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18.03.2006 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Im Norden auf einer Welle: Auch Johnny trennt sie nicht

Die unterschiedlichen Wege der Handball-Freunde Viktor Szilagyi und Alexander Bommes

Aus den Kieler Nachrichten vom 18.03.2006:

Altenholz - Alexander Bommes ist kein Freund von Hunden. Auch nicht von Johnny, dem kräftigen Labrador-Mix, der mittags getrocknete Schweineohren zerkaut und gerne sehr laut bellt. Aus Angst, wie sein Herrchen Viktor Szilagyi versichert. Weil der Österreicher und sein dreijähriger Hund unzertrennlich sind, hat Bommes sich entschieden, die Geschichte vom ängstlichen Tier zu glauben. Schließlich sind die beide Handballer gute Freunde - Bommes vom TSV Altenholz und Szilagyi vom THW Kiel.
Vor fünf Jahren spielten sie für den Bundesligisten TSV Bayer Dormagen. "Er kam zum Probetraining, stand ein bisschen linkisch rum und hatte keine Turnschuhe dabei", erinnert sich Bommes an eine gute Portion Skepsis, als er den gebürtigen Ungarn zum ersten Mal sah. "Ich bin davon ausgegangen, dass wir uns nur zu Vertragsverhandlungen treffen", war der 27-Jährige vom Erstligisten ATSV Innsbruck überrascht, als ihn die Bayer-Verantwortlichen direkt in die Halle führten. Eine Woche später saß Szilagyi in Dormagen auf der Ersatzbank, wurde beim Punktspiel gegen den TBV Lemgo eingewechselt und führte den TSV zum Sieg. "Er war damals der Matchwinner", weiß Bommes. Als Dormagen das Geld ausging, trennten sich ihre Wege. Zunächst. Der gebürtige Altenholzer Bommes kehrte nach zwei Jahren in Gummersbach in die Heimat zurück und ist mit dem TSV derzeit Zehnter in der Zweiten Liga.

Szilagyi heuerte bei TuSEM Essen an und feierte dort seinen größten Erfolg. Noch heute erinnern die gerahmten Titelblätter der Handballwoche in seinem Flur an den historischen Sieg im EHF-Cup-Finale gegen den SC Magdeburg im letzten Jahr. Eines nach der Acht-Tore-Niederlage im Hinspiel, eines nach dem sensationellen Sieg mit neun Toren Vorsprung im Rückspiel. Als auch in Essen die Lichter ausgingen, unterschrieb der 27-Jährige zu Beginn dieser Saison beim Meister THW Kiel.

Sein erster Gang führte ihn gleich ins Funkhaus des NDR. Szilagyi gab dem Radiosender NDR 1 Welle Nord und dessen neuen Mitarbeiter Alexander Bommes ein erstes Interview, verlas mit Tiroler Akzent brav Verkehrsnachrichten und auch den Wetterbericht.

Gekonnt auch sein Einstand als Mieter: Gemeinsam mit seiner Freundin Nora Moosbrugger bewohnt der Rechtshänder ein reetgedecktes Bauernhaus in Altenholz-Klausdorf. Dort rettete er jüngst den übergewichtigen Hof-Hahn "Merlin", der durch dünnes Eis in den Teich plumpste.

Die Wege der Freunde haben sich in Altenholz gekreuzt, die Karrieren dagegen schon seit einiger Zeit getrennt. Während Szilagyi der Motor des neuen Kieler Tempohandballs wurde und seinen Vertrag bis Juli 2008 verlängerte, bastelt der 30-jährige Bommes intensiv an einer Zukunft ohne Ball. "Mein Horror war, dass ich als 35-Jähriger bei den Klubs um ein Gnadenbrot betteln muss."

Der Jurist bestand sein erstes Staatsexamen, entschied sich aber für eine Karriere als Journalist. In der nächsten Woche wird sich endgültig klären, ob der mit 207 Toren derzeit erfolgreichste Zweitliga-Schütze ein Volontariat beim NDR erhalten wird. Wenn er diese letzte Hürde nicht nimmt? Bommes zuckt mit den Achseln: "Ich will das unbedingt schaffen. Andere Gedanken mache ich mir nicht."

Ihm liegen Angebote aus der Bundesliga und der Schweiz vor. "Vollprofi war ich schon. Das wäre ein Schritt zurück", könnte der Linksaußen sich ansonsten vorstellen, den derzeitigen Spagat zwischen Sport (Altenholz) und Beruf (freier NDR-Mitarbeiter) zu verlängern: "Unterschrieben habe ich aber noch gar nichts."

Für Viktor Szilagyi, der nach seinem Haarriss in der linken Hand am Montag erstmals wieder Bälle werfen will, ist die Zukunft nach dem Sport noch offen. "Es gibt immer wieder Phasen, in denen ich darüber nachdenke", meint der Handballprofi. "Aber bei Top-Klubs wie Essen oder Kiel ist es unmöglich, die Freizeit verbindlich zu planen." Eine zusätzliche Ausbildung sei so kaum möglich. Klar ist nur, dass er irgendwann nach Österreich zurückkehren wird und dem Handball erhalten bleiben möchte. Vielleicht als Trainer. Wiedersehen werden sich Bommes und Szilagyi auch dann - bei den Spielen des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV, dessen Anhänger sie beide sind.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 18.03.2006)


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