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Interview mit Mike Bezdicek:

[Bild: Mike Bezdicek] Er saß gerade mit seinen alten Mannschaftskameraden beim Essen, als Uwe Schwenker ihn am Abend des 26. Oktober in Minden anrief. Auf dieses Telefongespräch war der deutsche Nationalspieler allerdings schon vorbereit, denn gegen 14.30 Uhr hatte Bezdicek bereits in der GWD-Geschäftsstelle Manager Horst Bredemeier gegenüber gesessen. Gemeinsam mit Aaron Zierke hatte man ihn am frühen Nachmittag über die finanziellen Engpässe bei den Ostwestfalen informiert und nun zu dritt über die notwendige Abgabe eines Spielers diskutiert.

Es folgten eine lange Nacht und intensive Unteredungen mit seinen Beratern und den Eltern. Und am nächsten Tag folgte der schnelle Aufbruch in den Norden der Republik. Nur mit dem Nötigsten ausgestattet traf der 32-jährige Bezdicek am Freitag, den 27. Oktober in Kiel ein, am späten Nachmittag trainierte er erstmals zusammen mit seinen neuen Kameraden in der Bundeswehr-Sporthalle in Holtenau, und wiederum nur einen Tag danach stand er im Nordderby in Flensburg erstmals für seinen neuen Arbeitgeber auf dem Parkett.

ZEBRA-Redakteur Sascha Klahn von der Agentur "living sports" traf Mike Bezdicek gut eine Woche später zum Interview und sprach mit ihm über seine ersten Eindrücke und die neuen Ziele.

Zebra:
Du hattest nicht viel Zeit, um Deine Entscheidung zwischen Kiel und Minden zu treffen. Warum hast Du Dich für den THW Kiel entschieden?
Mike Bezdicek:
Kiel ist nunmal Kiel. Der THW ist der Krösus der Bundesliga und dominierte die letzten Jahre über den deutschen Handball, ist folglich das Aushängeschild. Soetwas kommt nicht von ungefähr. Hier wurde konsequente Aufbauarbeit im Umfeld betrieben, da steckt etwas dahinter.
Zebra:
Nach Deinem ersten THW-Spiel gegen Flensburg bist Du gleich weiter nach Schwartau gefahren, um noch einmal mit Deiner alten Mannschaft über Deinen Wechsel zu sprechen. Was hast Du ihr erzählt?
Mike Bezdicek:
Ich wollte sie noch einmal unterstützen und mit den einzelnen Spielern direkt sprechen. Ich wollte zeigen, daß ich im erweiterten Sinne nach wie vor zur Mannschaft gehöre. Als ich mit in die Kabine kam, äußerte sich Kapitän Jörg-Uwe Lütt: "Schön, daß Du da bist." Das hat mir gezeigt, daß ich nach wie vor dazu gehöre. Und wenn ich die Zeit dazu habe, würde ich soetwas gern wieder tun. Im Übrigen ist es ja so, daß ich nur acht Monate hier in Kiel bin und danach wieder für drei Jahre einen Vertrag in Minden habe.
Zebra:
Wie bist Du von Deiner neuen Mannschaft hier in Kiel aufgenommen worden?
Mike Bezdicek:
Ich habe die Mannschaft am Freitag um 17 Uhr zum ersten Mal beim Training getroffen. Ich war sehr überrascht, wie positiv ich aufgenommen wurde. Ich kenne alle schon ziemlich lange. Perunicic hat sich gefreut, Morten hat den Mund nicht mehr zu gekriegt, Axel Geerken hat gelacht. Für einige war es eine echte Überraschung, denn ich glaube, nur die Schweden haben es schon vorher gewußt.
Zebra:
Welchen Eindruck hast Du in dieser kurzen Zeit von Deinen neuen Kollegen gewonnen?
Mike Bezdicek:
Ich habe einen sehr guten Eindruck. Es gibt einen Unterschied zu anderen Mannschaften, und der fängt schon im Training an. In anderen Teams spielen fünf, sechs oder sieben, acht Profis - je nach den finanziellen Möglichkeiten des Klubs. Der Rest der Mannschaft wird dann mit Jugendlichen oder Spielern aus unterklassigen Vereinen aufgefüllt. Hier in Kiel gibt es auf allen Positionen Topspieler. Das merkt man im Ablauf, und das spiegelt sich auf dem Spielfeld wieder. Man hat Trainingserfolge, Spaß und bekommt so Selbstbewusstsein und innere Ruhe.

Jeder unterstützt mich und hilft mir, weil ich der Mannschaft helfen kann. Der Respekt und die Achtung voreinander sind da, das ist wichtig.

Zebra:
Du hast auf Deiner Position starke Konkurrenz innerhalb der eigenen Mannschaft. Hast Du die Befürchtung, neben einem zuletzt großartig spielenden Magnus Wislander ein wenig zurück stecken zu müssen?
Mike Bezdicek:
In der Abwehr stehen wir beide nebeneinander. Aber im Angriff habe ich seit meiner Schulterverletzung in Lemgo zwei Jahre lang fast gar nicht gespielt. Das ist momentan noch etwas schwierig, da mir etwas Vertrauen fehlt.

