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20.01.2007 WM 2007

Kieler Nachrichten: Stressfreier Weltmeister der Fröhlichkeit

Angolaner ohne Furcht vor Handball-"Stürmen"

Aus den Kieler Nachrichten vom 20.01.2007:

Kiel - Den ersten Sturm haben die Nationalspieler Angolas, die sich seit dem 3. Januar in Leipzig auf die WM vorbereitet haben, bereits überstanden. Vom Orkantief "Kyrill" kräftig durchgerüttelt, erreichte der Mannschaftsbus am späten Donnerstagabend das WM-Quartier im Kieler "Maritim"-Hotel. "Jetzt müssen wir nur noch drei Stürme überstehen", sagt Gilberto Mangueira und meint die Spiele gegen Norwegen (heute), Dänemark (Sonntag) und Ungarn (Montag, jeweils 18.15 Uhr).
Der 37-Jährige, im Hauptberuf Handball-Dozent an der Uni Leipzig, kümmert sich seit Wochen liebevoll um seine Landsleute. Mangueira, der fünf Sprachen spricht, organisierte Testspiele gegen die Zweitligisten Concordia Delitzsch und Anhalt/Bernburg, die Angolas Nationalmannschaft besiegten. In Kiel sorgte er unter anderem dafür, dass Mineralwasser ohne Kohlensäure aufgetischt wird. Ihn, der seit 14 Jahren in Deutschland lebt, bringt auch die etwas andere Mentalität nicht aus dem Konzept. "Wir sind auch sehr ehrgeizig, aber wir gehen unseren Weg mit mehr Fröhlichkeit." Und ohne einen zu intensiven Blick auf die Uhr. "Wir wollen das gleiche Ziel erreichen wie die Deutschen. Aber die müssen sich dafür um Punkt neun Uhr treffen. Wir nicht."

Eine echte Chance rechnen die Hobby-Handballer, die sich als Vierter der Afrika-Meisterschaft überraschend zum zweiten Mal für eine WM qualifizierten, in der Gruppe E nicht aus. "Wir sind stolz darauf, Angola vor aller Welt präsentieren zu dürfen", meint Genipro Narciso und lächelt breit ohne einen linken Schneidezahn. "Bei der letzten WM haben wir den 20. Platz belegt", erinnert sich der 34-jährige Kapitän, der fünfmal in der Woche trainiert. "Diesmal wollen wir noch mehr erreichen." Die Bundesliga-Spiele werden in seiner Heimat zwar nicht übertragen, aber einen Deutschen kennt er doch: "Stefan Kretzschmar ist mir ein Begriff." Die Kulisse in der mit rund 9000 Zuschauern gefüllten Ostseehalle schocken Narciso & Co nicht. Bei Afrika-Meisterschaften seien Spiele vor 15 000 Zuschauern keine Seltenheit.

Der Handball blickt in Angola auf eine lange Tradition zurück. Die Frauen sind die Nummer eins in Afrika und seit Jahrzehnten Dauergast bei Weltmeisterschaften. Die Männer haben in der jüngeren Vergangenheit den Anschluss geschafft, obwohl es derzeit nur drei Mannschaften gibt, die alle in der Hauptstadt Luanda beheimatet sind. Gemeinsam mit drei Juniorenteams spielen GD Banca, Sporting Luanda und Vitoria Seguro Angola ihren Meister aus.

Bei einer Durchschnittstemperatur von 30 Grad haben Sporthallen Seltenheitswert. Der Handball-Alltag findet unter freiem Himmel, vor knapp 500 Zuschauern und auf steinhartem Mosaikboden statt. "Bei uns federn die Böden nicht", weiß Mangueira. "Deshalb ist die Mannschaft auch schon so lange in Deutschland. Sie musste sich an den Schwingboden erst gewöhnen."

Mit einem Edding hat er in seinem WM-Fahrplan bereits die Zukunft Angolas vorgezeichnet. Demnach spielt das Team von Alberto Ferreira, der früher die Damen betreute, im Präsidenten-Cup in der Runde der Gruppenletzten gegen Marokko und Katar. Eine Zukunft, die keinen Angolaner schreckt - sie sind trotz bescheidener Rahmenbedingungen bei der WM dabei und damit schon vor dem ersten Spiel ein Gewinner.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 20.01.2007)

Stichwort Angola

Angola Angola ist ein Staat in Südwest-Afrika, der seit dem 11. November 1975 unabhängig von der ehemaligen Kolonialmacht Portugal ist. In der Präsidialrepublik am Atlantischen Ozean leben knapp 14 Millionen Menschen, viele davon (drei Millionen) in der Hauptstadt Luanda. Der Bürgerkrieg, der erst nach 26 Jahren beendet wurde und voraussichtlich 600 000 Menschen das Leben kostete, hat seine Spuren hinterlassen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos, fast drei Viertel leben an der Armutsgrenze. Dank seiner Bodenschätze (Öl, Diamanten) erlebt Angola derzeit einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Amtssprache ist Portugiesisch, die Währung heißt Kwanza.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 20.01.2007)


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