Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Olympiasieger, Weltmeister und Gewinner der Champions League:
Thierry Omeyer ist einer der erfolgreichsten
Handballer aller Zeiten. Im ZEBRA-Interview spricht der Franzose
über die Familie, Staatsempfänge bei Nicolas Sarkozy, Goldmedaillen
und den Charakter eines Torhüters.
Ein typischer Nachmittag im Hause
Omeyer.
Tochter Manon macht fleißig ihre Hausaufgaben, und zeigt ihrem
Vater
Thierry stolz die Ergebnisse
in Mathe. "Papa, cinq moins deux ca fait trois." Fünf minus zwei
macht drei. Zwischen Champions League, Bundesliga und Nationalmannschaft
bleibt dem 32-jährigen Torhüter immer noch genügend
Zeit für die alltäglichen Dinge des Familienlebens - und für ein
ausführliches Interview.
- Zebra:
-
Olympia, WM, Bundesliga - wie motiviert
man sich bei diesem Stress?
- Thierry Omeyer:
-
Mit der Nationalmannschaft und dem THW Kiel kann ich so viel erreichen. Da ist es trotz des vollen Terminplans wirklich einfach, motiviert zu sein und von einem auf den anderen Moment alles zu geben für die jeweilige Mannschaft.
- Zebra:
-
Welcher Erfolg mit Frankreich bedeutet Ihnen mehr?
- Thierry Omeyer:
-
Die olympische Goldmedaille war das größte, was man
als Sportler gewinnen kann. Alle herausragenden
Sportler dieser Welt waren in Peking, und ich
hatte das Gefühl, als ob man noch ein wenig mehr
für sein Land spielt als sonst. Die Welt- und
Europameisterschaften sind schon ein Erlebnis,
seinen Kindheitstraum von den olympischen Spielen
jedoch wahr zu machen, ist unbeschreiblich.
So eine Chance bekommt man nicht oft.
- Zebra:
-
Wo haben die Medaillen bei Ihnen zu Hause ihren Platz gefunden?
- Thierry Omeyer:
-
Bis jetzt haben meine Medaillen keinen besonderen Platz.
Viele Leute fragen mich immer noch, ob ich mal eben meine
Goldmedaille zeigen kann, also liegt sie irgendwo in
einer Schachtel rum. Ich werde vielleicht meine Medaillen
und Auszeichnungen nach meiner sportlichen Karriere
in einer schönen Vitrine oder einem Schrank verstauen.
Zurzeit möchte ich durch die Medaillen aber auch gar
nicht an vergangene Titel erinnert werden. Sie würden
mich ablenken. Womöglich ließen sie mich auf meinen
vergangenen Erfolgen ausruhen. Ich schaue jedoch nur
nach vorn und fokussiere schon den nächsten Titel.
- Zebra:
-
Ihr Frau Laurence war mit in Peking. Wie hat Ihre Familie bei
der WM in Kroatien mitgefiebert?
- Thierry Omeyer:
-
Meine Frau und meine Tochter Manon haben das Finalspiel
mit den Frauen von Bertrand und Guillaume Gille in
Hamburg gesehen. Leider konnten sie das Endspiel
nicht live in Kroatien sehen, da Manon einen Tag
später zur Schule musste. Das geht vor.
- Zebra:
-
Ist Ihre Tochter nicht auch Ihr kritischster Fan?
- Thierry Omeyer:
-
Sie sagt nicht unbedingt viel zum Beruf ihres Papas. Natürlich
freut sie sich über eine Auszeichnung, die ich verliehen
bekomme, und guckt mit Begeisterung die Spiele. Ich glaube
auch, dass sie beurteilen kann, ob ich gut gespielt
habe. Aber in erster Linie bin ich ja ihr Vater
und nicht der Torhüter.
- Zebra:
-
Sie sind oft unterwegs - ein notwendiges Übel?
- Thierry Omeyer:
-
Ich mag den Stress, das Reisen und auch das Wohnen im Hotel.
Das gehört einfach zu meinem Beruf, dem Sport, dazu. So
ein Monat wie der WM-Januar, in dem man fast keinen
Tag zu Hause ist, ist jedoch schwierig. Man freut sich dann
auf die Stunden im Kreis der Familie.
- Zebra:
-
Lernt man solche Moment mehr zu schätzen?
- Thierry Omeyer:
-
Sicherlich schätzt man diese wenige Zeit daheim mehr,
als wenn man sie in großen Mengen hätte. Für meine
Tochter ist es jedoch schwer, wenn ich ihr erzähle,
dass ich am nächsten Tag wieder zum Auswärtsspiel
muss. Dann ist sie traurig. Sie möchte am liebsten
viel Zeit mit mir verbringen, mit mir spielen
und mir vieles zeigen. Manon sagt dann oft: "Papa
du darfst nicht gehen." Solch ein Moment ist nicht
einfach für mich. Wenn ich dann aber einmal zu
Hause bin, gibt es von mir selten ein "Nein" für
sie. Ich möchte ihr in der Zeit, die ich da bin,
nicht auch noch etwas verbieten.
- Zebra:
-
Ist die Belastung eines Torhüters mit der eines Feldspielers zu vergleichen?
- Thierry Omeyer:
-
Ich gehe in keine Zweikämpfe und bin nicht das ganze Spiel
über im Angriff-Abwehr-Wechsel. Bei Torhütern ist das Spiel
vielmehr eine Kopfsache. Man muss sich vorbereiten,
Videos schauen. Wenn ich dann im Tor stehe, bin ich
60 Minuten lang höchstkonzentriert. Das ist anstrengend
und kräftezehrend. Einen direkten Vergleich zu den
Belastungen eines Feldspielers würde ich jedoch nicht ziehen wollen.
