball-magazin:
Gibt es eine Handballsprache?
Stefan Lövgren:
Ja, ein bisschen. Wir sprechen viel Englisch miteinander, Noka mit Nikola und Vid Serbokroatisch. Wir kommen mit Schwedisch auch ein bisschen hin. Aber wir wollen so viel und so schnell wie möglich Deutsch reden. Denn wenn man in Deutschland spielt, muss man in der Kabine auch Deutsch sprechen.
handball-magazin:
Und auf dem Parkett?
Stefan Lövgren:
Man kann auch mit Gesten arbeiten. Aber weil alles so schnell geht, muss man anfangs oft auf Schwedisch oder auf Englisch zurückgreifen. Wir brauchen noch Zeit.
handball-magazin:
Wird das das größte Problem sein?
Stefan Lövgren:
Da es vor allem um taktische Dinge geht, ist es schlecht, wenn man sich nicht versteht. Aber wir werden das überbrücken. Ich kann den Trainer verstehen, dass er verzweifelt, wenn er mehr erklären muss, als dass er trainieren lässt. Das ist wirklich ein Problem, aber es ist nichts Neues. So läuft es doch jedes Jahr. Jetzt ist es etwas schlimmer, weil fünf Neue da sind.
handball-magazin:
Ist das nicht manchmal zuviel Verantwortung für Sie?
Stefan Lövgren:
Es ist nicht zuviel. Ich bin seit Jahren hier und weiß, wie es läuft. Ich habe Hilfe, und ob es zuviel für mich ist, muss eher der Trainer sagen - wenn ich nicht gut genug spiele, wird er mir ein Amt oder eine Aufgabe wegnehmen. Aber das glaube ich nicht.
handball-magazin:
Hätten Sie 1999 gedacht, einmal zur zentralen Figur des THW zu werden?
Stefan Lövgren:
So denkt man nicht, wenn man kommt. Aber jetzt ist es so geworden, und ich fühle mich wohl. Und ich hoffe, dass ich gute Arbeit leiste.
handball-magazin:
Werden Sie Kiel noch einmal verlassen?
Stefan Lövgren:
Ich möchte meine Karriere hier beenden. Mein Vertrag läuft nächstes Jahr aus, hoffentlich darf ich ihn dann verlängern. Ich werde nicht in einem anderen deutschen Verein spielen und auch nicht in einem anderen Land. Ich gehe höchstens zurück nach Schweden und werde dort dann vielleicht in meinem alten Verein weiterspielen.
handball-magazin:
Welche Rolle spielen Serdarusic und Uwe Schwenker für Ihre Verbundenheit mit dem THW?
Stefan Lövgren:
Die beiden sind ein ganz großer Teil vom THW. Hier wird sehr professionell gearbeitet. Wenn du einmal bei so einem Verein gespielt hast, willst du nirgendwo anders mehr hin.
handball-magazin:
Geht es für Sie vor allem darum, dass die Gehälter pünktlich gezahlt werden?
Stefan Lövgren:
Das ist ein wichtiger Teil im Profigeschäft. Doch beim THW klappt das Organisatorische perfekt. Zum Beispiel, wie eine Pressekonferenz abläuft, oder wie den Neuen alles gestellt wird. Du kannst dich hier nur auf Handball konzentrieren. Aber wenn du soviel Druck hast wie beim THW, muss das Umfeld auch perfekt sein, wenn man erfolgreich sein will.
handball-magazin:
Spüren Sie dafür manchmal Dankbarkeit?
Stefan Lövgren:
Ich war in Niederwürzbach. Da ging alles schief. Also ist es keine Selbstverständlichkeit. Aber es ist ein Muss, wenn man in einem Verein gut spielen soll. Sonst geht es ein oder zwei Jahre gut, und dann kann der Verein nicht mehr mithalten. Deswegen ist die Organisation so wichtig.
handball-magazin:
Wie sieht es in diesem Jahr mit der Champions League aus?
Stefan Lövgren:
Ich habe sie noch nie gewonnen. Ich weiß, wie schwer das ist. Das Potenzial haben wir, aber das gilt auch für vier bis fünf andere Teams. Ich würde mich freuen, wenn wir nach der Saison einen Titel haben - mit dem Champions-League-Triumph wäre ich mehr als zufrieden.
handball-magazin:
Mit der schwedischen Nationalmannschaft sieht es derzeit nicht so gut aus. Sie waren nicht dabei, als Schweden gegen Polen in der EM-Qualifikation scheiterte (siehe Bericht). Kehren Sie zurück?
Stefan Lövgren:
Für mich war es ein Muss, wegen der Fußverletzung eine Pause einzulegen. Ich habe in der Vorbereitung gemerkt, dass es die richtige Entscheidung war. Ich denke, wir haben eine gute Mannschaft, aber Polen war in diesen Spielen auch sehr stark. Jetzt müssen wir uns ab Januar 2006 für die WM qualifizieren. Das lässt sich nicht mehr ändern. Ich habe dem Trainer gesagt, wenn ich fit bin, werde ich zur Verfügung stehen.
handball-magazin:
Es geht um die Qualifikation für die WM in Deutschland.
Stefan Lövgren:
Das ist ein Muss für uns. Die meisten Handball-Länder wollen Schweden dabei haben.
handball-magazin:
Im Sommer waren Sie in einem Jugend-Camp in Nordschweden. Was haben Sie dort gemacht?
Stefan Lövgren:
Das war in einem Skigebiet, es heißt Idre, in der Region Dalrana. Etwa sieben Stunden von Göteborg entfernt. Da waren 200 Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 13 Jahren. Die haben vier Stunden am Tag Handball gespielt, sind vier Stunden täglich Mountainbike gefahren oder geschwommen oder haben anderen Sport getrieben. Ich habe mit zwei Gruppen a 20 Leute Handball gespielt. Das hat Spaß gemacht.
handball-magazin:
Arbeiten Sie gern mit Kindern?