Für mich ist aber eines klar: meine Verpflichtung ist es, Wislander am Kreis zu entlasten. Ich versuche, mich reinzuknien und an meine alten Leistungen anzuknüpfen. Dabei ist es für mich nicht wichtig, daß ich möglichst viele Tore erziele. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, mich hundertprozentig auf meine Aufgaben zu konzentrieren. Nicht meine Tore sind wichtig, sondern daß die Mannschaft gewinnt. Jeder Block ist für mich so, als ob ich ein Tor geworfen hätte.

Zebra:
Wie hast Du Deine Premiere im Zebra-Dress erlebt? War es nicht komisch, innerhalb von drei Tagen zweimal gegen Flensburg spielen zu müssen?
Mike Bezdicek:
Ich war froh, daß das erste Spiel auswärts war. Und eigentlich war es gar nicht so unangenehm, da ich Flensburg quasi noch vor Augen hatte. Allerdings hat in der Fördehalle eine ganz andere Mannschaft gespielt als noch ein paar Tage zuvor in Minden.
Zebra:
Und dann Dein erster Heim-Auftritt in der Ostseehalle. Wie hast Du Dich gefühlt?
Mike Bezdicek:
Beim Aufwärmen wurde ich richtig nervös und ich hatte das Gefühl, alle beobachten mich. Ich habe mich wie ein 20-jähriger gefühlt - und das habe ich lange nicht mehr gehabt. Es war unangenehm, aber gleichzeitig auch sehr schön. Nach dem Aufwärmen bin ich rausgerannt. Ich habe zwar vorher schon 12, 13 Mal in der Ostseehalle gespielt, aber halt immer auf der anderen Seite.

Im Spiel selbst dachte ich schon, daß die Schwartauer kräftiger zupacken würden. Ich habe nicht erwartet, daß es so glatt laufen würde. Aber ich bin froh, dass es so gekommen ist, so war es eine angenehme Heimpremiere. Noka Serdarusic hatte uns sehr gut eingestellt, alles was er gesagt hatte, trat auch so ein.

Es wird sicher auch in der Zukunft noch einige Abstimmungsprobleme geben, aber so lange wir diese kompensieren können, ist das in Ordnung. Man soll meine Verpflichtung nicht überbewerten. Ich soll den Ausfall von Klaus-Dieter Petersen kompensieren, und von der Spielanlage her paßt das auch ganz gut, aber wir müssen die Abstimmung noch verfeinern. Innerhalb der Mannschaft können wir miteinander reden, suchen die Gespräche auf dem Feld, und wir motivieren uns gegenseitig. Es macht Spaß.

Zebra:
Du bist sehr gut mit Klaus-Dieter Petersen befreundet. Nun ist er verletzt, fällt langfristig aus, und Du bist als sein Ersatz gekommen.
Mike Bezdicek:
Ich kannte Pitti schon, als er noch mit Cowboystiefeln durch die Mindener Innenstadt gelaufen ist. Wenn seine Verletzung nicht wäre, wäre ich nicht hier. Ich hoffe, daß er schnell wieder gesund wird. Und vielleicht können wir dann noch mal ein THW-Spiel gemeinsam bestreiten. Für Kiel ist Pitti eigentlich nicht ersetzbar.
Zebra:
Blieb angesichts der schnelle Entscheidung Zeit, sich neue sportliche Ziele zu setzen?
Mike Bezdicek:
Ja, ganz klar. Ich möchte sportlich was erreichen. Ich habe nicht aus Jux und Dollerei gewechselt. Wenn ich die bevorstehenden Belastungen in den nächsten Wochen und Monaten mit denen in Minden vergleiche, müsste ich eigentlich ja dumm sein, nach Kiel zu wechseln. Aber mit Kiel spiele ich in der Champions League und um die Meisterschaft. Dies ist ein Schritt, denn ich in spätestens vier bis fünf Jahren bereut hätte, wenn ich ihn nicht getan hätte. Und was habe ich schon zu verlieren? Ich hatte nicht lange Zeit zu überlegen, aber nun sind wir eine Woche weiter und ich habe diesen Schritt noch nicht bereut.
Zebra:
Welche besondere Bedeutung hat es für Dich, noch einmal in der Champions League zu spielen?
Mike Bezdicek:
Das hat eine große Bedeutung für mich. Mit dem TBV Lemgo bin ich 1997 im Halbfinale gegen den FC Barcelona gescheitert. Von 120 Minuten waren wir über 90 Minuten die bessere Mannschaft, Barca hat aber cleverer gespielt. Nach 40 Minuten stand es in Spanien noch 14:14, am Ende haben wir mit neun Toren verloren. Im Rückspiel haben wir zuhause versucht, das Unmögliche möglich zu machen und zweimal sogar mit sechs Toren geführt, letztlich aber nur mit zweien gewonnen.

Ich habe erst ein einziges Jahr Champions League gespielt. Aber Kiel hat als einzige deutsche Mannschaft das Zeug, diesen Pokal zu gewinnen.

Zebra:
Welche Erwartungen hast Du an Deine Zeit in Kiel?
Mike Bezdicek:
Ich hoffe, daß wir guten Handball spielen werden. Ich wünsche mir vor allem, die gesundheitlichen Belastungen wegstecken zu können. Und dann möchte ich mit dem THW Kiel an alte Erfolge anknüpfen.
Zebra:
Mike, danke für das Gespräch. Wir wünschen Dir alles Gute für die kommenden Monate hier in Kiel.
(19.11.00)
Interview: Sascha Klahn (living sports), entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".

Mehr Infos über Mike Bezdicek unter Spielerporträt Mike Bezdicek.