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28.04.2007 Champions League / Mannschaft

Zebra-Journal: Das schönste Geschenk wäre der Champions-Titel

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 28.04.2007:

Andrei Xepkin wird am 1. Mai 42 Jahre alt.
Klicken Sie für weitere Infos! Andrei Xepkin wird am 1. Mai 42 Jahre alt.

Frühling in Kiel. Die Sonne lacht, die Luft ist lau. Rund um den Europaplatz lagert allerhand Arbeitsvolk im Genuss der verdienten Mittagspause. Es klappert Besteck. Überall herrscht Hochbetrieb. Bei "Fiedler" freuen sich fünf Knirpse über eine große Kugel Eis. Vor dem DAB-Krug lassen sich Skandinavier kühles, deutsches Bier und Matjes mit Bratkartoffeln servieren.
Derweil schiebt sich an der Ostseehalle ein schwarzer Wagen in eine Parklücke. Drinnen sitzt ein bulliger Mann. Sein Kopf kommt dem Autohimmel bedrohlich nah. Er misst 2,05 Meter und trägt einen Kapuzenpulli unter einem blauen Regencape. Als der Mann die Tür öffnet, aussteigt, berühren schwarze Sportschuhe der Größe 50 den Asphalt. Passanten glauben einen Gewichtheber oder Baumstammwerfer vor sich. Der Mann ist aber kein Gewichtheber, auch kein Baumstammwerfer. Er ist Profi-Handballer. Und er ist seit vier Wochen Kreis läufer beim THW Kiel. Sein Name ist Andrei Xepkin.

Sein Händedruck ist so entschlossen wie sein profanes Tun auf dem Parkett. Zeit lebens hat der im Süden der heutigen Ukraine geborene und 1997 in Spanien eingebürgerte Handball-Veteran vor allem in der Deckung geackert. Bis 1991 für STR Saporischschja. Nach dem Zusammensturz der Sowjetunion wanderte er nach Spanien aus. Xepkin erinnert sich: "Die Umstände in meiner Heimat waren schlecht und wir deshalb alle auf der Suche nach einem besseren Leben." Zwar lagen dem 41-Jährigen auch Angebote aus Deutschland vor ("Fragen Sie mich bitte nicht nach den Vereinsnamen"). Aber was ihn lockte, war die andalusische Sonne. Er heuerte bei Maristas de Malaga an, um im darauf folgenden Jahr bei Avidesa Alzira (Valencia) sein sportlich schwärzestes Kapitel zu schreiben. "Das war eine ganz schreckliche Zeit." Es sei ein Wunder gewesen, 1993 trotzdem vom FC Barcelona ein Angebot bekommen zu haben.

Was dann für Xepkin, der am 1. Mai seinen 42. Geburtstag feiert, im "Dream Team" von Barcelona begann, trägt ausreichend Stoff für ein Kino-Drehbuch. Sechs Mal gewinnt er die Champions-League, sechs Mal die spanische Meisterschaft, ein Mal den EHF-Pokal, zwei Mal den Europapokal der Pokalsieger, fünf Mal die Vereins-EM, vier Mal den Königspokal (Copa del Rey) und fünf Mal den Ligapokal (Copa Asobal). Mit Spanien gewinnt er ein Mal Silber (EM 1998) und zwei Mal Bronze (Olympia 2000 und EM 2000), und wird 1990 mit Russland Vizeweltmeister in Prag. "Daran erinnere ich mich gar nicht gern", sagt er. "Wir haben im Endspiel gegen Schweden mit Olsson und Wislander verloren."

2005 erklärte Xepkin unter Tränen seinen Rücktritt als Profisportler. Mit seiner Frau Victoria und seinen beiden Söhnen (14 und 19 Jahre alt) lebt er in Sant Feliu de Llobregat, einer kleinen Stadt, 20 Kilometer außerhalb der katalanischen Metropole. In Barcelona arbeitete er noch bis vor vier Wochen für einen Sport-Arzneimittel-Hersteller. Für "mein Barca" kümmert er sich zudem offiziell um soziale Projekte und die Fan-Klubs. Dann kam der Anruf vom THW. "Ich wusste, dass ich mich den Wölfen zum Fraß vorwerfe", sagt Xepkin über sein Intermezzo in Kiel, das am 3. Juni endet. "Aber ich konnte einfach nicht widerstehen. Einem der zwei besten Handball-Teams der Welt erteilt man keine Absage." Der Altersunterschied in seiner neuen Mannschaft wird ihm vor allem bewusst, wenn er Dominik Klein bei seinen Gegenstößen nach vorne sprinten sieht. "Das ist schon witzig. Er könnte mein Sohn sein", witzelt Xepkin.

Fragt man den Feinschmecker, der die einheimische Nachspeise "Crema catalana" nicht ausstehen kann, nach seinem bisher beeindruckendsten Erlebnis an der Förde, formen seine markanten Gesichtszüge ein breites Grinsen. "Der Straßenverkehr", sagt er lachend. "Ich war noch nie in einer Stadt, wo so entspannt Auto gefahren wird wie hier." Sportlich habe er sich gut eingelebt. Die Spielzüge des THW preist er als "super effektiv". "Anfangs war ich sehr nervös. Ich wollte niemanden enttäuschen. Aber das Spiel ist viel schneller und athletischer geworden. Daran musste ich mich erst gewöhnen." So wie an die deutsche Sprache. Er besucht einen Sprachkurs. Mit Trainer Noka Serdarusic spricht er einen Mix aus Jugoslawisch, Polnisch und Russisch. "Ich würde so gern deutsch sprechen können, aber es ist so schwer und die Zeit kurz. Und in der will ich vor allem noch zwei Titel mit dem THW gewinnen."

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 28.04.2007)


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