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23.04.2008 Champions League

Zebra: CL-Finale: Endlich Ciudad!

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Es ist das lang ersehnte Aufeinandertreffen in der Champions League. Denn noch nie spielten der THW Kiel und Ciudad Real in der Königsklasse gegeneinander.
Es war ein hartes Stück Arbeit, das Ciudad Real nach dem klaren Sieben-Tore-Heimerfolg in der Hamburger Color Line Arena zu verrichten hatte. Bis kurz vor Schluss standen die Spanier, die das Spiel lange Zeit kontrolliert hatten, vor dem Aus. Hätte Hamburgs Kreisläufer Guillaume Gille zehn Sekunden vor dem Ende doch nur die Nerven bewahrt - und Weltklasse-Torhüter Arpad Sterbik nicht den Fuß hinausschnellen lassen - der THW Kiel träfe im Champions-League-Finale einmal mehr auf einen Kontrahenten aus der eigenen Liga. Nun aber wartet mit Ciudad Real die "Übermannschaft", wie THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker den kommenden Champions-League-Gegner noch vor dieser Spielzeit titulierte. Dass die Spanier, die mit einem geschätzten Etat von 13,5 Millionen Euro als das teuerste Team der Welt gelten, aber auch menschliche Züge aufwiesen, zeigten die letzten Minuten des Halbfinal-Rückspiels in Hamburg. Bis fünf Minuten vor dem Ende lief alles nach Plan für Ciudad Real, dann versagten den Weltklasse-Akteuren nach und nach die Nerven. Allen voran Olafur Stefansson: Der Regisseur der "Weltauswahl" scheiterte zweimal per Siebenmeter an HSV-Keeper Johannes Bitter, leistete sich zudem in den letzten vier Sekunden des Spiels ein Foul an eben diesem Torhüter, wofür der Isländer die Rote Karte sah.

Ein Foul, das bei Ciudads Trainer Talant Dujshebaev nicht zum ersten Mal die Sicherungen durchknallen ließ. Wie wild geworden wollte der Coach seinem Schützling an den Kragen gehen, musste von einigen seiner Spieler vor sich selbst geschützt werden. Noch im Kabinengang - und mit einer etwas niedrigeren Pulsfrequenz - stellte Dujshebaev dann doch noch Stefansson zur Rede. "Er ist einer unser erfahrensten Spieler, deshalb kann ich nicht verstehen, was er in den letzten zehn Sekunden getan hat", rechtfertigte sich Dujshebaev anschließend vor der Presse, "Olafur hat uns geschadet, denn er wird uns im ersten Finalspiel fehlen."

Ciudad und THW zeigten Nerven
Eine selbst auferlegte Schwächung, die dem Coach bitter aufgestoßen sein muss. Denn obwohl sein Kader mit Weltklasse-Akteuren nur so gespickt ist, bringt Dujshebaev die mögliche Sperre für Stefansson ein wenig in die Enge. Denn mit Petar Metlicic ist der zweite etatmäßige Spielmacher der Spanier momentan noch verletzt. "Ich weiß nicht, ob Petar im Finale wird spielen können", sagt Dujshebaev, "ich befürchte, dass ich zumindest für das erste Spiel mein Team umstellen muss." Das erste Spiel - die Auslosung in Wien wollte es so, dass dieses erste Aufeinandertreffen in der Champions League zwischen den beiden momentan wohl besten Mannschaften der Welt in Spanien stattfindet, sodass der THW Kiel im Rückspiel auf die Unterstützung seiner Fans bauen kann. Ein Vorteil? Nur, wenn sich die Zebras in Ciudad Reals Hexenkessel Quijote Arena ähnlich stark präsentieren, wie in den ersten 45 Minuten im Palau Blaugrana von Barcelona. Engagiert in der Abwehr, mit einem starken Thierry Omeyer, hatten die Kieler nach dem furiosen 41:31 im Hinspiel die Partie auch im Rückspiel im Griff. Auch, weil der Kieler Rückraum einmal mehr zu großer Form auflief. Auch, weil nicht der Vorsprung gehalten, sondern wie eigentlich immer auf Sieg gespielt wurde. "Dann haben wir einmal zu oft auf die Uhr geschaut", gestand Spielmacher Stefan Lövgren, "und dass so etwas schief gehen kann, hat man ja gesehen." In der Tat zeigte der THW in der Schlussviertelstunde Nerven. "Das war heute nicht gut", fasste Karabatic, einmal mehr mit zehn Toren überragender Kieler, diese 15 Minuten, in denen der THW einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielte und Barcelona bei dem folgenden Sechs-Tore-Vorsprung noch einmal an ein Wunder glauben ließ, zusammen. Und nicht nur Noka Serdarusic blickte nach vorn. "Wenn ich an das Finale denke, macht mich die letzte Viertelstunde nicht wirklich glücklich", sah der Zebra-Coach auf der dem Spiel folgenden Pressekonferenz nicht unbedingt aus wie der Vertreter eines Vereines, der gerade zum zweiten Mal in Folge das Finale der Champions League erreicht hat. "Aber zu solch einer Negativ-Serie gehören immer zwei: ein guter Gegner und ein schlechter THW", hofft Serdarusic auf die Einmaligkeit dieses Einbrechens kurz vor dem Ende.

