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06.11.2007 Bundesliga

Zebra: Die Terminhatz der Spitzenklubs

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Seit der HSV Hamburg in der Champions League spielt, spüren die Hamburger die Auswirkungen der engen Spielpläne: Trainer Martin Schwalb schob nun eine noch längst nicht zu Ende geführte Diskussion an - der Streit um die Terminhatz im Handball ist wieder im vollen Gang.
Noch im August gab sich Hamburgs Nationalspieler Pascal Hens zuversichtlich: "Wir haben einen ausgeglichenen Kader, so dass wir die Strapazen verkraften", sagte der Weltmeister zu den Erwartungen an die kommende Saison. Indes: Diese war zu jenem Zeitpunkt noch längst nicht gestartet. Jetzt, nach zehn Spieltagen der TOYOTA Handball-Bundesliga, zwei Auftritten im DHB-Pokal, drei Spielen in der Champions League und dem Halbfinal-Aus gegen den THW Kiel bei der Champions Trophy sowie etlichen Einsätzen mit den Nationalmannschaften sieht man sich in Hamburg erstmals dem ausgesetzt, was man anderswo als "Terminhatz" längst kannte - und geht in die Offensive: "Das Medieninteresse ist riesig und wir präsentieren nur müde Krieger", polterte HSV-Trainer Martin Schwalb ob der Flut an Spielen, die die Nationalspieler der Bundesliga-Topclubs zu absolvieren haben, "es werden grundsätzlich immer mehr Spiele. Die Belastung und die Verletzungsgefahr der Athleten steigt. Das ist für mich nicht mehr tragbar!"

Damit rannte der HSV-Coach einmal mehr offene Türen ein. THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker fordert seit Jahren eine Entzerrung der Spielpläne, um den Top-Spielern die unbedingt benötigten Ruhephasen auch gönnen zu können. "Man muss bei den Belastungen durch die Nationalmannschaften immer daran denken: Die Keimzelle und das Herz des Handballs sind die Vereine, die die Spieler schließlich auch bezahlen." Gleichzeitig richtete er eine Forderung an die Offiziellen der Handball-Verbände: "Die Spieler brauchen wieder mehr Freiräume, sie sind momentan erheblich belastet!"

Schwalb forderte unterdessen die Spieler unverblümt auf, endlich eine Spielergewerkschaft zu gründen, die die Interessen der Profi-Handballer vertreten solle. "Die Spieler müssen sich dringend organisieren. Sie schmeißen ja auch Geld raus, wenn sie auf Grund der hohen Belastung oder von Verletzungen weniger Jahre spielen können." Unterstützung für diese Idee bekam Schwalb nicht nur aus den eigenen Reihen. "Wir sollten uns ein Beispiel an Dänemark nehmen, wo es eine Spielergewerkschaft bereits gibt", weiß Stefan Lövgren um die Wichtigkeit einer Interessenvertretung. "An der Spitze müsste jemand stehen, der nicht mehr aktiv ist", hat der THW-Kapitän auch gleich einen ersten Vorschlag parat. "Wie viele Verletzte muss es noch geben, bis mal reagiert wird?" formulierte THW-Linksaußen Dominik Klein drastisch nach der Champions Trophy. "Es ist der reine Wahnsinn. Sieben Spiele in zwölf Tagen - das ist ja schon ein eigenes Turnier." Die Spieler, so Klein resigniert, könnten gegen die Terminflut allerdings wenig ausrichten. "Ich muss sehen, dass ich im Verein meine Leistung bringe und einigermaßen verletzungsfrei über die Runden komme." Er setzt seine Hoffnung in die "Group14": "Der Zusammenschluss der großen Vereine sollte sich mit den Verbänden an einen Tisch setzen, um was zu ändern."

Gerade den Verbänden, namentlich der Europäischen Handball-Föderation (EHF) und der Internationalen Handball-Föderation (IHF), wirft Martin Schwalb allerdings eine "Verharrungsmentalität" vor. "Jeder wartet, dass einer einen ersten Schritt macht. Aber von seinen Pfründen will auch keiner was abgeben", kritisierte der HSV-Coach angesichts der Terminhatz, "die EHF und IHF machen es sich einfach und legen ihre Termine so, wie sie wollen. Das ist der falsche Weg." Für diese Einschätzung erntete Schwalb jedoch Kritik von Seiten der EHF. Deren Generalsekretär Michael Wiederer sprach ihm gar die Möglichkeit ab, sich über gewisse Vorgänge überhaupt zu äußern: "Bei allem Verständnis, Herr Schwalb spielt mit Hamburg das erste Mal Champions League und urteilt über sehr komplexe Zusammenhänge."

Dass etwas für die Gesundheit der Spieler getan werden muss, ist in dieser Spielzeit offensichtlicher denn je: Auf maximal 94 Einsätze könnte ein Nationalspieler am Ende der Saison gekommen sein. "Die endet Mitte Mai. Dann gehen die Spieler gleich in die Olympia-Vorbereitung, spielen das Turnier, um kurz darauf in die Saison 2008/2009 zu starten", weiß Schwenker, dass bis Mitte 2009 kaum eine Pause auf die Bundesliga-Akteure wartet. Wohl auch deshalb sieht Pascal Hens inzwischen die Dinge anders als vor Saisonbeginn: "Wir werden verheizt!" Noch etwas drastischer formuliert sein Mannschaftskollege Guillaume Gille die Gefühle der Spieler: "Wir werden behandelt wie ein Stück Fleisch, das hin- und hergeschoben wird, um Geld zu verdienen. Die Grenze ist längst überschritten!"

Unterstützung für die Forderung nach einer Spielergewerkschaft bekam Martin Schwalb dann aber ausgerechnet von der von ihm kritisierten EHF:"Die Mitbestimmung liegt uns am Herzen", sagte Wiederer, "aber man muss uns nicht unter Druck setzen." Er verwies auf den EHF-Kongress in Rom, wo es einen Antrag für ein Spielerforum gegeben habe. "Leider ist ein entsprechender Vorstoß abgelehnt worden, weil eine Satzungsänderung notwendig geworden wäre, wofür aber knapp die Zweidrittel-Mehrheit fehlte. Schon für die Sitzung im Dezember in Paris wird erneut ein Antrag vorbereitet", berichtete Wiederer von den Aktivitäten innerhalb des Verbandes.

Auch deshalb befürwortet er die Idee einer Spielergewerkschaft, um die Interessen der Hauptakteure endlich mit "einer Stimme" auch gegenüber den Verbänden zu vertreten. "Im Mannschaftskreis haben wir bereits darüber gesprochen.", sagt Nikola Karabatic. Indes: "Für etwas Konkretes fehlt uns einfach die Zeit."

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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