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01.02.2006 EM 2006 / Interview

KN-Interview mit Vid Kavticnik: "Halb Slowenien schaut uns zu"

Handball ist in seinem Heimatland die Nummer eins

Vid Kavticnik: "Die Schnelligkeit beim THW ist unwahrscheinlich."
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Aus den Kieler Nachrichten vom 01.02.2006:

Basel - Drei Spiele, drei Siege: Nach der Vorrunde reiste Deutschlands heutiger Gegner Slowenien (15.15 Uhr, live im ZDF) mit vier Pluspunkten im Gepäck aus St. Gallen kommend in Basel an. Der Vize-Europameister stieg im "Swissotel Del Plaza" ab und schläft Zimmer an Zimmer mit den deutschen Spielern. Mit dabei Vid Kavticnik (21), Rechtsaußen des THW Kiel. Was er vom Handball der Zukunft und der EM 2006 erwartet, verriet er den Kieler Nachrichten.
Kieler Nachrichten:
Sie kommen gerade vom Training aus der St. Jakobshalle zurück. Gefällt Ihnen die Halle, und hatten Sie schon Gelegenheit, Basel kennen zu lernen?
Vid Kavticnik:
Die Sporthalle sieht sehr schön aus, sie ist groß, und gegen Deutschland dürfte es sehr stimmungsvoll werden. Schlecht ist für uns Spieler aber der Boden. Direkt unter dem Kunststoffbelag liegt Beton. Das ist schmerzhaft. Aber wir haben zum Glück nur drei Spiele. Von der Stadt konnten wir bisher nichts sehen. Der Ablaufplan lässt das nicht zu. Training, Pflege, Video gucken, Mannschaftsbesprechungen. Den Rest der Zeit verbringen wir auf den Zimmern und haben Spaß mit dem Mitbewohner.
Kieler Nachrichten:
Sie sind erst seit Juli 2005 in Kiel, trotzdem sprechen Sie gut Deutsch. Ist damit auch das Zusammenspiel beim THW Kiel besser geworden?
Vid Kavticnik:
Eindeutig. Mit der Kommunikation klappt es gut, davon profitierten alle im Team. Bei uns wird nur noch eine Sprache gesprochen: Deutsch.
Kieler Nachrichten:
Aber das Team spielt inzwischen so schnell, dass sie gar nicht mehr dazu kommen, miteinander zu reden...
Vid Kavticnik:
Das stimmt. Die Schnelligkeit beim THW ist unwahrscheinlich. Tor, schnelle Mitte und wieder zurück. Fast schon zu schnell für einen Außenspieler wie mich, der immer die ganze Distanz hoch und runter rennen muss. Aber es macht mir unheimlich viel Spaß. Siehe die 54 Tore gegen Magdeburg. Unfassbar. Wenn Sie wissen wollen, wie das mit unserem Tempospiel ist, dann fragen Sie meinen Nationalmannschaftskollegen Renato Vugrinec vom SCM, der hat es am eigenen Leib erfahren.
Kieler Nachrichten:
Ist diese Spielweise die Zukunft des Handballs?
Vid Kavticnik:
Für uns in Kiel bestimmt. Wir haben die richtigen Leute dafür. Kim Andersson, Viktor Szilagyi, Marcus Ahlm u.s.w. Nächste Saison kommt auch noch Dominik Klein, der sehr schnell ist und viel läuft. Das sind alles junge, dynamische Spieler. Weil das so ist, hat Trainer Noka Serdarusic mit uns auf dieses Wahnsinns-Tempo hingearbeitet.
Kieler Nachrichten:
Kann der Kopf der Mannschaft, Stefan Lövgren, mit seinen 35 Jahren da noch mithalten?
Vid Kavticnik:
Stefan kann alles. Der ist unglaublich, er ist der beste Handballer, den es gibt.
Kieler Nachrichten:
Spielen Sie mit Slowenien auch diesen Hochgeschwindigkeitshandball der Marke "THW"?
Vid Kavticnik:
Nein, das bekommen wir schon deswegen nicht hin, weil wir andere Spielertypen haben. Viele Leistungsträger sind zudem in der spanischen Liga beschäftigt. Die sind das Tempo gar nicht gewöhnt, sie sind nicht so austrainiert wie die Kieler und lassen es gemächlicher angehen.
Kieler Nachrichten:
Woran liegt es, dass das kleine Slowenien mit nur zwei Millionen Einwohnern schon länger zu den weltbesten Teams zählt?
Vid Kavticnik:
Erste Voraussetzung ist, dass Slowenien ein Sport verrücktes Volk hat. Deswegen wird auch die Nachwuchsarbeit ganz groß geschrieben. Ich habe als Kind Handball, Tennis, Fußball und Basketball auf ordentlichem Niveau gespielt. Schon in der Schule werden die Talente gesichtet und gefördert. Henning Fritz erzählte mir, dass man in Deutschland von diesen Zuständen nur träumen könnte.
Kieler Nachrichten:
Beim Champions-League-Sieger von 2004, Celje Pivovarno Lasko, waren nur drei Nicht-Slowenen im Team. Warum hat es mit den eigenen Leuten trotzdem geklappt?
Vid Kavticnik:
Wohl deswegen, weil die Vereine wenig Geld haben. Deswegen greift man verstärkt auf die eigenen Leute zurück, fördert den Nachwuchs und gibt ihm mehr Spielanteile. Das ist gut für die Slowenen, deswegen war ich auch schon im Alter von 16 Jahren ein Nationalspieler.
Kieler Nachrichten:
Also können sich die Spieler besser entwickeln, weil nicht so viel Geld zur Verfügung steht. Im Umkehrschluss hieße das, dass Deutsche nicht weiterkommen, weil zu viel Geld da ist?
Vid Kavticnik:
Dieser Zusammenhang muss wohl hergestellt werden. Das Nachwuchssystem bei uns ist einfach genial und spült immer wieder neue Talente nach oben. In Gorenje haben sie beispielsweise einen Jahresetat von knapp einer Million Euro. Davon gehen 700 000 in die 1. Mannschaft, der Rest wird in die Nachwuchsarbeit gepumpt. Das Ergebnis spricht für sich.
Kieler Nachrichten:
Welchen Stellenwert besitzt Handball heute in Slowenien?
Vid Kavticnik:
Einen enormen. Die EM 2004 im eigenen Land hat noch einen Schub gegeben. Handball ist in meinem Land die Sportart Nummer eins vor Fußball. Auch das ist gut für den Nachwuchs, die Kinder werden aufmerksam. Bei der EM guckt halb Slowenien zu, wie wir abschneiden. Da entsteht auch ein großer Druck.
Kieler Nachrichten:
Heute geht es gegen Deutschland. Wie wird das Brand-Team nach der Verjüngung bei der Konkurrenz eingestuft?
Vid Kavticnik:
Deutschland hat nach wie vor eine tolle Mannschaft, aber momentan nur eine erste Sieben, dahinter kommt nicht mehr viel. Das ist wohl ein Problem. Wir können heute trotzdem nur bestehen, wenn wir bereit sind, 150 Prozent Leistung zu geben.

(Das Interview führte Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichtem vom 01.02.2006)


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