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08.02.2008 Interview / Medien

"Handball-Magazin": Das Prinzip Mini

Erst die Weltmeisterschaft, dann das Triple: Dominik Klein über schnellen Erfolg, Heimat, Kinder und Schutzengel

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Aus dem "Handball-Magazin" 11/2007:

Christian Schwarzer bezeichnete vor Jahren mal die jungen Pascal Hens und Christian Zeitz als Glückskinder, weil sie mit dem alten Nationalteam zwischen 2002 und 2004 alle Höhen erlebt hatten. Hens und Zeitz sind Weltmeister, Zeitz ist zudem mit dem THW Kiel längst einer der erfolgreichsten deutschen Titelsammler. Doch Klein stellt das mit seinem Tempo alles in den Schatten. In seinem ersten Jahr für die Zebras gewann er Pokal, Meisterschaft und Champions League. Weltmeister ist er ebenfalls. Uwe Schwenker, Manager des THW, fragte deshalb: "Was will der Junge noch erreichen?" Eigentlich könnte Klein seine Karriere beenden. Mit 23. Doch das Prinzip Mini funktioniert noch immer. "Ich bin jung, ich möchte das alles wieder erleben", sagt Klein.
Handball-Magazin:
Demnach wollen Sie 2008 also die EURO und die Olympischen Spiele in Peking gewinnen.
Dominik Klein:
Sehr gern, aber ich bin kein Spieler, der sicher dabei ist. Meine Position ist mehrfach gut besetzt. Ich muss mich immer beweisen. Deshalb schaue ich nicht so weit voraus und konzentriere mich erst einmal auf den Verein. Und ob die Belohnung mit der Nationalmannschaft wieder kommt? EM und Olympische Spiele sind Zuckerstücke. Es wäre das Größte für mich, wenn ich die bekommen könnte.
Handball-Magazin:
Aber Sie sind Weltmeister.
Dominik Klein:
Das ist schön, aber meine Einstellung hat sich nicht geändert. Ich stehe am Anfang meiner Karriere und lerne immer dazu. Dabei hilft mir Noka Serdarusic. Mit dem für mich besten Vereinstrainer der Welt zu arbeiten, ist für mich als junger Spieler die größte Genugtuung. Wenn die Leistung da ist, wird man dafür belohnt.
Serdarusic sagt über einen seiner liebsten Schüler: "Manchmal ist er zu ungeduldig und will zu viel. Aber das ist schon besser geworden. Früher hatte er zwei Finger in der Steckdose, jetzt nur noch einen. Wenn er den auch noch rauskriegt, wird er einer der besten Linksaußen weltweit werden." Der Kieler Trainer brachte mehr Ruhe und Überblick in Kleins Spiel, doch der Spruch bleibt haften. Die Steckdose ist ein Teil der Mini-Geschichte, die zu den schillernden Facetten der Weltmeisterschaft zählt. Im Winter verzauberten die Männer von Bundestrainer Heiner Brand die Nation vor allem mit ihrem kompromisslosen Mannschaftsgeist. Klein prägten sich die Menschen nicht nur als einen der Halbfinal-Helden gegen Frankreich ein, sie erinnerten sich auch an den aufgedrehten Irrwisch auf der deutschen Bank.
Dominik Klein:
Ich bin einfach so ein Typ, lebe auf der Bank mit und habe immer Kontakt mit meinem Mitspieler - ob Torsten Jansen in der Nationalmannschaft oder Henrik Lundström beim THW. Trinkflasche und Handtuch geben, Blicke, steter Austausch - das hat sich nicht geändert.
Handball-Magazin:
Gerade Lundström ist in Kiel doch ein Konkurrent.
Dominik Klein:
Warum? Wir teilen uns die Spielzeiten, verstehen uns gut, und ich hoffe, dass Henrik seinen auslaufenden Vertrag verlängert. Es macht einfach Spaß, ein Team im Team zu sein. So funktioniert unsere ganze Mannschaft.
Handball-Magazin:
Ist das nicht manchmal zu selbstlos?
Dominik Klein:
Das ist meine Philosophie: Es geht nur im Team. Das habe ich auch meinem früheren Trainer Frantisek Fabian zu verdanken. Der ist so etwas wie ein zweiter Vater für mich.
Der slowakische Doktor entdeckte und formte Klein. "So große Hände, so große Füße - aus Dir muss was werden", sagte Fabian. Sechs Jahre arbeitete er mit dem flinken Rechtshänder, den er in den Mannschaften des Tuspo Obernburg zum Mittelmann schulte. Als Vorbild galt dem talentierten Jungen stets der fünf Jahre ältere Bruder Marcel, der Kapitän der Jugendnationalmannschaft war.

