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12.03.2009 Bundesliga

Kieler Nachrichten: Handball-Statuten: Korruption ist nicht vorgesehen

Verbände bieten keine Regeln für den Fall von Bestechungen und Manipulation

Aus den Kieler Nachrichten vom 12.03.2009:

Berlin - Der organisierte Sport hat kaum Mechanismen gegen Korruption und Manipulation entwickelt. Verbände handeln zögerlich, wenn überhaupt. Im Zweifel kontrolliert man sich selbst, sehr schön an der Handball-Bundesliga-Vereinigung (HBL) zu beobachten: Uwe Schwenker, Geschäftsführer des THW Kiel und neben Ex-Trainer Noka Serdarusic Hauptverdächtiger in der vermeintlichen Bestechungs-Affäre, fungiert gleichzeitig als Vizepräsident der HBL, jenem Gremium also, dass ihn vor einer Woche in einer Pressemitteilung entlastet hat.
Im obersten Regelwerk des olympischen Sports, das auch für den Handball gilt, taucht die Vokabel Korruption nicht auf: Die Olympische Charta, Grundgesetz des IOC und aller 35 olympischen Verbände, führt das K-Wort nicht! Dabei hat nicht nur der Handball-Weltverband (IHF) ein kolossales Manipulationsproblem, wie in zuletzt eindrucksvoll am Beispiel der verschobenen asiatischen Olympiaqualifikation für Peking und den Machenschaften des ägyptischen IHF-Präsidenten Hassan Moustafa bewiesen.

Wer die Statuten der Handballverbände aus Deutschland (DHB), Europa (EHF) sowie von HBL und IHF studiert, erfährt kaum etwas darüber, wie bei Schiedsrichterbestechung verfahren werden soll. Ein verbandsrechtliches Desaster. So stellt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann erstaunt fest: "In unseren Statuten steht nirgends drin, wie wir uns verhalten bei Bestechungen im Europapokal." Nicht im Europapokal, nicht in der Bundesliga - es gibt keine entsprechenden Regeln. Auch nicht in den IHF-Statuten.

Der Europaverband EHF sieht bislang ebenfalls keine Basis für Ermittlungen. Im so genannten "Rechtspflegereglement" der EHF heißt es unter Punkt 7, ein Verfahren könne "auch mittels medialer, digitaler oder elektronischer Aufzeichnungen nach Vorabprüfung der Sachlage" durch das EHF-Schiedstribunal eingeleitet werden. Nach Punkt 19 des Rechtspflegereglements tritt nach zwei Jahren die Verjährung ein, also im Mai 2009 für etwaige Bestechungen im Champions-League-Finale 2007 zwischen dem THW und der SG Flensburg-Handewitt.

Rechtswissenschaftler und Korruptionsexperten wie etwa Britta Bannenberg (Universität Gießen), Präsidentin der Kriminologischen Gesellschaft, kritisieren seit langem unzureichende Definitionen in Sport-Regelwerken und im Strafrecht. Sportverbände erfreuen sich am Prinzip der partiellen Rechtlosigkeit. Zwar operieren sie wie Konzerne, setzen teilweise Milliardensummen um, sind aber von keiner internationalen Anti-Korruptions-Konventionen erfasst, nicht von den Abkommen der Europäischen Union, der OECD, des Europarats oder der Vereinten Nationen. Zudem genießen sie, wie das IOC und der Handballverband IHF, in der Schweiz den Rechtsstatus von Vereinen und werden nicht vom Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) erfasst. Als vor einem Jahr im Prozess gegen den ehemaligen Sportvermarkter ISL/ISMM Schmiergeldzahlungen in Höhe von 138 Millionen Franken (allein zwischen 1989 und 2001) an höchste Sportfunktionäre dokumentiert wurden, hatte das keine Folgen, weil Bestechung von Privaten, als solche gelten Sportfunktionäre, nicht strafbar war.

(Von Jens Weinreich, aus den Kieler Nachrichten vom 12.03.2009)


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