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15.01.2008 EM 2008

Kieler Nachrichten: Wehe, Nordmänner haben Erfolg...

Die EM-Gastgeber hoffen, dass die "Hägars" es den "Helgas" gleichtun

Aus den Kieler Nachrichten vom 15.01.2008:

Oslo - Nur noch zwei Tage bis zum Anpfiff der Europameisterschaft, und noch immer herrscht keine Handball-Euphorie im hohen Norden: Nur in den traditionellen Hochburgen wie Drammen oder Trondheim fiebern die Einheimischen dem Großereignis entgegen, doch ansonsten herrscht Ruhe im lang gestreckten Land. Noch vor einer Woche waren längst nicht alle Karten für die Hauptrunde verkauft, obwohl Norwegen diese vermutlich erreichen wird. Desinteresse? Nur scheinbar. Denn in Wirklichkeit ist das typisch "norsk": Dort, wo man sich des Erfolges nicht sicher ist, stapelt man lieber tief.
Aber wehe, norwegische Sportler schaffen Sensationen: Dann läuft die Nation Amok. Setzt sich also das Team von Trainer "GP" Gunnar Pettersen in Gruppe B in Drammen gegen Dänemark, Russland und Montenegro durch und danach auch noch bei der Hauptrunde in Stavanger, dann ist bei den Finalspielen nicht nur in Lillehammer die Hölle los, dann tobt das ganze Land. Und was die Gegner wissen müssen: Wenn Norweger gewinnen, dann siegen sie nicht einfach nur - glaubt man den hiesigen Medien, dann "verprügeln", "demütigen", "züchtigen", "zerbrechen", ja: "zerstören" sie ihre Gegner. Man spürt eben noch das Erbe der wilden Wikinger.

In der Gunst der Nordleute rangiert der Fußball an Nummer eins. Dummerweise haben sie da meist nicht allzu viel zu lachen, auch die jüngste EM-Qualifikation ging mal wieder in die Hose, und die Nation litt still und leise. Danach folgt in der Popularitäts-Hitliste der nordische Skisport, und dort sind die Norweger gottlob stets mit an der Weltspitze. Doch dann kommt schon der Handball - allerdings wegen der Frauen. Die "Helgas" haben im letzten Jahrzehnt drei EM- und einen WM-Titel eingefahren, wurden dreimal Vizeweltmeister. Nur bei Olympia, da reichte es noch nie zu Gold, aber mit Silber und Bronze hat sich das vermeintlich schwache Geschlecht auch dort schon behängen lassen.

Und die "Hägars"? Platz sieben bei der vorletzten WM in Tunesien steht als bislang beste Platzierung bei großen Turnieren zu Buche, letztes Jahr in Deutschland reichte es nur zu Rang 13. Nun spricht allerdings einiges dafür, dass mehr gehen könnte: Erstens handelt es sich um ein Heimspiel. Zweitens hat die Mannschaft während der Vorbereitung Vizeweltmeister Polen und den WM-Dritten Dänemark klar geschlagen sowie am vergangenen Wochenende Portugal, Ungarn und Island verprügelt und gezüchtigt. Drittens verfügt der 16-köpfige Kader über eine ganze Reihe erfahrener Routiniers - zwölf Spieler waren schon 2005 mit von der Partie. Dazu zählen der Ex-THWer Frode Hagen und der einstige Flensburger Glenn Solberg, die eine starke "deutsche" Fraktion um den Kieler Börge Lund komplettieren (Erevik/Magdeburg, Strand/Füchse Berlin, Myrhol/Nordhorn, Jensen/Flensburg). Und viertens scheint Publikumsliebling Kristian Kjelling nach längerer Verletzung rechtzeitig wieder zu großer Form aufzulaufen.

Wer sich eine rauschende EM-Party erhofft, der drückt den Nordmännern die Daumen. Zumindest bis zum Halbfinale. Welches Potenzial der Handball in den Herzen der Norweger besitzt, zeigen die Einschaltquoten bei den Spielen der Frauen: 1999, beim WM-Sieg in Lillehammer, saßen rund zwei Millionen Zuschauer vor dem Fernseher - von 4,5 Millionen Einwohnern.

(von Matthias Huthmacher, aus den Kieler Nachrichten vom 15.01.2008)


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