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26.01.2007 WM 2007 / Interview

KN-Interview mit Vladimir Maximow: "In Deutschland wird mit zweierlei Maß gemessen"

Aus den Kieler Nachrichten vom 26.01.2007:

Mannheim - Er ist der unbestritten erfolgreichste Trainer der Handball-WM. Als einziger der 24 Übungsleiter dieser Titelkämpfe holte Russlands Coach Vladimir Maximov mit seinen Teams schon den Europameistertitel (1996, 2000), die Weltmeisterschaft (1993, 1997) und obendrein olympisches Gold (1992, 2000). Doch nun scheinen die Russen vom Erfolgsweg abgekommen zu sein.
Kieler Nachrichten:
Die Vorrunde hat ihre Mannschaft mit Glück überstanden, jetzt stehen sie in der Hauptrunde wieder mit dem Rücken zur Wand. Glauben Sie noch an das Viertelfinale?
Vladimir Maximow:
Wir sind nicht so schlecht, wie wir jetzt von vielen Seiten gemacht werden. Wenn es aber nicht reicht, dann spielen wir diesmal eben um die hinteren Plätze. Davon geht die Welt auch nicht unter.
Kieler Nachrichten:
Das klingt sehr bescheiden für die zweiterfolgreichste Handball-Nation der Welt.
Vladimir Maximow:
Aber es ist die Realität. Wir müssen hier ohne vier Stammspieler spielen. Die Mannschaft, die hier auftritt, zeigt was sie kann. Mehr geht im Moment nicht.
Kieler Nachrichten:
Was fehlt Ihren Spielern bei diesem Turnier?
Vladimir Maximow:
Der Wettbewerb. Hier in Deutschland haben die Spieler zur Weihnachtszeit bereits 35 bis 40 Spiele auf höchstem Niveau gemacht. Bei uns sind es vielleicht zwölf oder noch weniger.
Kieler Nachrichten:
Dennoch sehen Sie es nicht gerne, wenn ihre Spieler Russland verlassen, obwohl sie in Deutschland oder Spanien Wettkampfhärte sammeln könnten.
Vladimir Maximow:
Das mag sein. Aber denken Sie ein paar Jahre zurück. Anfang der neunziger Jahre etwa haben 80 Prozent der russischen Spieler im Ausland gespielt. 400 Spieler sind in kürzester Zeit weg gegangen, 20 komplette Mannschaften also. Und wenn ich diese Spieler haben wollte, dann gab es Probleme: In Spanien zum Beispiel hat man ihnen gesagt "Wenn Du zur Nationalmannschaft gehst, dann sperren wir Deinen Lohn." Und Deutschland? Ich erzähle ihnen etwas anderes. Wassili Kudinov beispielsweise ist zum Trainingslager nach Russland gekommen. An der Hüfte hatte er eine Beule so groß, dass meine Hand hinein gepasst hätte. Er hat mir gesagt: "Ich musste mit dieser Verletzung spielen." Und wissen Sie was? Der Arzt hatte ihn mit Cortison behandelt, das macht man selbst in Russland schon lange nicht mehr. Ich habe das seinem deutschen Klub gesagt, und was passiert? Er war raus. Oleg Kuleshov kam mit exakt der gleichen Verletzung. Auch er war immer verletzt.
Kieler Nachrichten:
Einzelfälle?
Vladimir Maximow:
Nein, das zieht sich durch all die Jahre, in denen ich nun Trainer bin. Nehmen Sie Igor Lawrow - er kam gleich mehrere Male verletzt zu mir. Einmal sind seine Sehnen im Bein nicht richtig verwachsen. Ich habe ihm gesagt: "Pausiere." Eine Woche später sagte ihm der Arzt bei seinem deutschen Verein: "Wenn ich Kopfschmerzen habe, dann arbeite ich auch." Ein anderes Mal kam er mit Fußschmerzen und sagte: "Ich trinke Voltaren und spiele." In Schweden kam er, da hatte eine Arthrose sein Fußgelenk deformiert. Erst nach der Untersuchung durch unseren Spezialisten durfte er sich operieren lassen. Und was glauben Sie, was passiert ist, als er bei der Olympiade in Sydney trotz einer Verletzung im Finale spielte? Der deutsche Verein hat geschrien: Skandal!
Kieler Nachrichten:
Macht die Bundesliga also die Spieler kaputt?
Vladimir Maximow:
Ich weiß nicht, was die Deutschen machen, aber ich sage die Wahrheit. Es liegt sicher auch daran, dass deutsche Vereine mit kleinen Kadern von zwölf bis 14 Spielern spielen. Ich habe in Chechov 18 Spieler. Aber ich behaupte, dass in Deutschland mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Ein deutscher Spieler würde mit diesen Verletzungen nicht spielen.
(Mit dem russischen Trainer sprach Patrick Reichelt, aus den Kieler Nachrichten vom 26.01.2007)


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