THW-Logo
12.02.2012 Interview

ZEBRA-Interview mit Alfred Gislason: "Es geht immer besser"

Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:

Alfred Gislason.
Klicken Sie für weitere Infos! Alfred Gislason.

Im zweiten Teil des ZEBRA-Interviews mit Alfred Gislason spricht der Erfolgstrainer über die Chancen des THW in der Bundesliga, die Entwicklung seiner Spieler und das so genannte Sieger-Gen.
Den ersten Teil des Interviews finden Sie hier.
ZEBRA:
Alfred, zuletzt reagierten Sie etwas unwirsch, wenn man Sie auf den Startrekord ansprach. Haben Sie die 36:0 Punkte des THW Kiel inzwischen "verdaut"?
Alfred Gislason:
Ich hätte nicht geglaubt, dass überhaupt eine Mannschaft in der Lage wäre, den Lemgoer Rekord zu brechen. Aber das Rekord-Gerede stört mich, es lenkt vom Wesentlichen ab. Denn wichtiger als der Startrekord ist, dass wir weiter so spielen.
ZEBRA:
Wie kann man die Spieler bei diesem Vorsprung bei Laune halten?
Alfred Gislason:
Das muss ich gar nicht. Keiner meiner Spieler denkt über den Vorsprung nach, niemand glaubt, er könne sich darauf ausruhen.
ZEBRA:
Hat der THW also noch Luft nach oben?
Alfred Gislason:
Es geht immer besser. Und man wird immer auf einen Gegner treffen, der ebenfalls sehr gut ist. Wir spielen auswärts besser, weil in der Sparkassen-Arena die Gegner das Spiel langsam machen, und kein Mensch mehr das Zeitspiel pfeift. Göppingen konnte bei uns eine Unterzahl ausspielen, ohne jemals ernsthaft angegriffen zu haben. Die Schiris hatten anderthalb Minuten den Arm oben und pfiffen nicht ab. Auswärts wollen die Mannschaften ihren Handball spielen. Das kommt uns entgegen.
ZEBRA:
Wer kann dem THW in der Bundesliga eigentlich noch gefährlich werden?
Alfred Gislason:
Berlin ist sehr gut im Rennen. Aber die Füchse haben sehr viele schwere Auswärtsspiele vor sich. Der HSV wird nicht mehr viele Punkte liegen lassen. Der HSV hatte Probleme mit Verletzungen, das hat sie aus dem Rhythmus gebracht. Flensburg hat die schwierigsten Auswärtshürden hinter sich und hat alle Möglichkeiten, auf Platz zwei zu kommen. Und wir müssen aufpassen, dass wir unseren Job machen und nicht irgendwo Punkte abgeben, wo man keine verlieren sollte.
ZEBRA:
Ist die Meisterschaft nicht längst entschieden?
Alfred Gislason:
Nein. Wir haben gute Chancen auf den Titel. Mehr aber auch nicht. Die nächsten Wochen werden schwierig. Mein erstes Ziel ist es, Hüttenberg zu schlagen. Schwer wird es auch im Pokal. Wir spielen am Sonntagnachmittag in Kopenhagen und müssen am Dienstag schon in Hannover antreten. Dadurch haben die Jungs nicht die Erholung, die sie brauchen. Das ist nicht ideal, denn beides sind sehr wichtige Spiele, in denen es um viel geht.
ZEBRA:
Ist der THW Kiel in dieser Saison die beste Mannschaft, die sie je trainiert haben?
Alfred Gislason:
Ich glaube, das könnte man so sagen. Obwohl ein Vergleich schwer ist. Im ersten Jahr in Kiel hatte ich auch eine sehr gute und eingespielte Mannschaft mit einem herausragendem Charakter wie Stefan Lövgren, der mit seiner Spielintelligenz nicht zu übertreffen ist. Das Traurige am Sport ist, dass solche Menschen nicht ewig spielen können. Jetzt sind andere in den Hauptrollen. Wir versuchen, jedes Jahr besser zu werden, uns weiter zu entwickeln und taktische Varianten zu perfektionieren. Ein Trainer hat unlängst gesagt, wir würden hauptsächlich mit acht Spielzügen agieren. Das stimmt vielleicht. Aber wir haben zu jedem dieser Spielzüge vielleicht bis zu zehn Varianten. Damit sieht unser Spiel komplett anders aus.
