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10.09.2008 Bundesliga

Zebra: Die Mächtigen: Wolfgang Gütschow

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Hinter den Kulissen des Handballs halten sie die Fäden in den Händen: mal still und unauffällig, mal extrovertiert und laut. ZEBRA stellt die Mächtigen in loser Reihenfolge vor. Heute: Wolfgang Gütschow, Spielermanager.
Ein buntes Hemd, eine bunte Brille, Rauschebart - wenn man Wolfgang Gütschow das erste Mal sieht, würde man kaum glauben, dass sich hinter dieser Paradiesvogel-Fassade einer der mächtigsten Männer des Handballs verbirgt. Gütschow ist Spielermanager. Auf ihn hören Klienten wie die HSV-Stars Pascal Hens und Oleg Velyky.

Begonnen hat die Geschichte Gütschows im Handball Anfang der 90er-Jahre. Und zwar höchst spektakulär. Der ehemalige Journalist und Inhaber einer Werbeagentur stieg 1993 ins Sportmanagement ein und wurde Vizepräsident des russischen Handballverbandes, der zu dieser Zeit drohte, von der internationalen Handball-Bühne zu verschwinden. "Bis zur Wende war in der Sowjetunion Sport ein staatliches Programm. Es fehlte an nichts", erinnert sich Gütschow an seine Anfangstage in Russland. "Nach der Wende aber fehlte plötzlich das Geld für die simpelsten Dinge." Gütschow schickte die russischen Handballer in Deutschland über die Dörfer, sie bekamen dafür Geld und viel Übung. "Die Tourneen waren ein erstklassiges Trainingslager", schmunzelt Gütschow heute und denkt an die zwei Weltmeister-, den Europameistertitel sowie das olympische Gold in Sydney - alles Erfolge Gütschows Vizepräsidentschaftszeit.

Nach dem Olympia-Gold war Schluss mit der Verbandsarbeit, Wolfgang Gütschow wandte sich wieder der Spielerberatung und -vermittlung zu, galt nach dem Bosman-Urteil lange Zeit als Ansprechpartner vieler Handballer aus allen Teilen der Welt. Verständigungsprobleme haben Gütschow dabei nie aufhalten können, denn der 46-Jährige beschreibt sich selbst als Kosmopolit. "Ich habe in Japan, Russland und in der Schweiz gelebt, spreche sechs Sprachen und war in fast 100 Ländern."

Auch heute jettet Gütschow um die Welt, ist mal hier und mal dort zu finden. Ein Grund, warum man sein Gesicht selten zu sehen bekommt. "Entscheidend für meine Klienten ist die Erreichbarkeit." Seine Markenzeichen seien daher neben den bunten Hemden Communicator und Laptop - ohne diese beiden technischen Wunderwerke geht er nicht aus dem Haus. "Wenn ich mich mit einem Verein um offene Spielergehälter streite ist es egal, ob ich in Deutschland im Büro sitze oder am anderen Ende des Regenbogens in Australien."

"Ich bin Weintrinker und Gourmet."
In Deutschland lebt Gütschow zurückgezogen auf einem ehemaligen Obstbauernhof in Ostfriesland - mit einem Weinkeller, in dem der Feinschmecker viele edle Tropfen aufbewahrt. "Ich bin Weintrinker und Gourmet", gesteht Gütschow, dessen Verhandlungspartner aber selten diese Seite kennenlernen. Für sie ist Gütschow ein knallharter Geschäftsmann, der sich auch mit den ganz Großen der Branche anlegt - wenn es denn sein muss. "Korrektheit und Harmonie zwischen den Menschen erachte ich als wichtiger als Business und Geld."
"Die Branche ist - speziell im Handball - wirklich unseriös."
Doch wenn es um seine Klienten geht, reißt Gütschow manchmal der Geduldsfaden. "Die Funktionäre müssen endlich erkennen, dass die Spieler die Hauptdarsteller der Sportart Handball sind - und nicht ihre Statisten", sagt der Mann, dessen Wort etwas zählt in der Sportart, die in den letzten Jahren einen wahren Boom erfuhr. Und das, obwohl Gütschows Zunft der Spielervermittler einen eher zweifelhaften Ruf genießt.

Zu Recht, wie der Mann, für den das Wort "Workaholic" geschaffen worden zu sein scheint, sagt. "Die Branche ist - speziell im Handball - wirklich unseriös. Es sind zuviele Filous unterwegs, die junge Handballer ohne kaufmännisches und juristisches Fachwissen beraten, und niemand beim DHB kümmert es, wenn ein Berater oder Vermittler ohne Lizenz agiert." Ein Thema, bei dem Gütschow richtig laut werden kann. "Provisionsfokussierten Vermittlern ist das kurzfristige Geschäft wichtiger als die Karriere des Sportlers." Für ihn müsse die sportliche Karriereplanung Priorität haben, weshalb er sich auch als Manager der Spieler sieht. "Die klassische Vermittlung ist nicht Kernpunkt meiner Tätigkeit."

Gleichwohl kümmert sich Gütschow nicht nur um die Spieler, sondern vor allem auch um den Sport im Allgemeinen. Seine Bestechungsvorwürfe sorgten für Aufsehen, als er nach den Vorfällen um die asiatische Olympia-Qualifikation auch den europäischen Handball als nicht frei von Bestechung bezeichnete. "Vielleicht agieren wir Europäer etwas subtiler und filigraner, wenn es um das Prinzip 'eine Hand wäscht die andere' geht." Dabei zieht Gütschow die Augenbrauen ein wenig hoch - und schaut auf seinen Communicator.

Eine Nachricht ist eingetroffen, Wolfgang Gütschow startet wieder durch, kümmert sich um das, was ihn so bekannt und so mächtig gemacht hat: den Handball und seine Profis...

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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