- Zebra:
-
Liegt die Einschätzung der Belastung auch an der Torhüterpersönlichkeit?
- Thierry Omeyer:
-
Ja, es hat sicherlich damit etwas zu tun. Mit den Jahren lernt man,
ein Spiel zu lesen, zu lenken und seine Energie einzuteilen.
Man bekommt Erfahrung. Es gibt viele Situationen, die einem
Torhüter einiges abverlangen. Man startet ein Spiel gut
und hält viele Bälle in den ersten Minuten - dann läuft
alles gut. Kommt man jedoch nicht gleich ins Spiel, muss
man trotzdem kämpfen und weitermachen. Als junger, unerfahrener
Torhüter mag man anfangs daran verzweifeln, später belastet
einen das nicht mehr so sehr.
- Zebra:
-
Wie würden Sie sich als Torhüter beschreiben?
- Thierry Omeyer:
-
Ich habe mir früher viele verschiedene Techniken angesehen
und versucht, von allen zu lernen. Ich hoffe, dadurch
einen Mix von allen zu vereinen. Wichtig ist, nicht
jedes Mal in die gleiche Ecke zu gehen oder die gleiche
Technik zu haben, sondern den Gegner immer wieder
überraschen zu können. Als Torhüter hat man ja nicht nur
die Aufgabe, ein Tor zu verhindern. Ich arbeite auch
viel mit Psychologie und möchte mit dem Gegner spielen - das
ist auch Kopfsache. Ich möchte dem Gegner durch meine
Körperhaltung zeigen, dass ich ich alles halten werde.
So versuche ich, ihn zu verunsichern. Ein Torhüter
hat eine große Verantwortung und kann ein Spiel durch
sein Auftreten entscheiden. Ich mag den Druck und h
abe Spaß dabei, der letzte Mann zu sein. Deshalb bin
ich Torwart geworden.
- Zebra:
-
Wo lernt man das?
- Thierry Omeyer:
-
Das kommt mit der Zeit. Wenn man jung ist, sucht
man nach einer Niederlage den Fehler ausschließlich
bei sich. Wenn man älter wird, weiß man, dass man mal
schlecht gespielt hat. Aber man fängt nicht an, an
seinen Fehlern zu verzweifeln, sondern lernt das
Abhaken. Zweifel am eigenen Können spürt der Gegner.
- Zebra:
-
Worin unterscheiden Sie sich von Andreas Palicka?
- Thierry Omeyer:
-
Ich warte lange, bis ich mich für eine Ecke entschieden habe. Andreas
ist schnell und explosiv.
- Zebra:
-
Ist es wichtig, zwei unterschiedliche Torwartcharaktere im Team zu haben?
- Thierry Omeyer:
-
Viele Leute behaupten das. Ich bin mir dessen jedoch nicht so
sicher. Was zählt, ist die Leistung. Natürlich kann
es ein Vorteil sein, durch einen technisch anders
agierenden Torhüter noch einmal frischen Wind ins
Spiel zu bringen. Aber ob das von großer Bedeutung
ist? Das glaube ich nicht.
- Zebra:
-
Was interessiert Sie sonst?
- Thierry Omeyer:
-
Meine Familie steht an erster Stelle. Ich surfe aber auch
gerne im Internet, spiele Poker und schaue Filme.
Ich zappe auch ein wenig durchs deutsche Fernsehen.
Meistens bleibe ich bei den Sportsendungen auf DSF
und Eurosport hängen. Eben alles, was so ziemlich
jeder Familienvater in seiner Freizeit macht.
- Zebra:
-
Haben Sie auch Interesse an der Politik?
- Thierry Omeyer:
-
Ich verfolge nicht jeden Tag das politische Geschehen,
jedoch war ich schon zwei Mal bei Jacques Chirac und nun
auch schon zwei Mal bei unserem aktuellen Präsidenten
Nicolas Sarkozy in den Elysee-Palast eingeladen.
- Zebra:
-
. wegen herausragender sportlicher Leistungen.
- Thierry Omeyer:
-
Es ist eine Ehre, vom Staatspräsidenten eingeladen zu werden,
dort kommt schließlich nicht jeder hin. Nach Olympia
wurden alle französischen Sportler geehrt. Nach der Weltmeisterschaft durften
wir Handballer ein weiteres Mal zu Sarkozy. In ein paar Monaten
sollen wir noch einmal vorbeikommen. Dann gibt es einen Verdienstorden.
- Zebra:
-
Waren Sie beim Besuch des Präsidenten aufgeregt?
- Thierry Omeyer:
-
Das allererste Mal 2001 war ich schon etwas nevös. Nach drei
weiteren Besuchen ist man jedoch nicht mehr ganz so
aufgeregt - man kennt das dann schon.
- Zebra:
-
Hat Sarkozy denn Ihre Spiele verfolgt?
- Thierry Omeyer:
-
Sarkozy sagte, dass er die Finalspiele gesehen habe. Ein paar
Minuten habe ich während des Empfangs mit ihm sprechen
können. Er wusste, dass ich der Torhüter des Teams bin - er
hat also wirklich ein Spiel gesehen! Ansonsten kann
ich mich daran erinnern, dass Sarkozy wirklich so klein
ist, wie es im Fernsehen immer scheint (lacht). Später kann
ich auf jeden Fall meinen Enkeln von diesen Besuchen erzählen .
(Das Gespräch führte Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)