Zur Geschichte des kleineren Kleins gehören die ersten Würfe mit Vater Theo und Bruder Marcel auf ein Handballtor im heimischen Garten, das Minitraining mit Mutter Petra, die Freizeit in der nur zwei Straßen entfernten Halle in einer mit dem großen Nachbarn TV Großwallstadt völlig auf Handball fixierten Region. Dominik war bei jedem Spiel des Tuspo, schaute zu, als der große Bruder für den Zweitligisten auflief. "Ich habe immer zu ihm aufgeschaut. Als die Leute gesagt haben, du wirst mal so wie dein Bruder, dachte ich, dass schaffe ich nie", sagt Klein.

Noch heute spricht er von einem Video, dass Marcels erstes Länderspiel gegen Frankreich zeigt. Hüben lief unter anderem Adrian Wagner auf, drüben Bertrand Gille. "So ein Kawenzmann schon", sagt Klein, lacht und deutet ein gewaltiges Kreuz an. "Wir Kleins sind ja von Haus aus etwas schmächtiger, aber Marcel hat super ausgesehen." Nach ganz oben haben es jedoch lediglich Bobo Gille und Mini geschafft.

Der Bruder ist einer der Anker in Kleins Karriere. Für Tuspo Obernburg spielten sie gemeinsam als Mittelmänner. Konkurrenten, die sich halfen. "Marcel, meine Eltern und Frantisek Fabian sind die Leute, die ich mit der Heimat verbinde und die mir den Weg geebnet haben", sagt Klein. Der führte zielstrebig nach oben. Mit Obernburg in die 2. Liga, via Zweifachspielrecht für die SG Wallau/Massenheim und den TV Großwallstadt in die Bundesliga und im Sommer 2006 zu seinem Traumverein THW Kiel. Zuvor hatte sich Klein erfolgreich zum Informatikkaufmann ausbilden lassen. Seine berufliche Karriere setzt er heute mit Hilfe der Studiengemeinschaft Darmstadt fort. Der Weltmeister lernt Wirtschaft und Verwaltung.

Dominik Klein:
Ich betreibe mein Studium ernsthaft. Zwei Stunden verbringe ich täglich am Schreibtisch, oft früh morgens oder zwischen den Einheiten. Der Tagesplan ist sehr strukturiert. Ich komme damit gut zurecht, und ich brauche das, um mich auch neben dem Sport zu fordern.
Handball-Magazin:
Mit welchen Fragen beschäftigen Sie sich stattdessen?
Dominik Klein:
Zurzeit mit Geldtheorie und Dingen wie Liquidität und Zinsen.
Handball-Magazin:
Und was ist mit dem Marketing der Marke Mini?
Dominik Klein:
Ich konzentriere mich auf den Sport und will dadurch zeigen, was für ein Mensch ich bin. Einer mit viel Leidenschaft und tierischem Spaß an dem geilen Sport. Das will ich einfach verkörpern.
Handball-Magazin:
Und der Rest?
Dominik Klein:
Mein Grundgedanke ist, Leistung zu bringen und Handball zu spielen. Für alles andere ist Global MMK zuständig.
Das Unternehmen aus dem badischen Schriesheim und deren Geschäftsführer Marc Rapparlie kümmern sich um das Marketing des Weltmeisters. Rapparlie und sein Team haben die Internetpräsenz www.mini33.de geschaffen, sie organisieren Autogrammstunden und suchen Ideen, das Potenzial ihres Spielers zu vermarkten. Das geschehe "auf professioneller, aber freundschaftlicher Basis" und sei "eine schöne Gemeinschaft, die im Handball mit kreativen Ideen etwas bewegen will", sagt Klein. Global MMK bewegt sich auf anderen Geschäftsfeldern und kontrolliert zum Beispiel im Dienste der NBA weltweit deren TV-Rechte. Nebenbei wächst mit dem Kieler Nikola Karabatic, Michael Spatz vom TVG und dem Rhein-Neckar-Löwen Patrick Groetzki auch der Kreis der Handball-Klienten.

Klein ist Linksaußen. Nicht nur für die Position, sondern für den gesamten Handball hat Stefan Kretzschmar den Glamour-Maßstab gesetzt. Mit Tattoos, Piercings, Statements und nicht zuletzt der High-Society-tauglichen Liaison mit Schwimmerin Franziska van Almsick. Da reicht selbst Pascal Hens mit schrillem Irokesenschnitt nicht heran. Den bodenständigen und in seiner Art authentischen Klein müsste man komplett neu erfinden, um Kretzschmars Kategorien zu erreichen.

