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03.02.2007 WM 2007 / Nationalmannschaft

Kieler Nachrichten: Taktik: "Bis drei Uhr morgens angeschrieen"

Nach dem "Tag der Schmerzen" glauben die Polen an ihre Titel-Chance

Aus den Kieler Nachrichten vom 03.02.2007:

Hamburg - "Das war keine Lüge", beteuert Bogdan Wenta direkt nach dem 36:33-Halbfinalsieg seiner Polen am späten Donnerstag Abend gegen Dänemark. "Wir haben einen Virus in der Mannschaft und ich bin auch noch krank." Der überragende Mittelmann Grzegorz Tkaczyk soll noch in der Nacht vor dem Spiel in der Hamburger Color Line Arena mit knapp 39 Grad Fieber das Bett gehütet haben.
Torhüter Slawomir Szmal sei so geschwächt gewesen, dass er bereits nach wenigen Minuten gegen Adam Weiner ausgetauscht werden musste, der in den acht Turnierspielen zuvor insgesamt acht Bälle gehalten hatte. "Es war ein Tag der Schmerzen für uns", meinte Wenta, der als Spieler unter Bundestrainer Heiner Brand 1998 EM-Bronze gewann. "Deshalb habe ich unglaublichen Respekt vor meinen Jungs." Jetzt, so der 45-Jährige, hätten sie nur noch ein "leichtes Spiel" vor sich. Das Finale gegen Deutschland könne seine Mannschaft ohne Druck angehen. "Wir haben nichts mehr zu verlieren", sagt Wenta, der 180 Länderspiele für Polen und 46 für Deutschland absolvierte. "Bis Sonntag sind alle wieder fit."

Derzeit hat der Siegeszug der Polen, die 1982 als WM-Dritter ihren letzten großen Erfolg feierten, auch in der Heimat einen Boom ausgelöst. "Das ganze Land spielt verrückt", weiß Marcin Lijewski zu berichten, der bei der SG Flensburg-Handewitt unter Vertrag ist. "So viele Mails und Anrufe habe ich noch nie bekommen." Der 29-Jährige ist optimistisch, dass die Polen nun auch Weltmeister werden. "Wir spielen lieber gegen Deutschland als gegen Frankreich, Spanien oder Kroatien", meint Lijewski. "Die decken nicht so aggressiv. Ihre 6:0-Abwehr liegt uns." Angst vor der Kölnarena, in der er "19 000 und sieben Deutsche" erwartet, hat Lijewski auch nicht. "Die Chance, Weltmeister zu werden, kommt nie wieder. Wir müssen diese eine nutzen."

Von entscheidender Bedeutung für die jüngste Erfolgsserie von fünf Siegen in Folge war offensichtlich die bittere 22:31-Pleite gegen Frankreich in der Hauptrunde. Nach einer 11:8-Führung ließen die Polen sich von Nikola Karabatic & Co. widerstandslos am Nasenring durch die Dortmunder Westfallenhalle führen. Anschließend soll es im Mannschaftshotel eine heftige Auseinandersetzung gegeben haben. "Wir haben uns bis drei Uhr morgens angeschrieen", sagt Lijewski. "Danach haben wir wieder angefangen, Handball zu spielen."

Das Erfolgsrezept der Polen scheint aber auch andere Zutaten zu haben als eine herzhafte Streitkultur. In seiner zweijährigen Amtszeit als Nationaltrainer hat Wenta die Gegner für Testspiele nach Größe und Gewicht sortiert. "Bisher war es immer so, dass wir vor großen Turnieren gegen Litauen und Lettland gespielt haben", sagt Wenta, der im Hauptberuf den Bundesligisten SC Magdeburg trainiert. "Das bringt uns aber nicht weiter. Um zu lernen, mussten wir gegen Top-Nationen Deutschland und Frankreich auf die Fresse bekommen." Aus diesen Schlägen habe seine Mannschaft gelernt. Inzwischen gäbe es in Polen endlich auch Alternativen zu Lijewski, Tkaczyk und Karol Bielecki. So wie den erst 22 Jahre alten Halblinken Michal Jurecki, der in der zweiten Verlängerung gegen Dänemark doppelt traf. Wenta: "Dass der jüngste Spieler die wichtigsten Tore wirft, spricht für diese Mannschaft."

Ein Team, das bislang als einziges Gastgeber Deutschland bei diesem Turnier besiegen konnte. "Und warum", fragt Wenta, "sollten wir das nicht noch ein zweites Mal schaffen?"

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 03.02.2007)


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