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25.08.2006 Mannschaft

Zebra-Journal: Erfolg wandelt auf einem schmalen Grat

"Ein Team, das alles erreichen kann" - Mit THW-Trainer Noka Serdarusic sprach Reimer Plöhn

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2006:

Noka Serdarusic: "Wir haben ein tolles Team, das alles erreichen kann."
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Im März entschieden sich die Leser des "Handball-Magazin" bei der Wahl zum Trainer des Jahres erneut für den Kieler Noka Serdarusic. Wenige Monate später bestätigte der THW-Coach diese Entscheidung mit dem Gewinn der zwölften deutschen Meisterschaft für die Zebras. Der bald 56-Jährige war selbst neunmal am THW-Titelreigen beteiligt. Im Mai verlängerte Serdarusic seinen Vertrag um weitere drei Jahre bis 2009. Die KN sprachen mit dem Erfolgstrainer.
Kieler Nachrichten:
Herr Serdarusic, in der vergangenen Saison machte der THW seine zwölfte deutsche Meisterschaft mit einem neuen und jungen Team perfekt, jetzt sind erneut drei namhafte Verstärkungen hinzugekommen. Was muss passieren, damit die Zebras 2007 nicht erneut Meister werden?
Noka Serdarusic:
Natürlich sind wir alle optimistisch, dass es wieder mit dem Titelgewinn klappt. Wir haben ein tolles Team, das alles erreichen kann. Deswegen hat uns die Konkurrenz auch fast einstimmig zum hohen Favoriten erklärt. Mit Recht, muss ich sagen. Voraussetzung ist allerdings, dass wir von Verletzungspech verschont bleiben. Viktor Szilagyi fehlt mir noch länger, außerdem ist Lars Krogh Jeppesen noch angeschlagen. Als Rechtshänder im Rückraum stehen mir zurzeit nur Stefan Lövgren und Nikola Karabatic zur Verfügung. Sollte nur einer von beiden ausfallen, haben wir nicht mehr den THW, mit dem wir große Erfolge feiern können. Das ist ein schmaler Grat.
Kieler Nachrichten:
Welche Teams zählen Sie neben dem THW zum Titelfavoriten 2007?
Noka Serdarusic:
Es sind nicht mehr die "ewig Verdächtigen". Flensburg und Hamburg sind besonders zu beachten. Der HSV hat jetzt soviel Qualität, die können sich nicht mehr verstecken. Erst danach erwarte ich Mannschaften wie Magdeburg, Gummersbach, Kronau oder Lemgo.
Kieler Nachrichten:
Dem Gewinn der Champions League laufen die Zebras jetzt schon neun Jahre vergeblich hinterher. Klappt es beim zehnten Mal?
Noka Serdarusic:
Wenn ich heute wüsste, dass es nicht klappt, hätte ich gleich aufgehört. Ich habe eine Mannschaft, der dieser Triumph zuzutrauen ist. Früher haben wir gesagt, dass wir im Finale zwei sehr gute Spiele abliefern müssen, dazu benötigen wir Glück und die Hilfe von ganz oben. Eine gute Stunde würden wir auch heute benötigen, aber zusätzlich müsste der Liebe Gott nur noch einmal flüchtig vorbeischauen, damit es klappt.
Kieler Nachrichten:
Wie sind Sie mit dem Zustand Ihrer Mannschaft nach der Vorbereitung zufrieden?
Noka Serdarusic:
Nicht richtig. Körperlich ist das Team zwar in guter Verfassung, aber im spielerischen Bereich sind wir nicht weit gekommen, weil wir Lars Krogh Jeppesen noch nicht in die Abläufe einbinden konnten. Die Verletzungen ließen es nicht zu. Lars hat zwar auf der Bank gesessen und sich Notizen gemacht, aber wenn er gesund zurückkehrt, wird es noch ein paar weitere Wochen dauern, bis alles rund läuft. Ein Außenspieler ist zu 20 oder 30 Prozent in die Abläufe mit einbezogen, ein Rückraum-Akteur zu 100 Prozent.
Kieler Nachrichten:
Mattias Andersson, Henning Fritz, Thierry Omeyer: Der THW geht mit drei erstklassigen Torhütern in die Saison. Würden Sie es als ein Luxusproblem bezeichnen, weil eventuell Stress droht, wenn einer auf die Tribüne muss?
Noka Serdarusic:
Auf keinen Fall. Wir haben große Ziele und deshalb ist es wichtig, drei erstklassige Leute zwischen den Pfosten zu wissen. So verfahren andere Topklubs ebenfalls. Man stelle sich nur vor, Omeyer knickt um, und Fritz holt sich eine Zerrung - dann stehen wir mit einem Torhüter da. Ich weiß nicht, wie die Torhüter über die Konkurrenzsituation denken, aber ich brauche sie alle drei. Wenn der Etat es zulässt, würde ich das so weiter machen. Im Training sind alle drei total heiß. Ein Umdenken gäbe es nur, wenn sich jemand mit dem Platz auf der Tribüne zufrieden geben würde. Dann müsste man sich trennen.