Stefan Lövgren:
Ja, sehr gern. Ich trainiere ja auch einmal die Woche die Sechs- bis Achtjährigen in Melsdorf.
handball-magazin:
Vermissen Sie die Heimat?
Stefan Lövgren:
Ich komme aus Göteborg, da kommt man von Kiel aus ganz gut mit der Fähre hin - abends los, und am nächsten Morgen ist man da. Ich fühle mich sehr wohl in Göteborg und werde irgendwann nach Hause zurückkehren. Man vermisst ja sein Land, die Familie, die Bekannten.
handball-magazin:
Sie leben seit 1998 in Deutschland. Ist das auch ein Stück Heimat?
Stefan Lövgren:
Ja. Ich fühle mich sehr wohl in Kiel. Im Saarland war der Unterschied zu Skandinavien schon recht groß. Aber hier oben im Norden ist es wie bei uns in Schweden - die Menschen, das Essen, sogar das Wetter ist ähnlich. Wir sind seit Jahren hier und haben unser Leben mit den Kindern hier gut organisiert.
handball-magazin:
Wer soll den THW in diesem Jahr eigentlich schlagen?
Stefan Lövgren:
Ich glaube nicht, dass nur Flensburg und Kiel oben stehen werden. Letztes Jahr hatten auch Gummersbach, Lemgo und Magdeburg großes Potenzial. Ich war sehr überrascht, dass sie nicht mithielten. Dieses Jahr wird es enger. Flensburg hat sich mit Nielsen und Knudsen verstärkt; sie haben keine sprachlichen Probleme und verstehen sich gut mit all den Dänen. Lemgo hat mit dem Tschechen Filip Jicha einen richtigen Shooter bekommen. Das wird ein Vorteil für das Zusammenspiel von Baur und Stephan mit Schwarzer am Kreis. Aber auch das Mittelfeld hat sich verstärkt. Ich denke an Wetzlar und Kronau. Ganz unangenehm wird Melsungen sein.
handball-magazin:
Aber der größte Konkurrent bleibt Flensburg. Wie erleben Sie die Rivalität?
Stefan Lövgren:
Ach, das wird doch von den Fans und den Medien hochgeschaukelt. Wir hegen keinen Hass untereinander. Wir gehen ja auch mit einigen Kaffeetrinken und Golfspielen.
handball-magazin:
Auch mit Johnny Jensen?
Stefan Lövgren:
Wir haben überhaupt keine Probleme. Direkt nach dem Spiel damals (siehe Spielbericht) hat er gesagt, er hätte das gleiche getan. (Lövgren foulte Jensen Sekunden vor dem Schlusspfiff bei der schnellen Mitte und nahm damit dem Flensburger die Chance auf den Siegtreffer in der Ostseehalle, d.Red.) Wir sind keine Freunde. Aber ich kenne einige von den dänischen Spielern der SG ganz gut.
handball-magazin:
Hat das Foul damals die Meisterschaft entschieden?
Stefan Lövgren:
Eine Einzelaktion entscheidet keine Meisterschaft. Aber es war die richtige Aktion.
handball-magazin:
Machen Sie sich manchmal Gedanken über Ihr Karriere-Ende?
Stefan Lövgren:
Wenn man zuviel darüber nachdenkt, hat man innerlich schon aufgehört zu spielen. Natürlich ist es wichtig, für die Zukunft zu planen. Aber ich sage nicht: Ich will noch zwei Jahre spielen und dann Trainer werden.
handball-magazin:
Könnten Sie sich eine Tätigkeit außerhalb des Handballs vorstellen?
Stefan Lövgren:
Ich kenne durch meine Verletzungen der letzten Jahre die Schattenseiten. Ich weiß, wie schnell es gehen kann. Als ich verletzt war, hatte ich eine Phase, in der ich überhaupt keinen Bock auf Handball hatte. Wenn mir einer gesagt hätte, du kannst jetzt Trainer werden, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Aber jetzt, wo es läuft, kann ich mir schon vorstellen, etwas im Handball zu machen. Ein Muss ist das aber nicht: Ich habe vor meiner Karriere ein gutes Leben als Verkäufer von Fax- und Kopiergeräten gehabt, und ich kann mir vorstellen, in meinen Beruf zurückzukehren.
handball-magazin:
Noch einmal zum Anfang. Ist es manchmal anstrengend, wenn man so eine enge Beziehung zum Trainer hat?
Stefan Lövgren:
Nein. Wir kennen uns seit Jahren. Ich respektiere ihn sehr. Er hat Handball-Kenntnisse wie kein anderer. Noch wichtiger ist, dass er ein guter Mensch ist. Es ist nicht einfach, unser Verhältnis zu erklären. Aber wenn es nicht so gut wäre, wäre ich nicht schon so lange hier.
handball-magazin:
Serdarusic wirkt oft brummig. Wie ist er wirklich?
Stefan Lövgren:
Noka ist schon in Ordnung. Ab und zu wünscht man sich als Spieler natürlich etwas anderes. Klar, er ist ein harter Trainer - aber zum Schluss erweist sich doch alles als richtig, was er macht. Er hat es über Jahre bewiesen. Was will man über ihn meckern? Der Erfolg gibt ihm Recht. Er muss sich als Mensch doch nicht ändern, nur weil es zwei, drei andere so wollen. Noka hat auch ganz andere Seiten, aber die zeigt er nicht der Öffentlichkeit, sondern nur innerhalb der Mannschaft.
(Das Gespräch führte Frank Heike, aus dem handball-magazin 9/2005)


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