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19.12.2010 Nationalmannschaft / Bundesliga

ZEBRA: Heiner gegen alle

Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:

Man kann beinahe die Uhr danach stellen: Immer kurz vor einem bedeutenden Turnier äußert sich Heiner Brand kritisch über die Vereine der TOYOTA Handball-Bundesliga - und verärgert Vereine und Verantwortliche.
Von einem "Brand-Herd" sprachen die Medien, als sich unlängst Heiner Brand über das Fußball-Fachmagazin "kicker" zu Wort meldete - und einmal mehr vor einem wichtigen Turnier kräftig austeilte. Ziel der Angriffe waren wieder die TOYOTA Handball-Bundesliga und ihre Vereine. "Jeder sollte sich zunächst einmal um seine eigenen Dinge kümmern. Wobei ich auch nicht die ganze Liga meine, sondern einen bestimmten Kreis an Vereinen und Entscheidern. Es gibt Grabenkämpfe um Macht und Posten", kommentierte er die Aufkündigung des Grundlagenvertrages zwischen HBL und DHB von Seiten der Liga. Einmal in Rage, legte der 58-Jährige nach: "Der HBL und den Top-Vereinen geht es nicht um das Wohl des Handballs. Das ist problematisch, denn die betreffenden Stimmen kommen von den Marktführern unter den Clubs." Insbesondere die von den "finanzkräftigen Kolossen" geforderten Abstellgebühren für ihre Top-Stars sind dem Bundestrainer ein Dorn im Auge: "Es heißt doch völlig zu Recht, die Nationalmannschaft sei die Zugmaschine unserer Sportart. Darüber hinaus ist es idiotisch zu glauben, dass andere Verbände über das finanzielle Potenzial verfügen, um Abstellungsgebühren zu bezahlen." Die diskutierte Einführung von Profi-Schiedsrichtern sei "noch so ein Hirngespinst", polterte Brand weiter, "über solch eine Forderung kann ich nur lachen. Viele Vereine sind ohnehin schon knapp bei Kasse, wie sollen die Kosten bitte finanziert werden? Es ist unseriös, überhaupt an eine derartige Lösung zu denken." Derart in Rage, forderte er die HBL auf, eine Abspaltung nicht weiter zu forcieren. "Eine Abtrennung von der Basis funktioniert nicht. Auch international nicht. Die Champions-League ist doch schon jetzt eine deutsch-spanische Meisterschaft mit Behinderung durch Montpellier und Veszprem."

Klare Worte vom Bundestrainer, doch hinter vorgehaltener Hand munkelt man, dass die "Abteilung Attacke des Handballs" dieses Mal über das Ziel hinaus geschossen sein könnte. Einige Kenner der Szene vermuteten gar, der Bundestrainer wolle so von den bisher durchwachsenen Leistungen seiner Mannschaft ablenken und schon im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Schweden Entschuldigungsgründe für ein mögliches schlechtes Abschneiden der deutschen Mannschaft liefern. "Das glaube ich nicht", sagt THW-Geschäftsführer Uli Derad. "Gleichwohl hat mich der Zeitpunkt und die Schärfe der Aussagen verwundert." Schließlich seien es die Vereine und die Liga gewesen, die dem Bundestrainer den Drei-Tage-Lehrgang mit dem Testländerspiel gegen Polen ermöglicht hätten. "Das war nicht selbstverständlich, schließlich war dieser Lehrgang nicht Bestandteil des internationalen Kalenders." Aus diesem Grund sei es auch unverständlich, dass nun die Vereine, die ihre Spieler im größten Reise- und Spielstress des Jahres für die Nationalmannschaft abstellten, einmal mehr in dieser Art vom Bundestrainer angegriffen würden. "Das Wort 'Zugmaschine' ist inzwischen auch arg überstrapaziert", erklärt Derad. "Natürlich sind die großen Wettbewerbe für die Fans am interessantesten, aber das zählt für das Final-Four-Turnier der Champions League genauso wie für eine Europameisterschaft." Duelle wie das des THW gegen Barcelona seien das Salz in der Suppe. "Solche Spiele werden in 20 Ländern live gezeigt, diese Spiele elektrisieren die Fans." Insofern seien die Vereine auch die Basis für den erfolgreichen Handball. "Wer bezahlt denn die Spieler, die in der Nationalmannschaft spielen? Das sind die Vereine - außerhalb des Sports wäre es unmöglich, einen Arbeitnehmer kostenlos für einen anderen 'Arbeitgeber' zur Verfügung zu stellen."

Heiner Brand erwarte immer, dass man sich nicht in andere Belange einmische, aber ausgerechnet für den Bundestrainer selbst gelten diese Regeln wohl nicht, mutmaßt der THW-Geschäftsführer. "Es fehlen noch immer die Lösungen im Terminkalender, deshalb bringt nur ein Miteinander den Handball voran", konterte Derad die scharfen Attacken des Bundestrainers. Man könne trefflich darüber streiten, ob es Sinn mache, im vorweihnachtlichen Dauerstress Spieler 500 Kilometer zu einem Drei-Tage-Lehrgang anreisen zu lassen. "Das ist schon grenzwertig, man könnte sich also überlegen, ob es nicht mehr Sinn machen würde, statt vieler Drei-Tage-Maßnahmen nur noch einige wenige Sieben-Tage-Lehrgänge bei der Nationalmannschaft anzubieten - und das in enger Abstimmung mit dem internationalen Terminkalender." Ebenfalls denkbar sei es, die Nationalmannschaft und die TOYOTA HBL in Zukunft gemeinsam zu vermarkten, bringt Derad einen neuen Denkansatz ins Spiel, "damit die Vereine auch direkt am Erfolg der Nationalmannschaft partizipieren können". Man müsse einfach darüber reden. "Unsere Sportart braucht Ruhe, und Heiner Brands Aussagen kann ich deswegen nicht mehr hören." Auch den immer wieder vorgebrachten Vorwurf, die Top-Vereine der Liga täten nicht genug für den deutschen Nachwuchs, lässt Derad nicht gelten. "Die Handball-Fans wollen Top-Stars sehen", erklärt der THW-Geschäftsführer. Im Übrigen habe man mit Dominik Klein, Christian Sprenger und dem jungen Tobias Reichmann drei deutsche Spieler im Aufgebot, die für die Nationalmannschaft in Frage kämen. Das Beispiel Aron Palmarsson zeige deutlich, dass auch beim THW Kiel junge Akteure eine große Zukunft haben können. "Sie müssen nur die Klasse, den Mut und den Willen mitbringen, um sich durchsetzen zu können."

(von Christian Robohm, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)


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