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26.09.2007 Mannschaft

Zebra: Igor Anic - Künstler am Kreis

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Kommt Igor Anic, lässig die Sporttasche auf der rechten Schulter tragend, aus der Umkleidekabine, könnte man meinen, der 1,96-Meter-Mann wäre schon seit Jahren Mitglied der Kieler Handball-Truppe. Doch erst vor gut drei Monaten zog es den Franzosen in die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel und bevor man sagen kann, er hat die Herausforderung THW bewältigt, gab es eine Menge anderer Dinge zu entdecken. "Der Anfang hier war schwer, ich beherrschte die Sprache kaum und Vieles war für mich neu", fängt Anic an, über seine erste Zeit an der Förde zu sprechen.
"Es gibt viele Unterschiede zwischen uns Franzosen und den Deutschen, das wird einem schnell klar". Die Franzosen seien etwas gelassener, während die Deutschen durch ihre Gradlinigkeit und Diszipliniertheit auffielen, versucht der Kreisläufer seine Eindrücke zu beschreiben. Doch am schwersten fällt Anic die Mülltrennung. "Bei uns in Montpellier gibt es so etwas nicht. Ich war ganz erstaunt, als man mir eine blaue Tonne, einen gelben Sack und einen Restmülleimer zeigte", lacht Anic, der sich aber schnell daran gewöhnte - er nimmt es eben alles mit einer gewissen französischen Gelassenheit.

Auch in Sachen Handball scheint er eher ein ruhiger Typ zu sein. So beschreibt er sich doch selbst als ein bisschen träge und faul und auch wenn bei diesen Worten ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht huscht, weiß der 20-Jährige dennoch ganz genau, was er erreichen will.

Erst vor kurzem entschied er sich für den Profi-Handball und gegen seine zweite Leidenschaft, das Zeichnen von Comicfiguren und Portraits. "Ich wollte auf eine Kunstschule gehen und dort meine Leidenschaft zum Beruf machen, doch ich habe beschlossen, so lange Handball zu spielen wie es für mich möglich ist", denn dies könne man ja schließlich nur bis zu einem bestimmten Alter. "Danach kann ich mir vorstellen, als Designer zu arbeiten oder irgendwie mein Geld mit der zeichnerischen Kunst zu verdienen", wagt Anic den Blick in die Zukunft.

Fürs Zeichnen braucht er aber auch die passende Inspiration, denn einfach drauf los malen, das könne er nicht. "Ich schaue Fernsehen und sehe in einer Serie einen Helden oder eine Figur, die mir gefällt, und fange dann an, sie zu skizzieren", erzählt der 20-Jährige, während er stolz ein selbst gezeichnetes Portrait der Simpsons-Familie auf seinem Handy zeigt.

Neuer Lebensabschnitt
Ein neues Land, eine neue Mannschaft, eine neue Sprache - viele Hürden warteten auf Igor Anic, der von 2003 bis 2007 im Kader des französischen Top-Klubs Montpellier stand. Gerade sein Landsmann und enger Freund Nikola Karabatic stand ihm in den ersten Wochen zur Seite. "Wir lernten uns kennen, da war ich fünf und er acht Jahre alt und man könnte meinen, es sei eine 'Sandkistenfreundschaft'", lacht Anic, der anfangs bei Karabatic eingezogen war, inzwischen aber in den eigenen vier Wänden lebt. "Ich habe zwar eine Wohnung, ein paar Möbel stehen dort auch schon, doch es fehlt ein richtiges Bett", erklärt der 102 Kilogramm schwere Neuzugang, der zurzeit mit einer Matratze vorlieb nehmen muss.

Für den jungen Franzosen hat in Deutschland ein neuer Lebensabschnitt begonnen; und dies nicht nur, weil er gerade erst vor ein paar Wochen seine Führerscheinprüfung bestand und dadurch eine neue Freiheit errungen hat, sondern auch, weil er weit weg von zu Hause wohnt und seine Familie nicht mehr so häufig sieht. "Es ist nicht meine erste eigene Wohnung, auch in Montpellier habe ich schon zwei Jahre alleine gelebt, doch es ist schon etwas anders als damals", erzählt der junge Kreisläufer. In den nächsten Wochen kommt sein Bruder zu Besuch und auch seine Mutter war schon des Öfteren in Kiel.

Aber gerade sein Vater ist besonders stolz auf ihn. "Für meinen Vater ist es ebenso wie für mich ein Traum, dass ich beim THW Kiel spielen kann", berichtet der Franzose, der sich an die eindringlichen Worte seines Papas erinnert. "Er sagt mir so häufig, dass ich jeden Tag für den Handball arbeiten und genau das machen soll, was Noka sagt."

Seine Mutter umsorgt ihren Sohn nicht weniger. Immer wenn sie ihn in Kiel besucht, "bringt sie mir einiges zu Essen mit, denn wie viele Mütter kann auch sie wirklich gut kochen - besser als ich auf jeden Fall", schmunzelt der 20-Jährige, dem die Hausarbeit so gar keinen Spaß macht. Bei den Worten Staubsaugen, Staubwischen, Aufräumen und Wäschewaschen verzieht er das Gesicht. Es gehöre zwar dazu, wenn man eine eigene Wohnung hat, doch wirklich gern nimmt Anic den Wischlappen nicht in die Hand - da greift er doch lieber zum Ball, mit dem fühlt er sich sichtlich wohler.


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