ZEBRA:
Sind Sie stolz auf bisher Geleistete?
Alfred Gislason:
Ja. Die Jungs haben einen sehr guten Job gemacht. Aber es ist kein Zufall, dass wir jedes enge Spiel in den letzten zehn Minuten gewonnen haben. Dafür wurde im Vorfeld hart gearbeitet.
ZEBRA:
Wer hat Ihrer Meinung nach den größten Sprung gemacht?
Alfred Gislason:
Das ist schwer zu sagen. Zeitzi hat seine Form der letzten Saison bestätigt. Kim ist ein anderer Spielertyp und bringt andere Varianten rein. Die beiden ergänzen sich wirklich super. Auch Daniel Narcisse kann uns sehr viel bringen. Allein, dass diese beiden wieder da sind, macht uns sehr viel schwerer auszurechnen. Andreas Palicka hat einen Sprung nach vorn gemacht. Er ist stabiler geworden und hat uns in wichtigen Spielen geholfen.
ZEBRA:
Und Momir Ilic?
Alfred Gislason:
Momir hat beinahe durchtrainiert, er kam in Topform aus der Sommerpause und kam so super in die Saison. Anders als Filip, der in der Vorbereitung lange gefehlt hat und sich deshalb schwer tat, seine Form zu erreichen.
ZEBRA:
Was ist mit Aron Palmarsson? Kümmern Sie sich als Isländer besonders um ihn?
Alfred Gislason:
Das Verhältnis zu Aron ist genauso intensiv wie zu jedem anderen meiner Spieler. Natürlich habe ich bei der EM genau beobachtet, welche Leistung Aron für Island gebracht hat. Und natürlich möchte ich ihn als Isländer nach vorn bringen, dafür werde ich ihn allerdings nicht schonen - eher das Gegenteil ist der Fall.
ZEBRA:
Und was hat es mit dem Kieler "Sieger-Gen" auf sich?
Alfred Gislason:
Das ist Quatsch, das gibt es nicht. Meine Spieler können den vielfach zitierten "besonderen Geist" nur haben, wenn sie sich gut vorbereitet haben und dann auch noch gut spielen. Und wenn das Früchte trägt, dann spornt das weiter an. Das ist nicht angeboren, und man bekommt diesen "Geist" auch nicht, indem man das THW-Trikot überzieht. Jeder Spieler kann sich bis zum Karrierende weiterentwickeln. Jeder Trainer auch. Jeder, der glaubt, er weiß und kann schon alles, ist auf dem Weg raus aus dem Handball-Geschäft. Das weiß auch ein erfahrener Mann wie Marcus Ahlm. Marcus konnte vor zwei Jahren nicht richtig in einer 3-2-1-Formation decken, Filip konnte vor einem Jahr auch noch nicht am Kreis spielen. Es geht beim Handball um den Willen und die Bereitschaft, etwas dazu zu lernen.
ZEBRA:
Im Sommer verlassen einige Spieler den Verein. Ist das so, als ob man ein Familienmitglied gehen lassen muss?
Alfred Gislason:
Ein Verein wie der THW Kiel ist kein Briefmarkensammelverein. Der THW Kiel kann nicht alle Spieler auf ewig hier behalten. Und trotz der Veränderungen steht der THW immer noch oben. Das macht auch die Spieler, die nicht mehr das schwarz-weiße Trikot tragen, stolz, dabei gewesen zu sein. Wir sind nicht der FC Barcelona, wo die Fußballer den Handball mitfinanzieren. Oder Atletico Madrid, wo ein Milliardär alles bezahlt. Oder Hamburg oder Kopenhagen. Wir haben gewisse finanzielle Möglichkeiten, die sicherlich nicht schlecht sind. Aber wir müssen daraus das Bestmögliche für den Verein machen. Das ist unsere Pflicht.
(aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)


(12.02.2012) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite