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23.01.2009 International

Kieler Nachrichten: Alles nur ein großes Missverständnis?

IHF-Boss Moustafa sieht keine Probleme im Anti-Doping-Kampf

Aus den Kieler Nachrichten vom 23.01.2009:

Varazdin - Für ihn ist es nur ein großes Missverständnis. "Wir kämpfen gegen Doping. Das sind unsere Athleten, das ist unsere Familie", beteuert Hassan Moustafa. Der ägyptische Präsident der Internationalen Handball-Föderation (IHF) will nicht verstehen, dass er in den vergangenen Wochen unter mediales Feuer geraten ist.
Die Berichte über fehlende Trainingskontrollen, die Auflösung und gestrichene Budgetierung der Anti-Doping-Unit (ADU), all das sei eine "Fehlinformation", hatte Moustafa schon zuvor gegenüber der Basler Zeitung versichert. Mit dem ganzen Vorgang habe er "nichts zu tun". Am Dienstag erklärte er im kroatischen Varazdin, wo Weltmeister Deutschland bis gestern die Vorrunde der 21. Weltmeisterschaft bestritt, das jährliche ADU-Budget betrage 45 000 Franken. "Und wenn sie mehr brauchen, müssen sie es mir sagen."

Für Hans Holdhaus sind die Statements Moustafas schlicht die Unwahrheit. "Da wird gelogen ohne Ende", sagt das österreichische Mitglied der medizinischen Kommission, der die ADU aufgebaut hatte. Was Moustafa in dieser Sache erkläre, sei "völliger Blödsinn". Die telefonische Aufforderung Moustafas, kurzfristig nach Kroatien zu kommen und die aufgeregte Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz zu beruhigen, lehnte Holdhaus ab. Das bringe nichts, ließ er den Ägypter wissen.

Dokumente, die dieser Zeitung vorliegen, bestätigen den renommierten österreichischen Sportmediziner, und sie bringen Moustafa erneut in Erklärungsnot. Denn laut Protokoll hat die IHF-Exekutivsitzung am Juli 2008 in Bratislava das beantragte Budget der ADU nicht genehmigt. Alle Fragen seien fortan von der Medizinischen Kommission zu verwalten, heißt es darin weiter, was faktisch die Auflösung der von Holdhaus geleiteten Institution bedeutete. "Wir sind immer behindert worden", so fasst es Holdhaus zusammen. Bereits am 21. Mai 2008 hatte Holdhaus den Präsidenten persönlich über Verstöße gegen das eigene Anti-Doping-Reglement hingewiesen. Als IHF-Schatzmeister Miguel Roca für die Beach-Handball-WM in Cadiz (9. - 13. Juli 2008) auf einen IHF-Supervisor für die Dopingkontrollen verzichtete, beschwerte sich Holdhaus darüber, nicht in die Entscheidung involviert gewesen zu sein. Und er warnte Moustafa: "Ich verstehe, dass die Veranstalter Kosten sparen wollen, aber hier geht es um ein äußerst sensibles Thema, welches uns im Bedarfsfall auch international schaden könnte."

Der Präsident lügt also offensichtlich - oder er hat starke Erinnerungslücken. So oder so bringt er den Handball in große Gefahr. Erst vor der WM war bekannt geworden, dass die World-Anti-Doping-Agentur (WADA) dem Verband im November 2008 eine Frist gesetzt hatte, das Manko der fehlenden Trainingskontrollen beheben. Sollte die IHF dem aktuellen WADA-Code nicht entsprechen, könnte das Internationale Olympische Komitee (IOC) im Oktober 2009 in Kopenhagen als letzte Sanktion sogar Handball als olympische Sportart ausschließen.

Die Mannschaftssportarten seien in Verhandlungen mit der WADA, erklärte Moustafa dazu, man könne im Dopingkampf nicht Individualsportler mit Mannschaftsathleten gleichsetzen. "Im März gibt es mit Jacques Rogge und der WADA deswegen einen Termin", berichtet Moustafa. Dass dann die Mannschaftssportarten tatsächlich einen anderen Status erreichen können, glaubt Reiner Witte nicht. "Das ist viel zu spät. Das hätte man viel früher machen müssen. Ich vermute, dass die WADA ihren Code nicht mehr ändern wird", sagt der Präsident der deutschen Handball-Bundesliga (HBL). Das gefährliche Spiel Moustafas wird in der Bundesliga heftig kritisiert. "Die Ignoranz, mit der die IHF diese Anti-Doping-Politik behandelt, ist unglaublich", sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. Wie Moustafa damit umgehe, sei "dilettantisch". Bohmann fordert indirekt den Rücktritt des Ägypters ("Eine neue, unverbrauchte Führung bei der IHF täte gut") und steht damit auf einer Linie mit dem Schweizer IHF-Generalsekretär Peter Mühlematter. Der hatte Moustafa, der in den letzten Jahren wegen diverser Skandale den Handball in Verruf gebracht hatte, in der "FAZ" zur Demission aufgefordert. "Für den Handball ist eine solche Leitung gar nicht gut." Bislang gilt die Wiederwahl des 64-jährigen Ägypters, der seit November 2000 als IHF-Präsident amtiert, beim nächsten Wahlkongress im Juni als sicher. Denn er hat dann ein Heimspiel: Der Kongress findet in Ägypten statt.

(Von Erik Eggers, aus den Kieler Nachrichten vom 23.01.2009)


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