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22.06.2013 Halle

Zebra-Journal: Die Halle verliert ihre Stimme

Rolf Körting spricht im "Zebra-Journal" über Zungenbrecher und blaue Pullover

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 15.06.2013:

Recherche: Für Rolf Körting beginnt ein THW-Spiel schon zu Hause. Bevor er an seinem Arbeitsplatz sitzt, informiert er sich bei der technischen Besprechung über die letzten Details.
Klicken Sie zum Vergrößern! Recherche: Für Rolf Körting beginnt ein THW-Spiel schon zu Hause. Bevor er an seinem Arbeitsplatz sitzt, informiert er sich bei der technischen Besprechung über die letzten Details.
30 Jahre lang war Rolf Körting die Stimme der Sparkassen-Arena. Über 700 THW-Spiele moderierte der 65-Jährige von seinem Hallensprecher-Tisch aus. Bevor er das Mikrofon nach dem letzten THW-Heimspiel der Saison gegen die HSG Wetzlar am 5. Juni endgültig beiseitelegte, durfte ihm das Journal bei der Arbeit über die Schulter gucken und erlebte zwei Tage mit dem THW-Hallensprecher.
Der Tag vor dem Spiel Vorbereitung ist das A und O. Am Vortag jedes THW-Heimspiels bekommt Körting den Ablaufplan vom THW per Mail zugeschickt. "Dann nehme ich meinen gelben Marker und markiere mir zuerst alle meine Einsatzzeiten", erzählt er. Anschließend beginnt er die Internetrecherche. Gibt es etwas Besonderes über die Gegner zu erzählen? Oder könnte der THW mal wieder einen Rekord knacken? Eine besondere Herausforderung sind die Namen der gegnerischen Spieler, besonders bei Champions-League-Spielen. Für Körting ist es selbstverständlich, sich um die richtige Aussprache zu bemühen. Auch wenn die Recherche dafür "teilweise sehr zeitintensiv" ist, zum Beispiel bei rumänischen, ungarischen oder isländischen Namen. Diese sind laut Körting die schwierigsten Sprachen. Zur Not holt er sich direkt vor der Partie Hilfe beim Mannschaftsbetreuer der Gegner und lässt sich die Namen von einem Muttersprachler vorlesen. Auch bei den THW-Spielern fragt er direkt nach, zum Beispiel beim Schweden Andreas Palicka, der tschechische Vorfahren hat, aber die schwedische Aussprache wünscht. Die ist ohne Zisch-Laut. "Palicka heißt einfach Palicka und nicht Palitzka, wie er oft im Fernsehen genannt wird", sagt Körting.

Der Spieltag Sein Einsatz beginnt am Spieltag eine Stunde vor dem Anpfiff bei der technischen Besprechung im Raum der Schiedsrichter. Hier treffen sich alle Verantwortlichen, um die Abläufe durchzusprechen. Für Körting nach drei Jahrzehnten reine Routine. Anschließend bespricht er sich mit Torben Pöhls, der auf dem Feld für die Unterhaltung der Zuschauer zuständig ist. Hier plaudern die beiden Moderatoren kurz über die bevorstehende Partie. Eine Viertelstunde vor Spielbeginn macht sich Körting auf den Weg zu seinem Platz. Mit dem Fahrstuhl geht es hinauf in den dritten Rang. Von dort aus hat er den perfekten Überblick. "Früher habe ich noch direkt am Spielfeldrand gesessen", erzählt er. Da sei er zwar unmittelbar am Geschehen gewesen, doch hätten ihm oft die aufspringenden Trainer die Sicht aufs Tor versperrt. "Und da passiert ja die Aktion, die ich ansagen muss." Bei besonders hitzigen Gefechten wurde Körting sogar ins Geschehen verwickelt. In den frühen Achtzigerjahren beschimpfte ein gegnerischer Betreuer die Kieler einmal so wüst, dass Körting ihn zurechtwies. "Daraufhin packte er mich und zog mich über meinen Tisch. Und die Zuschauer, die direkt hinter mir saßen, hielten mich fest und zerrten mich zurück."

An seinem Tisch angekommen, schaltet er zuerst sein Lämpchen ein. "Das ist eine Art Ritual geworden, denn beim Einlauf wird es ja dunkel."

Weil fast jedes THW-Spiel im TV übertragen wird, muss er sich genau an den Zeitplan halten. Wenn Torben Pöhls von der Platte an ihn übergibt, kommen seine vorbereiteten Zettel zum Einsatz. Begrüßung, Gegner- und Schiedsrichtervorstellung, Anmoderation. Dann kann es losgehen. Während des Spiels ist Körtings ganze Konzentration auf den Ball gerichtet. Wer wirft das Tor, wer spielt den entscheidenden Pass? "Viel Handball sehe ich gar nicht", sagt er, so fokussiert ist er auf das Spielgerät. Gleichzeitig führt er eine eigene Statistik über die Torschützen. Seine Sprecheinsätze sind inzwischen klar reglementiert. "Früher hätte ich Lieder singen können", sagt Körting. Heute bleiben ihm nach einem Tor fünf Sekunden, um Schütze und Spielstand anzusagen. In Auszeiten oder wenn die Uhr angehalten ist, darf er sprechen und die Mannschaft anfeuern, nicht aber bei laufender Uhr. Tut er es doch, muss der Verein Strafe zahlen. 1000 Euro waren zu Saisonbeginn einmal fällig, weil Körting zur falschen Zeit geredet hatte. Ex-THW-Tainer Noka Serdarusic scherte sich wenig um solche Vorgaben. "Wenn ich dir ein Zeichen gebe, musst du Gas geben. Ich sorge dafür, dass der THW das zahlt", soll er einst zu ihm gesagt haben. "Aber dazu ist es nie gekommen", sagt Körting und lacht.

Nach dem Abpfiff Ist das Spiel vorbei, ist auch sein Arbeitstag beendet. Nach einigen zusammenfassenden Sätzen zum Spiel, ein Lob an die Mannschaft oder einem Kompliment an den Gegner, notiert er sich das Ergebnis auf seinem Statistikbogen und genießt den Feierabend mit seiner Frau Helga und alten Bekannten im VIP-Raum bei einem Bier.

Marcus Ahlm über Rolf Körting:
"Mit ihm verbinde ich den THW Kiel."
Der blaue Pullover
Der berühmte blaue Pullover...
Klicken Sie zum Vergrößern! Der berühmte blaue Pullover...
In Rolf Körtings THW-Sammlung befindet sich ein Pullover, der von besonderer Bedeutung für den THW war: Ein blauer, den er in seinen Anfängen als Sprecher oft trug. "Damals haben wir auswärts viel verloren, zu Hause oft gewonnen", erinnert sich Körting, "und der Pullover hatte noch nie verloren." Einmal trug er ihn nicht, und die "Zebras" gerieten schon vor der Pause deutlich in Rückstand. Ein Fall für Helga Körting (li): Die Ehefrau musste nach Hause fahren, um den Pullover zu holen. Als Körting ihn überzog, brach auf den Rängen Jubel aus, neuer Optimismus erwachte. Offenbar auch bei den Spielern, die eine Aufholjagd starteten und siegten.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 15.06.2013)


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