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13.02.2011 Mannschaft

ZEBRA-Interview mit Filip Jicha: "Wir werden uns nicht verstecken!"

Filip Jicha, Welthandballer des Jahres 2010.
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Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:

Die WM in Schweden verfolgte der tschechische Nationalspieler Filip Jicha nur am Bildschirm. Seine Mannschaft hatte sich nicht für das Turnier qualifiziert. Und trotzdem war der Kieler Rückraum-Star einer der ganz besonderen Gäste am Finalwochenende in Malmö. Der Grund war so einfach wie herausragend: Filip Jicha wurde die Auszeichnung zum "Welthandballer des Jahres" verliehen.
ZEBRA sprach mit dem 28-Jährigen über die Ehrung, die Chancen und Ziele des THW in der Rückrunde sowie seine persönliche Zukunft.

ZEBRA:
Filip, du warst mit deiner Nationalmannchaft nicht in Schweden dabei. Überwog der Ärger, sich nicht qualifiziert zu haben, oder der Genuss einer Pause?
Filip Jicha:
Ich habe die Pause gebraucht. In den vergangenen zwei Jahren habe ich alles mitgemacht, was es im Handball zu spielen gab. Der Dezember war sehr anstrengend für alle, die fit waren. Die mentale und die körperliche Belastung war sehr hoch. Wenn dir dann der Kopf sagt, es gibt keine Alternative zu deinem Einsatz, dann ist das sehr hart.
ZEBRA:
Du warst mit deiner Frau und deiner Tochter eine Woche in Katar, wo du auch schon gespielt hast. Was habt ihr dort erlebt?
Filip Jicha:
Vor allem hat die Wärme ihren Zweck erfüllt. Ich konnte dort im T- Shirt herumlaufen und Sonne tanken, während hier der Schnee lag. Meine Frau war noch nie in Katar, ich habe ihr die Orte zeigen können, wo ich vor acht Jahren bei meinem Gastspiel die Zeit verbracht habe. So haben wir zum Beispiel in dem Restaurant gegessen, in dem ich mich damals hauptsächlich ernährt habe (lacht). Aber auch ansonsten haben wir die Momente genossen. Wir waren bummeln, sind in die Wüste gefahren und hatten viel Zeit, um mit unserer Tochter zu spielen und zu baden.
ZEBRA:
Fühlst du dich jetzt wieder fit für die kommenden Aufgaben?
Filip Jicha:
Die 14 Tage ohne Handball und Training am Jahresbeginn haben sehr gut getan. Eine Woche wäre zu kurz gewesen, das spürt man gar nicht. So aber hat mein Körper mir in der zweiten Woche Urlaub Signale gesendet, dass ich wieder Training und Bewegung brauche. Das ist für mich das Zeichen, dass ich mich erholt und wieder unbändige Lust auf meinen Sport habe. Jetzt freue ich mich wieder auf den Spielstress.
ZEBRA:
Hast du die WM in Schweden trotzdem verfolgt?
Filip Jicha:
Natürlich. Ich habe beinahe jedes Spiel gesehen, wenn ich Zeit zum Fernsehen hatte. Dass wir nicht dabei waren, hat mich traurig gestimmt. Aber ich habe es als Tatsache akzeptiert. Das ist Vergangenheit, und als Sportler sollte man immer in die Zukunft schauen.
ZEBRA:
Wie hast du das Niveau der Spiele empfunden?
Filip Jicha:
In der Vorrunde haben alle Mannschaften versucht, Gas zu geben. Es gab dann viele enge Spiele mit wenigen Toren. Das Spiel zwischen Dänemark und Kroatien war beispielsweise ein super Handballspiel. Das, was beide Mannschaften in dieser Partie geleistet haben, war Werbung für unseren Sport.
ZEBRA:
Wie verfolgst Du die Spiele? Achtest Du besonders auf deine Mannschaftskameraden?
Filip Jicha:
Ich sitze nicht mit einer Fahne vor dem Fernseher und drücke irgendeiner Mannschaft die Daumen. Natürlich freue ich mich, wenn zum Beispiel Mini, Sprengi, Titi oder Aron eine gute Leistung zeigen. Ich schaue mir die Spiele aber nicht so genau an wie beim Videostudium vor einem eigenen Spiel. Mich stören zudem manche Kommentatoren-Sprüche.
ZEBRA:
Aber nicht nur die Medien waren im vergangenen Jahr voll des Lobes für deine Leistungen. Nun wurdest du zum "Welthandballer des Jahres" gewählt .
Filip Jicha:
Natürlich ist diese Wahl etwas Besonderes und eine große Ehre. Wenn ich irgendwann nach meiner Karriere auf dem Sofa sitze und auf die Urkunden, Medaillen und Pokale schaue, werde ich bestimmt eine Gänsehaut bekommen. Jetzt empfinde ich die Ehrung als schön, mache mir aber nicht viel daraus. Die Wahl zum Welthandballer hilft mir im März oder April wenig. Kein Gegner wird mir Platz machen, nur weil ich diese Wahl gewonnen habe. Ich muss weiterhin meine Leistung abliefern.
ZEBRA:
Erzeugt solch eine Ehre zusätzlichen Druck?
Filip Jicha:
Natürlich spüre ich durch die Auszeichnung eine große Verantwortung, diese gegenüber den Fans und meinen Mannschaftskameraden zu rechtfertigen. Ich lasse mich dadurch aber nicht verrückt machen, ich ziehe meine Linie durch und will Erfolge mit meiner Mannschaft feiern. Dafür lebe ich als Sportler. Und deshalb schaue ich immer voraus und nie zurück. Große Sportler haben immer wieder bewiesen, dass sie unbedingt siegen wollen - egal, welche Erfolge sie schon gefeiert haben. Titi ist das beste Beispiel: Er ist so ehrgeizig, dass er immer gewinnen will. Und wenn man ihn beispielsweie im Fußball schlägt, ist er richtig sauer. Das macht ihn aus, er guckt nicht darauf, was er bereits gewonnen hat, sondern immer darauf, was er als nächstes gewinnen kann.
ZEBRA:
Was hat sich die Mannschaft für die Rückrunde vorgenommen?
Filip Jicha:
Die Ziele für dieses Jahr sind ganz klar, auch wenn ich jetzt nicht von Titeln reden werde. Unsere Leistung im Dezember hat unsere Möglichkeiten eingeschränkt. Wir hatten immer wieder geahnt, dass uns irgendwann mal solch ein Monat blühen wird. Als er dann da war, war die Realität härter als unsere Vorstellungskraft. Aber wir werden uns nicht verstecken. Wir wissen: Wenn wir im Sommer auf dem Rathausplatz etwas mit unseren Fans zu feiern haben wollen, dürfen wir kein Spiel mehr verlieren und möglichst auch keinen einzigen Punkt mehr abgeben.
ZEBRA:
Ist das ein realistisches Ziel?
Filip Jicha:
Das ist eine sehr, sehr große Hürde und eine wahnsinnige Aufgabe. Unser Vorteil ist aber, dass wir eine komplette Rückrunde Zeit haben, um die Aufholjagd zu gestalten. Und dann schauen wir, ob es gereicht hat. Wir werden aber bis zum letzten Moment und bis zur letzten Minute um jeden Zentimeter des Spielfeldes kämpfen und uns keinen Kopf über Niederlagen machen.
ZEBRA:
In der Champions League ist der THW weiter auf Kurs, oder?
Filip Jicha:
Wir haben sehr gut gespielt, leider fehlte uns in einigen Spielen für einige Minuten der Druck im Angriff. So kamen die Niederlage in Barcelona und der Punktverlust bei den Löwen zustande. Aber wir sind noch erster in unserer Gruppe, und es ist unser Anspruch, auch erster zu bleiben. Dann kommt die K.O.-Runde, in der die Tagesform und ein bisschen Losglück entscheiden. Aber zuerst wollen wir den Gruppensieg, dann lassen wir uns überaschen.
ZEBRA:
Im DHB-Pokal warten wieder die Füchse Berlin .
Filip Jicha:
Wenn man schon einmal in Deutschland das Pokal-Final-Four in Hamburg gespielt hat, dann will man dort immer wieder mitspielen. Im vergangenen Jahr haben wir unsere vielleicht heftigste Niederlage im Pokal in Gummersbach erlebt. Da hatten wir keine Chance mehr, das schnell zu reparieren. Man muss dann ein Jahr warten. Jetzt bei den Füchsen in Berlin um das Final-Four-Ticket kämpfen zu dürfen, ist eine reizvolle Aufgabe. Die Füchse haben schon mehrfach gezeigt, dass sie zu Hause nicht einfach zu schlagen sind. Wir waren die ersten von den Topclubs, die mit einer Niederlage aus Berlin nach Hause fahren mussten. Im März wollen und werden wir so einen Abend nicht noch einmal erleben.
ZEBRA:
Wie planst du deine Zukunft?
Filip Jicha:
Erfolge sind super, dafür spielt man. Aber letztlich muss einem vor allem der Sport jeden Tag wieder begeistern, es muss Spaß machen, sich zu quälen. Und diesen Spaß habe ich trotz aller Belastungen nie verloren. Ich will mich weiter entwicklen und verbessern. Im Handball bist du nie ein fertiger Spieler, auch mit 35 Jahren kann man immer wieder etwas Neues lernen. Wenn ich nach einem Spiel im Auto auf dem Weg nach Hause sitze und das Gefühl habe, meine bestmögliche Leistung für den Erfolg der Mannschaft gebracht zu haben, ist das Ansporn für die weitere Arbeit. Dieses Gefühl ist lebenswichtig, sollte es irgendwann einmal nicht mehr da sein, müsste ich aufhören, Handball zu spielen. Ich habe ein wenig Angst vor diesem Moment, deshalb hoffe ich, diese Entscheidung noch viele Jahre nach hinten schieben zu können.
ZEBRA:
In Kiel hätte man sicherlich nichts dagegen, wenn du so lange hier bleiben würdest .
Filip Jicha:
Mein Vertrag läuft ja noch bis 2014. Natürlich bekomme ich immer wieder mal Anfragen, ob ich in Kiel noch zufrieden bin. Dann antworte ich: Wir sind als Familie sehr zufrieden hier. Es würde nicht funktionieren, wenn nur ich mit meinem sportlichen Leben hier glücklich wäre. Auch meine Frau und meine Tochter müssen sich wohl und hier zu Hause fühlen. Und das tun wir, wir haben auch außerhalb der "Handballfamilie" viele Freunde gewonnen. So kann es weiter gehen.

(Das Gespräch führte Christian Robohm, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)


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