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25.06.2011 Verein

Kieler Nachrichten: "Der THW muss ein Verein zum Anfassen bleiben"

Klaus Elwardt, der neue Manager, ist ein Mann, der Klartext spricht

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.06.2011:

Kiel. Wie sieht das Leben eines Mannes aus, der eine Zimmerei in Bordesholm besitzt und über Nacht Manager des Handball-Rekordmeisters THW Kiel wurde? Ungefähr so: "Wie viele Stufen soll sie haben?" Klaus Elwardt verkauft zügig eine Treppe, trägt den Preis in sein schwarzes Büchlein ein und ist bereit für das nächste Telefonat. Eines, das er mit seinem Vorgänger führt.
Vor einer Woche war Uli Derad zurückgetreten, ein "Burn-Out-Syndrom" hatte es ihm unmöglich gemacht, sein Amt weiter auszuüben. Derad, der morgen seinen 46. Geburtstag feiert, hatte den Aufsichtsrat des THW Kiel um eine sofortige Auflösung seines bis Juni 2012 datierten Vertrages gebeten. Das fünfköpfige Gremium fand in seinen Reihen mit Elwardt einen Nachfolger. Der 55-Jährige hat bereits am Montag mit Sabine Holdorf-Schust die Geschäftsführung des Vizemeisters übernommen. "Diese Aufgabe erfüllt mich mit Stolz", sagt Elwardt, der zwischen 1975 und 1984 im rechten Rückraum des THW 366 Tore warf. "Der THW ist eine Familie, die lässt einen nicht mehr los."

Über seinen Vorgänger findet er nur gute Worte. Auch jetzt würde Derad ihm zur Seite stehen. "Er ruft immer wieder an, gibt mir Tipps", sagt Elwardt, der Derad in den vergangenen beiden Jahren oft begleitet hat. "Er ist für mich ein Freund geworden. Es gibt nicht viele, die mich so offen und ehrlich an ihrer Arbeit hätten teilhaben lassen." Davon würde er nun enorm profitieren.

Für Elwardt schließt sich in diesen Tagen ein Kreis. Als 16-Jähriger kam der Bordesholmer zum THW. Ein Ausländer zu damaligen Zeiten, schließlich waren die meisten "Zebras" waschechte Kieler. Seine erste Saison verlebte er auf der Ersatzbank, eine Sporttasche bekam er nur, weil Barnie Nielsen ihm seine alte schenkte. Ein Titel blieb ihm, der bereits als 28-Jähriger den Familienbetrieb übernehmen musste, verwehrt. Das holte er als Aufsichtsrat nach. "Eigentlich wollte ich schon zurücktreten", sagt Elwardt und lacht. "Schließlich hatte ich jetzt ja alles gewonnen." Meister, Pokalsieger, die Champions League - Elwardt war zufrieden, Manager des THW zu werden, war nicht sein Ziel.

Nun ist er es. "Der THW muss ein Verein zum Anfassen bleiben", sagt Elwardt, ein kumpeliger Typ, der einem direkt in die Augen blickt und dabei klare Dinge sagt. So ist er der erste Angestellte des THW, der ein "Kreisläufer-Problem" benennt. Milutin Dragicevic, im vergangenen Sommer aus Silkeborg gekommen, hat sich längst als Fehleinkauf entpuppt. Aber offen angesprochen hat es keiner. Elwardt dagegen redet nicht lange um den heißen Brei herum. "Wir sind mit seiner sportlichen Entwicklung nicht zufrieden und suchen einen neuen Verein für ihn." Aktiv, wie er betont. "Wir verlassen uns nicht länger darauf, dass ein Berater das für uns übernimmt." Der Serbe, der noch bis Juni 2014 beim THW unter Vertrag steht, hat offenbar aus religiösen Gründen seine Ernährung radikal umgestellt, mehr als zehn Kilogramm abgenommen und ist nur noch ein Schatten jenes Modell-Athleten, der einmal Dänemarks Handballer des Jahres war und als "Herkules" geadelt wurde.

Ersatz ist mit Patrick Wiencek (VfL Gummersbach) und Rene Toft-Hansen (AG Kopenhagen) längst gefunden. Doch beide haben laufende Verträge und stehen erst ab Sommer 2012 zur Verfügung. Eigentlich. "Einer soll schon in der kommenden Saison für uns spielen", sagt Elwardt, der offenbar den wohl deutlich günstigeren Transfer von Wiencek bevorzugen würde und eine schnelle Entscheidung anstrebt. "Die Erfolgschancen stehen bei 50 zu 50."

Dem THW fehlt ein Kreisläufer und nun auch ein Pressesprecher. Frank Schischefsky (43), seit Oktober für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, wollte sich zu den Gründen seines Rücktritts nicht äußern, betonte aber, dass es keinen Zusammenhang mit dem von Derad geben würde. "Das hat mich sehr überrascht, und erklären kann ich es mir auch nicht", sagt Elwardt, der dennoch gelassen auf die Baustellen des Rekordmeisters blickt. "Wer wie ich in der Zimmerei arbeitet, fährt im Sommer sowieso nicht in den Urlaub. Ich habe also viel Zeit für den THW."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 25.06.2011)


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