Bisher tolle Saison
War dies doch so untypisch für eine Kieler Mannschaft, die die Champions League im bisherigen Saisonverlauf dominiert hat. Verlustpunktfrei für die Hauptrunde qualifiziert, den Ausrutscher in Leon mit einem furiosen Heim-Feuerwerk wettgemacht und mithilfe des Publikums und einer der besten Leistungen der letzten Jahre den FC Barcelona auf Distanz gehalten: Gibt es eine Steigerung? Die muss es wohl geben, soll Ciudad Real im Finale bezwungen werden. Schließlich hat Domingo Diaz de Mera, der als zweitreichster Mann Spaniens gilt, in den letzten Jahren ein Team zusammengestellt, das wohl auf der Welt seinesgleichen sucht. Geld spielt bei Ciudad Real keine Rolle - Domingo Diaz de Mera sei Dank. Zeitweise kaufte der Mäzen sogar so viele Stars für sein Team ein, dass diese bei fremden Vereinen "geparkt" werden mussten. Mit der Auflage freilich, in Spielen gegen Ciudad Real nicht eingesetzt zu werden. Legendär ist auch die Antwort Diaz de Meras auf die Anfrage Real Madrids, Ciudad Real als Handballsparte des spanischen Traditionsvereines aufzukaufen. "Eher kaufe ich Real Madrid", soll die Antwort jenes Mannes gewesen sein, der mit seinen Millionen eine der ersten Handballadressen Europas geschaffen hat.
"Who is Who" des Handballs
Und so liest sich auch der Kades des THW-Final-Gegners wie das "Who is Who" des Handballs. Neben Arpad Sterbik, jenem Torhüter, der 2005 zum "Welthandballer des Jahres" gewählt wurde und bei Ciudad Real einst einen Zehn-Jahres-Vertrag (!) unterschrieb, steht mit Jose Javier Hombrados der spanische Nationaltorhüter zwischen den Pfosten des Champions-League-Siegers 2006. Für Chema Rodriguez überwies Ciudad eine Ablösesumme von 800.000 Euro in Richtung Valladolid, nachdem Ivano Balic eine Millionen-Offerte ausgeschlagen hatte. Gemeinsam mit Uros Zorman leitet Rodriguez die sportlichen Geschicke des reichsten Klubs der Welt. Im Rückraum kommt es in den Finalspielen zum Aufeinandertreffen der wohl besten Halblinken der Welt: Nikola Karabatic wird sich gegen Siarhei Rutenka beweisen müssen. Rutenka - der nach der weißrussischen und slowenischen Staatsbürgerschaft inzwischen die spanische angenommen hat, gilt als noch wurfgewaltiger als sein Pendant auf Halblinks, Alberto Entrerrios. Die Abwehrspezialisten Didier Dinart und Ales Pajovic, im letzten Winter für einige Wochen an den THW ausgeliehen, können auf eine ebenso stattliche Anzahl Länderspiele zurück blicken wie Stefansson und Metlicic, jenem kongenialen Duo im rechten Rückraum. Und auch auf den Außenpositionen tummelt sich bei Ciudad Real die Weltspitze. Jonas Källmann und David Davis sorgen links für Tempo, Davis ist zudem als "Speerspitze" der offensiven 5-1-Abwehr der Spanier gesetzt. Und am Kreis wartet neben "Ungetüm" Ronaldo Urios noch der dänische Nationalkreisläufer Torsten Laen (siehe auch Gegnerkader Ciudad Real).

Eine Weltauswahl aus sieben Nationen mit weit über 1500 Länderspielen - Ciudad Real ist das Team, mit dem sich der THW Kiel in den letzten Jahren immer messen wollte. Denn bisher trafen beide Mannschaften erst einmal aufeinander. Im Oktober 2002 in der Magdeburger Bördelandhalle. Im Spiel um den dritten Patz bei der Vereins-EM. Mit 20:32 gingen die Zebras damals unter. Einziger Kieler, der diese deutliche Niederlage auf dem Platz miterlebte, war Mattias Andersson. Kapitän Stefan Lövgren fehlte verletzt. "Das war kein ,richtiges' Match", sagt Talant Dujshebaev, damals noch selbst aktiv und vierfacher Torschütze, heute, "das Champions-League-Finale wird unser erstes Spiel gegen den THW." Und in diesem sieht der Ciudad-Trainer die Zebras in der Favoritenrolle: "Sie sind die Titelträger, sie haben das beste Team in der Welt. Ich freue mich auf die Spiele, auch wenn es für uns hart wird, zu gewinnen." Understatement oder realistische Einschätzung der Situation? Die Champions-League-Finalspiele zwischen dem THW Kiel und der "Übermannschaft" Ciudad Real werden es zeigen .

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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