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09.02.2008 EM 2008

Kieler Nachrichten-Abpfiff: Hehren Worten sollten Taten folgen

Aus den Kieler Nachrichten vom 09.02.2008:

Das fängt schon in jungen Jahren auf der Schule an. Weil Schüler ihre Interessen durchsetzen wollen, gründen sie eine SV. Sie wählen vertrauensvolle Leute, die dann aufrichtig für die Rechte ihrer Mitschüler kämpfen. Ein gängiges Prinzip, das auch die Handballer nutzen. Am Ende der Kette dieser gewählten Interessen-Vertreter stehen die internationalen Verbände. Aber kämpfen diese wirklich für das Wohl der Handball spielenden Aktiven?
Zweifel sind erlaubt. Zum Beispiel der dicht gedrängte Terminplan, hervorgerufen durch Welt- und Europameisterschaften im Zwei-Jahres-Rhythmus. Die Spitzenvereine stellen ihre besten Kräfte ab, schicken die Stars gesund in die Turniere, bekommen vier Wochen später nach acht Spielen in elf Tagen aber im besten Fall ausgelaugte Leistungsträger für den sofort wieder startenden Punktspielbetrieb zurück. Der Begriff Wettbewerbsverzerrung trifft genau ins Schwarze. Spitzenklubs wie der THW, HSV, TBV Lemgo oder die SG Flensburg, die mehr als ihre halben Kader in Turnier-Knochenmühlen schicken, treffen danach mit ausgelaugten Teams auf ausgeruhte Mannschaften. So platzen Titelträume manchmal im Februar.

Und abgesehen davon, dass die Ansammlung von WM- und EM-Titeln inflationär ist (Wer ist eigentlich aktueller Welt-, Europameister oder Olympiasieger?), schadet sich die Sportart selbst. Handball hat sich kräftig weiterentwickelt. Tempo, Athletik, Akrobatik und Spannung haben den Sport zu einer begehrten Fernseh-Ware aufbereitet, die in Spitzenwerten sogar König Fußball Konkurrenz macht. Doch gerade die vergangene EM hat allen Beteiligten gezeigt, dass der Sport ganz schnell wieder in der Nische verschwinden könnte. "Ich sehe nur müde Krieger und keinerlei taktische Weiterentwicklungen", stöhnte Manager Uwe Schwenker über die Qualität der EM-Spiele. Weil Kraft und Explosivität durch die Vielzahl der Spiele erlahmen, wird auch das Spiel unattraktiv, der Zuschauer langweilt sich. Trainer Noka Serdarusic beklagte einen Rückschritt in den Handball der 70-er Jahre. "Wir schaden uns selbst."

Das sind Erkenntnisse und Aussagen, die stets neu getroffen werden, aber bei den Interessenvertretern nicht ankommen. Es ist eine eigenartige, sich verselbständigende Parallelwelt entstanden. EHF und IHF sollten den Handballern dienen, aber sie sind zu Gegnern geworden, die den Sportlern und Fans den Spaß verderben. Kürzlich hat sich eine Spielergewerkschaft unter Vorsitz des Spaniers Jaume Fort Mauri gegründet. Der Rechtsanwalt spricht eine klare Sprache. "Die Spieler sind die Könige", sagt er. Und: Die Verbände sollten das nicht als Drohung auffassen, "aber es wäre klug, auf die Spieler zu hören."

Fort Mauri verspricht, die großen Probleme mit seinen Mitstreitern angehen zu wollen, "weil verhindert werden muss, dass großartige Athleten wie Nikola Karabatic mit 26 Jahren Invaliden werden." Den hehren Worten sollten Taten folgen.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 09.02.2008)


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