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26.07.2007 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Lust auf Kulturschock

"Weltenbummler" und Neuzugang Filip Jicha erlebt den THW Kiel als neue Dimension

Aus den Kieler Nachrichten vom 26.07.2007:

Varel-Obenstrohe - Wenn er könnte, sagt Filip Jicha, würde er den ganzen Tag im Bett liegen, schlafen und nichts tun. Gar nicht so einfach also, den 2,01 Meter großen und 103 Kilogramm schweren Rückraumspieler im Trainingslager des THW Kiel noch vor dem Mittagsschlaf zu einem Gespräch zu bewegen.
Doch es klappt. Bei seinen Antworten ist der 25-jährige Tscheche ebenso wach, fröhlich und offen wie auf dem Trainingsparkett. Der 86-fache tschechische Nationalspieler mit dem Oberkörper eines Holzfällers und dem Kreuz eines Schwimmers geht auf Menschen zu, ist wissbegierig, interessiert. "Nein, ich stehe nicht in der Ecke. Ich will meinen Spaß teilen, Freundschaften aufbauen. Zwei Jahre lang habe ich gegen den THW gekämpft. Jetzt will ich Kiel richtig kennen lernen", sagt Jicha.

So war es immer bei dem Pilsener. Auch mit 20, als er bei Dukla Prag spielte und ein Kurzengagement in Saudi-Arabien annahm, später nach Katar ging und diese Zeit heute nicht mehr missen will. "Die menschlichen Erfahrungen, die Mentalität - als ich wieder nach Hause kam, habe ich mich stark gefühlt, hatte etwas geschafft. Als ich dann in die Schweiz ging, hatte ich keine Probleme, mich einzufinden." Sportlich haben die Trips gen Süden Jicha nicht vorangebracht. Doch der Rechtshänder sagt: "Ich habe jetzt viele Freunde dort."

Dennoch: Selbst einen "Weltenbummler" wie Jicha kann ein (handballerischer) Kulturschock ereilen. Er, der von sich behauptet, kein Dauerläufer zu sein ("mein Puls ist so hoch wie der der anderen, aber die sind doppelt so schnell"), bekam im niedersächsischen Varel-Obenstrohe eine neue Art der Vorbereitung zu spüren. "In Lemgo war das ganz anders als hier, wo wir so viel in einer Woche geschafft haben, aber da muss ich jetzt durch. Von der harten Arbeit können wir Monate lang leben."

Mittlerweile ist auch Freundin Hana in der gemeinsamen Wohnung in Melsdorf angekommen. Beide stammen aus Stary Plzenec bei Pilsen, gingen in dieselbe Grundschul-Klasse, waren sechs Jahre lang ein Paar, bis Jicha zum TBV Lemgo wechselte. "Vielleicht waren wir noch zu jung", vermutet der 25-Jährige, der ohne Hana den EHF-Pokal 2006 gewann und 2007 als zweitbester WM-Torschütze auftrumpfte. Jicha lacht: "Jetzt sind wir wieder zusammen, waren immer in Kontakt. Hana ist unglaublich wichtig. Es kommen schlechte Tage. Dann brauche ich jemanden auf meiner Seite. Jemanden, mit dem ich auch über andere Sachen als Handball sprechen kann." Bis 2011 hat sich Jicha an Kiel gebunden. Gelegenheit, an der Förde eine Familie zu gründen? Ein Schmunzeln durchzuckt das Gesicht des Strubbelkopfes: "Wir bleiben erst einmal cool."

Jicha will eben die Zeit genießen, freie Tage in Prag verbringen ("dort tanke ich Kraft"), das Meer in Kiel erforschen ("ich fände es super, einen Boots-Führerschein zu machen"), Golf spielen ("das ist Entspannung für mich") - und natürlich in erster Linie Titel mit dem THW gewinnen. "Ich bin ein offener Mensch, versuche immer, mit allen auszukommen. Und ich will immer alles für den Sieg tun", sagt Jicha und geht zum Mittagsschlaf. Denn abseits des Spielfeldes "da könnte ich schlafen ohne Ende".

(von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 26.07.2007)


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