Kieler Nachrichten:
Sie haben Ihren Vertrag um weitere drei Jahre verlängert. Was möchten Sie nach neun Meisterschaften noch schaffen?
Noka Serdarusic:
Wir haben schon so viel erreicht, und wenn 17 andere Trainer uns erneut zum Favoriten erklären, empfinde ich das nicht als Druck, sondern als Lob. Ich bin stolz darauf, heute in einem Atemzug mit Barcelona, oder Ciudad genannt zu werden. Aber das lässt mich nicht ruhen. Mein Ziel ist es, dass man den THW vor "Barca" und den anderen aufzählt. Dabei möchte ich betonen, dass ich immer nur ein Teil des Ganzen war, vielleicht habe ich die Flamme ein wenig mit angefacht. Aber geschafft haben wir die Erfolge nur im Team. Der Sechs-Millionen-Etat ist nur möglich durch die Arbeit im Umfeld und von Manager Uwe Schwenker. Die Schnellstraße, die der Mannschaft gebaut wurde, fußt auf die Gründung der GmbH mit Männern wie den Gesellschaftern Wegner, Holdorf oder Bartels. Ohne Geld geht heute gar nichts im Profisport.
Kieler Nachrichten:
Handball zieht mehr und mehr aus den kleinen Hallen in große Arenen und Großstädte um. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Noka Serdarusic:
Das ist prima und tut der Sportart gut. Wir entwickeln uns von Jahr zu Jahr weiter, es gibt neue Zuschauerrekorde und die Etats wachsen rapide. Schlimm ist es, dass es Bestrebungen gibt, Ausländerbegrenzungen einzuführen. Dabei sind es gerade diese Stars, die die Sportart so interessant machen. Wenn man uns morgen zwingt, mit sieben Deutschen zu spielen, können wir den Qualitätsstandard nicht mehr halten. Zuschauer, Sponsoren und die Kameras verschwinden, Handball wird dann wieder vor 800 Fans in Schulhallen gespielt. Das kann keiner wollen - und ist zum Glück auch nicht möglich. EU-Recht lässt keine Ausländerbegrenzung zu. Handball muss von den Kräften des Marktes geregelt werden. Viele Jugendliche kommen doch nur zum Fußball, weil sie wissen, dass man dort Millionen verdienen kann. Eine Sportart ohne finanziellen Anreiz lockt keinen Nachwuchs an.
Kieler Nachrichten:
Haben sie schon eine Idee, was Sie nach dem Handball anstellen werden?
Noka Serdarusic:
Früher habe ich gedacht, dass ich mit 50 die Schnauze voll habe. Jetzt bin ich bald 56 und habe noch drei Jahre vor mir. Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass es am besten ist, bei dem zu bleiben, was man kann. Als ich 1984 in Berlin mit dem aktiven Handball Schluss gemacht habe, haben meine Frau und ich in Mostar ein Restaurant gekauft und gedacht, das kann jeder. Zweieinhalb Jahre hat es gedauert, und ich hatte keinen Spaß - ich hatte davon keine Ahnung. Nein, ich sollte mich weiter mit Handball beschäftigen. Erst wenn das Feuer nachlässt und ich es nicht mehr auf meine Spieler übertragen kann, wird es Zeit, in Rente zu gehen.
Kieler Nachrichten:
Ihre größten Wünsche?
Noka Serdarusic:
Ich will mit der Mannschaft alles gewinnen. Wenn wir die Champions League holen sollten und in der Meisterschaft nur Zweiter werden, bekomme ich Magenschmerzen. Ihr Journalisten fragt dann auch sofort nach, warum es mit dem Titel nicht geklappt hat. Das nervt, aber ich kann es nachvollziehen, ich denke ja auch so.
Kieler Nachrichten:
Wie entspannen Sie sich nach Nerven aufreibenden Spielen?
Noka Serdarusic:
Früher haben wir am Sonnabend gespielt, dann habe ich mich ins Auto gesetzt, bin drei Stunden gefahren, habe mir es an einem See bequem gemacht und geangelt. Aber ich komme nur noch sehr selten dazu. Später hatte ich tolle Stunden mit meiner Enkelin, aber die wird auch größer und schmust nicht mehr so oft mit Opa. Entspannung hole ich mir heute damit, dass ich wieder viel öfter mit meiner Frau Mirjana ausgehe. Wir haben entdeckt, dass es auch außerhalb unserer vier Wände gute Unterhaltung gibt und genießen es gemeinsam.

(Das Gespräch führte Reimer Plöhn, aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2006)


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