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19.10.2008 Champions League

Champions League: Drammen verliert nach Abenteuerreise erstes kleines Endspiel in Skopje

Von Dr. Oliver Schulz:

24 Stunden vor dem Kampf der Giganten, Barcelona gegen den THW Kiel, fand in Skopje das erste von zwei Entscheidungsspielen um den dritten Platz in Gruppe C statt. Metalurg schlug vor 2500 Zuschauern den ersatzgeschwächten norwegischen Spitzenklub Drammen HK überraschend deutlich mit 37:30 (21:14). Damit dürfte es für die Skandinavier im Rückspiel selbst in Bestbesetzung schwer werden, dem mazedonischen Meister Rang drei abspenstig zu machen, der zur Teilnahme am Pokalsieger-Wettbewerb berechtigt.
Schon seit Tagen hatte sowohl die norwegische als auch die mazedonische Presse auf den Schlüsselcharakter der beiden Partien Metalurg Skopjes gegen Drammen HK hingewiesen. Zu klar scheint die Dominanz Kiels und Barcelonas, als dass sich einer der beiden verbleibenden Vereine aus Gruppe C wohl echte Hoffnungen auf den Verbleib in der Königsklasse gemacht hätte.
Großer Zuspruch bei Medien und Zuschauern
Umso härter umkämpft ist der dritte Platz hinter den beiden europäischen Topadressen. Das große Interesse am Duell der "Kleinen" spiegelte sich nicht nur in den Medien wider - sowohl der mazedonische Sender A2 als auch der norwegische Kanal TV2 übertrugen live - sondern äußerte sich auch auf den Rängen. Die Partie wurde nicht in Metalurgs gewohnter Heimspielstätte "Avtokommanda" ausgetragen, sondern fand in der 6963 Zuschauern Platz bietenden, nach dem früheren mazedonischen Präsidenten benannten Halle "Boris Trajkovski" statt. Hier waren am Samstag Abend 2500 Handballbegeisterte unter sich.
Honig und Wermut für Drammen
Die Woche hatte für Drammen HK eigentlich gut angefangen: neben dem 35:26 Sieg über Herulf im Viertelfinale des norwegischen Pokals wurden zwei Spieler in ihre Nationalmannschaften berufen. Der Halbrechte Marius Hovde Andersen, bislang vier Mal für Norwegen im Einsatz, erhielt dank seiner guten Leistungen eine Einladung vom neuen Nationaltrainer Robert Hedin. Rechtsaußen Eldin Hajdarevic fand sich im Aufgebot Bosniens wieder.

Schon seit einigen Wochen muss Drammen auf seinen Topspieler, den torgefährlichen Mittelmann Steffen Stormo Stegavik, verzichten. Der Torschützenkönig der norwegischen "Postenligaen" hatte sich vor Beginn des Konzerts der Großen, bei dem er für Drammen eigentlich die erste Geige spielen wollte, einen Finger zweifach gebrochen.

17-stündiger Anreise-Marathon
In Ermangelung einer Direktverbindung für 20 Personen in die mazedonische Hauptstadt war DHK am Freitag Morgen um fünf Uhr aufgebrochen und über Prag nach Sofia geflogen. Wie "Drammens Tidende" erfahren haben will, soll der Busfahrer, der den Tross von dort nach Skopje bringen sollte, den Weg aus der bulgarischen Metropole erst einmal nicht gefunden haben. Später an der Grenze soll der Zoll sich für das Gefährt interessiert haben. Nach Aussage des Blattes brauchte der Bus für die 230 Kilometer Wegstrecke sieben Stunden.

Es zehre zwar nicht an der Physis der Spieler, da diese ja lange nur stillsäßen. Wohl aber greife es sie mental an. Es sei anstrengend, sich nicht irritieren zu lassen und sich mit Dingen zu befassen, die nicht wie geplant abliefen, teilte Trainer Dahl Drammens Tidende mit. Dennoch soll der Humor in der Truppe überraschend gut gewesen sein: Leiter Svein-Erik Bjerkrheim etwa habe an einem Imbiss irgendwo in der Pampa Hühnchen mit Brot, Nachtisch und Kaffee spendiert, fügte Kapitän Bard Nordhagen hinzu.

Erst gegen 22 Uhr am Freitag Abend checkte der Tross endlich im Hotel "Aristocrat Palace" in Skopje ein. Das eigentlich angedachte Abendtraining fand aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr statt. Das schaffe man schon. Wenn man jetzt nur noch einen Happen zu essen, etwas zu trinken und eine Mütze Schlaf bekomme, sei schon viel getan, teilte Nordhagen der Zeitung mit.

Hovde Andersen im Abschlußtraining verletzt
Zu allem Übel hatte Marius Hovde Andersen beim Abschlusstraining am Samstag Morgen Pech. Nach einer Einheit Fußball wurden Konter eingeübt, als sich der Linkshänder eine schmerzhafte Bänderverletzung im Knöchel zuzog. Die Einschätzung von Physiotherapeut Roger Nebell, Hovde Andersen könne am Nachmittag spielen, bewahrheitete sich nicht. Der Halbrechte fiel für die so wichtige Partie aus. So ruhte noch mehr Verantwortung auf den Schultern Bard Nordhagens.
Youngsters geben Partie vor der Pause aus der Hand
Ohne Pechvogel Hovde Andersen, dafür aber mit der strapaziösen Anreise in den Knochen, gerieten die im Schnitt nur 21 Jahre jungen Gäste von Beginn an in Rückstand und blieben im gesamten ersten Durchgang unter ihren Möglichkeiten. Die Abwehr erreichte nicht ihre normale Form, und im Angriff verdiente sich die rechte Seite zwar hin und wieder Pluspunkte, aber die linke blieb blass. Die Gäste offenbarten Schwächen bei Kontern.

