Weil auch die 59-Jährige eine gute Seele ist, genießt Vid Kavticnik ein Mietverhältnis der besonderen Art. "Wenn ich mittags vom Training nach Hause komme, steht ein Pott mit leckerem Essen auf meiner Treppe", erlebt der Slowene seit Juli vergangenen Jahres Wohnen mit Halbpension. Ohne Aufpreis. "Meine Frau hat sich anscheinend noch nicht daran gewöhnt, dass unsere beiden Kinder aus dem Haus sind", mutmaßt Armin Hase (63). "Deshalb kocht sie immer zu viel."

Ein einziges Mal hat Kavticnik seine Vermieterin bisher schockiert. Als er plötzlich ohne Haare vor der Tür stand. Der gelernte Starkstromelektriker glaubt daran, dass es Glück bringt, eine neue Aufgabe mit einer Glatze anzugehen. Also rasierte er sich in seinen ersten Tagen beim THW Kiel den Schädel kahl. "Ich habe ihn kaum erkannt als er plötzlich so ohne Haare vor mir stand", erinnert sich Erika Hase.

Keine Meldepflicht bei Damenbesuch, keine Obergrenze für Gäste aus der Heimat, der schnelle Linkshänder hätte es kaum besser treffen können. Nur eines soll er nicht - den Rasen mähen. "Ich hätte große Lust dazu, schließlich helfe ich meinem Vater auch dabei." Zu Hause in Slovenj Gradec, wo Familie Kavticnik sich um 3000 qm "Gras" kümmern muss.

Vid könne gerne mit auf der Terrasse sitzen, so Armin Hase, aber das Mähen übernehme er. "Wenn er bei seinen vielen Reisen einmal hier ist, dann hat er auch frei."

Gulasch und Gemüsesuppe stehen auf der Speisekarte des 21-Jährigen ganz oben. Am Dienstag wird es Fisch geben. Leichte Kost für schwere Aufgaben. Schließlich spielt Kavticnik am Abend im Champions-League-Viertelfinale gegen die SG Flensburg-Handewitt (20.15 Uhr). "Da würde ich auch gerne mit in die Halle kommen", meint Erika Hase, die noch nie ein Ligaspiel der Zebras live erlebt hat. "Ich habe gehört, dass die Flensburger auch ganz gut Handball spielen können."

Bevor sie den Fisch serviert, wird ihr Untermieter erst einmal kräftig ausschlafen. "Am Spieltag stehe ich immer erst um zehn Uhr auf", sagt Kavticnik, der sich nach dem Mittagessen gleich wieder ins Bett legt. Kraft tanken für den Kraftakt. "Ich freue mich auf dieses Spiel." Er bekommt immer noch glänzende Augen, wenn er an das dramatische DHB-Pokalspiel gegen Flensburg denkt, das die Kieler im vergangenen September erst in der Verlängerung mit 35:32 gewannen. "Die Stimmung in der Halle war unglaublich."

Nach dem jüngsten 39:30-Sieg in Göppingen sei bei der Mannschaft zudem das Vertrauen in die eigene Stärke zurück gekehrt. "Vorher haben wir uns schon Sorgen gemacht", erinnert sich Kavticnik, der in dieser Saison bereits 158 Tore für Kiel geworfen hat. "Aber dann stand unsere Abwehr endlich wieder und es klappte einfach alles."

Findet der THW auch gegen Flensburg sein Spiel, so Kavticnik, müssen die Kieler sich um das richtige Ergebnis keine Sorgen machen. "Das stellt sich dann ganz von selbst ein."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 25.02.2006)