Dominik Klein:
Ich schaue nicht nach anderen Ideen und will nicht irgendjemanden verkörpern. Ich möchte so sein, wie ich bin.
Handball-Magazin:
Und wie ist das?
Dominik Klein:
Ich habe Spaß am Handball, bin emotional, mit Leidenschaft auf dem Feld. Ich weiß, woher ich komme und wo meine Wurzeln sind. Obernburg und Kiel: Dort fühle ich mich zu Hause. Zudem erfüllt mich meine Botschafterfunktion für Mukoviszidose e.V.
Als Zivildienstleistender übernahm Klein in Obernburg den Fahrdienst für Behinderte und Patienten, entdeckte den Bezug zu behinderten Kindern und die Freude am Helfen. Ende 2006 erfuhr er von Mukoviszidose, einer genetisch bedingten, bisher unheilbaren und tödlich verlaufenden Stoffwechselerkrankung, mit der in Deutschland rund 8000 Menschen leben müssen. Rapparlie stellte den Kontakt zu Mukoviszidose e.V. in Bonn her, aus dem Handballer wurde einer der so genannten Schutzengel.
Dominik Klein:
Als Marc und ich zum ersten Mal nach Bonn fuhren, wussten wir nicht, was da auf uns zukam. Aber aus diesem Treffen entstand sofort eine Beziehung. Im Städtischen Krankenhaus Kiel habe ich dann Fynn-Lasse, einen mittlerweile fünfjährigen Jungen kennengelernt. Wir haben uns gefunden. Ich treffe ihn regelmäßig und bringe Dinge, die er mag, zum Spielen mit. Für ihn ist es das Größte, und mir machen diese kleinen Freuden, die ich ihm bereiten kann, tierischen Spaß. Mit Kindern kann ich ganz gut. Die liebe ich über alles und mag es, wenn ich in deren Umfeld bin.
Der Handball-Weltmeister ist Botschafter für den Mukoviszidose-Verein und Schutzengel für das Jahr 2007 und steht damit in einer Reihe mit Fußball-Nationalspieler Arne Friedrich und RTL-Moderator Marco Schreyl. Über seine Website wirbt er um Spenden. Anfragen von Privatpersonen und Unternehmen, für den Verein zu spenden oder den Erlös von Betriebsfeiern zu überlassen, freuen Klein. Er empfindet das Engagement als Genugtuung.
Handball-Magazin:
Woher rührt der Erfolg?
Dominik Klein:
Vielleicht sind wir Handballer ein bisschen greifbarer und näher an den Fans als andere Sportler oder Prominente. Das haben wir während der WM gezeigt: Man kann uns mal anfassen, fotografieren oder umarmen. Das Image haben wir uns aufgebaut - und ich stehe voll dahinter.
Handball-Magazin:
Zur Last wird das nicht?
Dominik Klein:
Das ist doch auch außerhalb der Halle nichts Schlimmes, ich mache das liebend gern. In der Kölnarena waren bei der WM 19000 Leute. Du wolltest gar nicht mehr aus der Halle gehen und am liebsten jeden umarmen, aber du konntest es ja nicht allen recht machen. Mit einer kleinen Unterschrift oder einem Foto etwas zurückzugeben, ist doch das Normalste, wenn man damit den Fans ein Lachen ins Gesicht zaubert. Wenn man sieht, wie fanatisch vor allem die Kleinen auf einen zukommen. die dritte Halbzeit spiele ich am liebsten.
Bis 2009 steht Klein in Kiel unter Vertrag. Inzwischen lebt er in Melsdorf, einer kleinen Gemeinde vor den Toren der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins - 620 Kilometer trennen ihn von der alten Heimat, doch das familiäre Umfeld ist geblieben. Und das liegt nicht nur an seiner Freundin Isabell Nagel, die wieder näher herangerückt ist. Die 23-jährige Linkshänderin wechselte vom Süd-Zweitligisten HSG Bensheim/Auerbach zum erstklassigen Buxtehuder SV - nur noch noch eineinviertel Stunde von Kiel entfernt.
Dominik Klein:
Wir könnten mit sieben THW-Spielern den Melsdorfer HC aufmachen. Torwart, Linkshänder - alles da. Ich habe am Dorfplatz eine Dachgeschosswohnung. Da sind Bäcker und Bank, da herrscht das Leben. Nikola wohnt über dem Bäcker, zu meinem Balkon hinten raus kann ich zu Stefan Lövgren rüberschauen. Das ist die direkte Nachbarschaft. Und Thierry Omeyer, Vid Kavticnik, Igor Anic und Filip Jicha leben auch in der Nähe.
So eine Familie kann man nur schwer verlassen. Und noch etwas hält Mini im Norden: der Kieler Rathausplatz, das Verlangen, sich vom Balkon des Rathauses immer wieder mit 20000 Menschen dem Rausch des Erfolges hinzu geben.

(Aus dem "Handball-Magazin" 11/2007)


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