Zur Pause hatten sich die Mannen von Trainer Zvonko Shundovski so bereits ein komfortables Polster von sieben Toren erarbeitet (21:14). Danach trat Drammen in allen Mannschaftsteilen deutlich verbessert auf, so dass der Vorsprung des mazedonischen Meisters nicht noch weiter anwuchs. Mehrfach gelang es den Südnorwegern, die Tordifferenz durch Konter etwas zu schmälern.

Ausgerechnet als sie beim Stand von 26:22 wieder etwas Morgenluft witterten, verhängte das tschechische Schiedsrichtergespann Kohout/Novak zwei Zeitstrafen gegen Drammen. Dies nutzte Metalurg, schlug zurück und stellte den alten Abstand wieder her. Der Pausenvorsprung von sieben Toren hatte daher auch am Ende Bestand (37:30).

Spannes Dutzend Treffer nicht genug
Drammen verlor das erste von zwei Endspielen also in der ersten Halbzeit. Die zweite konnten sie zwar immerhin ausgeglichen gestalten (16:16), mehr aber war für die ersatzgeschwächten Youngsters nicht mehr drin. Rechtsaußen Christian Spanne war der mit Abstand torgefährlichste Drammener Schütze. Bei 13 Versuchen zappelte zwölf Mal ein von ihm abgefeuerter Ball in den Maschen. Seine drei Siebenmeter verwandelte er sicher. Für Skopje traf ein Trio am besten: Smigic steuerte acht Tore bei, Kapitän Dimovski und Maltsev je sieben. Alle sechs Strafwürfe des Ukrainers fanden ihr Ziel.

Neben Spanne überzeugte einmal mehr Drammens schwedischer Torhüter Peter Carlsson. Durch seine solide Leistung trug er nach der Pause maßgeblich dazu bei, dass die Niederlage nicht noch höher ausfiel. Trainer Bent Dahl beurteilte die Vorstellung seines Teams gegenüber Drammens Tidende als schwach auf der ganzen Linie. Wenn man zur Pause mit sieben hinten liege, sei es schwer, noch einmal heranzukommen. Der Übungsleiter freute sich allerdings über Spannes Potential.

Natürlich sei das Team ein wenig enttäuscht. Aber man habe eine gute zweite Halbzeit gespielt. Da habe man nur noch mit vier Toren in Rückstand gelegen. Gegen Ende aber sei es dann etwas zu heiß geworden, so dass Metalurg den Abstand zur Pause wiederhergestellt und mit sieben Toren gesiegt habe. Dennoch sei die Sache noch nicht gelaufen. Die sieben Treffer könne man nächsten Monat vor eigenem Publikum wettmachen, glaubte Begleiter Leif Ole Engen gegenüber "Verdens Gang".

Rückreise in zwei Gruppen
Bereits unmittelbar nach dem Match setzten sich die Spieler erneut in den Bus, um sich nach Sofia zurückbringen zu lassen. Wie schon im Falle der Anreise waren für eine derart große Gruppe keine freien Direktflüge mehr zu haben. Mitten in der Nacht bezogen sie in der bulgarischen Metropole ein Hotel. Schon um fünf Uhr am Sonntag Morgen eilte eine erste Gruppe von Spielern zum Flughafen, um über Prag am Nachmittag schließlich heimische Gefilde zu erreichen. Die restlichen Akteure werden Sofia erst am Montag Morgen verlassen. Bereits am Mittwoch steht das schwere Auswärtsspiel gegen Haslum an.
Entscheidung um Platz drei erst ganz zum Schluss?
Die Entscheidung um den bedeutsamen dritten Platz wird vermutlich erst am 23. November fallen, dem letzten Spieltag der Gruppe C. Dann nämlich muss der mazedonische Meister in der Drammenshalle antreten. Die Hausherren, die zuvor noch zwei schier unüberwindbare Hürden in Kiel und Barcelona vorfinden, müssen alles daran setzen, einen möglichst hohen Heimsieg zu landen. Sie hoffen, bis dahin nicht nur auf Linkshänder Hovde Andersen, sondern auch auf das begnadete (geheilte) Händchen Steffen Stegaviks zurückgreifen zu können.

(von Dr. Oliver Schulz)

Champions League, Gruppe C, 3. Spieltag: 18.10.08, So., 17.00: Metalurg Skopje (MKD) - Drammen HK: 37:30 (21:14)

Logo MSkopje Metalurg Skopje (MKD Flagge MKD):
Ristovski (14 Paraden), Brestovac (1 Parade); Zivkovic (2), Dimovski (7), Stojance Stoilov, Lazarov (3), Stanojevic (2), Mirkulovski (2), Nedanovski, Gjorgonoski, Maltsev (7/6), Canturia (6), Jovic, Smigic (8)
Logo Drammen Drammen HK (NOR Flagge NOR):
Kolstad Holm (4 Paraden), Carlsson (8 Paraden); Hajdarevic, Hovind, Spanne (12/3), Tverdal (2), Ekelund, Nordhagen (5), Lie Hansen (2), Hykkerud (5), Larsson (1), Sörheim (2), Augensen (1)
Schiedsrichter:
Vaclav Kohout / Petr Novak (Tschechien)
Zeitstrafen:
Skopje: 3;
Drammen: 3
Siebenmeter:
Skopje: 6/6;
Drammen: 3/3
Zuschauer:
2500 (Halle "Boris Trajkovski", Skopje (MKD))


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