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17.04.2002 Medien / Mannschaft

Staffan Olsson im Handball-Magazin-Interview

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In der aktuellen April-Ausgabe des Handball-Magazins findet sich ein ausführliches Interview mit Staffan Olsson. Hier nun der Artikel mit freundlicher Genehmigung des Handball-Magazins.
Daniel Stephan träumt schlecht von ihm, weil sein eiskalter Wurf Deutschland Sekunden vor Schluss um die Europameisterschaft brachte. Staffan Olsson, gerade 38 Jahre alt geworden, hielt einfach drauf, traf und half Schweden damit in die Verlängerung und zum vierten EM-Titel. Mit dieser Tat festigte der Linkshänder seinen legendären Ruf. Seit 1995 spielt er beim THW Kiel - als Fels in der Abwehr, Garant für leichte Tore und Intendant genialer Spielzüge. Grund genug, um Olsson nach den Geheimnissen der skandinavischen Schule zu fragen.
Handball-Magazin:
Die EM war ab den Halbfinals eine Scandinavian Open mit deutscher Beteiligung - ist das die Zukunft des Handballs?
Staffan Olsson:
So kann man das nicht sehen. Im Halbfinale der Weltmeisterschaft 2001 spielten noch ganz andere Mannschaften. Neben uns Frankreich, Jugoslawien und Ägypten. Aber die Dänen und Isländer sind ganz neu.
Handball-Magazin:
Überrascht Sie das?
Staffan Olsson:
Nein, dafür ackern die Dänen schon lange. Das habe ich von Morten Bjerre und Nikolaj Jacobsen gehört. Die haben zum Beispiel Aufgabenbücher für ihr individuelles Training bekommen. Außerdem spürt man die Nachwuchsarbeit der vergangenen Jahre. Sie ernten jetzt die Früchte ihrer Handball-Gymnasien. Da haben die Dänen und auch wir sehr gut gearbeitet. Das spiegeln auch die internationalen Erfolge unserer Junioren und Jugendlichen wider.
Handball-Magazin:
War das zu Ihrer Zeit auch so?
Staffan Olsson:
Handball ist in Schweden mit uns sehr populär geworden. Wer gut Handball und Fußball spielt, hat sich deshalb in den vergangenen Jahren öfter für Handball entschieden. Die Jugendlichen wissen, dass sie auch damit ins Ausland kommen und Geld verdienen können. Das ist der größte Schritt, den man in Schweden gemacht hat. Dadurch ist die Auswahl viel größer geworden. Außerdem trainieren die jungen Spieler mittlerweile besser und sind viel athletischer. Zum Beispiel unser neuer Kreisläufer Marcus Ahlm. So weit waren wir nicht mit 23. Und von Jungen wie Ahlm gibt es bei uns jede Menge.
Handball-Magazin:
Wie sahen Ihre Anfänge als Handballer aus?
Staffan Olsson:
Ich habe als 10-Jähriger in der Schule begonnen, mit acht Jungen aus meiner Klasse. Fünf Jahre lang spielte ich in Skanela und probierte auch viele andere Sachen wie Hochsprung, Fußball und Eishockey. Aber dann kam ein Angebot von Cliff, dem besten Stockholmer Verein, der in der höchsten Jugendliga spielte. Mit dem Wechsel habe ich mich endgültig für Handball entschieden. In Cliff habe ich später noch drei Jahre in der 1. Liga gespielt. Wir waren eine sehr junge Truppe und hatten jede Menge Spaß. Das war sozusagen eine Kumpelmannschaft. Was geschah neben dem Vereinstraining? Zu den Lehrgängen des Verbandes bin ich als 16-Jähriger eingeladen worden. Beim ersten Mal flog ich raus, weil ich zu schlecht trainiert war und zu schwach gelaufen bin. Aber danach war ich immer dabei.
Handball-Magazin:
Mit welchem Erfolg?
Staffan Olsson:
Das war eine gute Schule. Da lernt man früh die rote Linie, also elementare Dinge, die auch in der Nationalmannschaft gespielt werden.
Handball-Magazin:
Wie sieht dieser Leitfaden aus?
Staffan Olsson:
Bengt Johansson ist für die rote Linie verantwortlich. Jeder Spieler bekommt ein dickes Buch, in dem unter anderem alle Spielzüge und verschiedene Abwehrsysteme stehen. Danach arbeiten auch alle Trainer der Junioren, Jugendlichen und Regionalverbände. Es gibt also nichts Neues, wenn man irgendwann in die Nationalmannschaft kommt.
Handball-Magazin:
Erklärt das auch den kontinuierlichen Erfolg der Schweden?
Staffan Olsson:
Ja, das hilft gerade den jüngeren Leuten. Für die ist es leicht, in die Mannschaft zu finden. Aber es gibt auch Ausnahmen:

Stefan Lövgren und Ljubomir Vranjes waren zum Beispiel nie in einer Juniorenauswahl.

Handball-Magazin:
Und der Einstieg ins A-Team?
Staffan Olsson:
Bengt Johansson macht das sehr gut. Bei kleineren Turnieren lässt er die Jungen spielen. Er will, dass sie vor ihrer ersten großen Meisterschaft 40 bis 50 Länderspiele haben.
Handball-Magazin:
Sie kamen schon als 19-Jähriger in die Nationalmannschaft...
Staffan Olsson:
Ja, ich hatte es sehr einfach. Bevor ich 1986 zum ersten Mal spielte, hatte man in Schweden zehn Jahre lang händeringend nach einem Linkshänder gesucht. Deshalb bekam ich jede Menge Chancen, auch wenn ich mal schlecht war. Ich wurde immer eingeladen - es gab keinen anderen. Dieses Vertrauen war ein riesiges Glück für mich.
Handball-Magazin:
Warum sind die Schweden so locker?
Staffan Olsson:
Es ist mittlerweile leicht für uns, so zu sein, weil wir schon so viele Erfolge hatten. Dadurch bekommt man ein großes Selbstvertrauen. Für die Deutschen war die EM ein ganz großer Schritt nach vorn.
Handball-Magazin:
Ein Tischtennistrainer sagte über Ihre Landsleute, für sie sei es - im Gegensatz zu den Deutschen - immer wichtiger zu gewinnen, als nicht zu verlieren.
Staffan Olsson:
Der Siegeswille ist da, aber wir setzen uns nicht so wahnsinnig unter Druck. Dabei erwarten immer alle, dass wir mindestens das Endspiel erreichen. Das wollen wir auch, obwohl wir wissen, dass eine Niederlage kommen kann.
Handball-Magazin:
Aber?
Staffan Olsson:
Das beschäftigt uns nicht.
Handball-Magazin:
Warum?
Staffan Olsson:
Es hört sich vielleicht arrogant an, aber wir konzentrieren uns nicht so sehr auf unseren Gegner, sondern auf unsere Stärken. Egal, gegen wen wir spielen - wir versuchen immer, unsere Linie durchzusetzen. In den vergangenen Jahren hat es uns sehr geholfen, dass so viele von uns im Ausland spielen. Wir haben das Beste mitgenommen aus Kiel, Nordhorn und Spanien. Eine sehr gute Mischung.
Handball-Magazin:
Stars wie Björn Borg, Stefan Edberg, Jan-Ove Waldner und viele exzellente Akteure im Fußball und Eishockey - warum ist Schweden so eine große Sportnation?
Staffan Olsson:
Ich sage immer aus Spaß: In Schweden ist es neun Monate dunkel, und das Wetter ist dann schlecht. Wir haben ja nichts anderes zu tun. Ich kann am besten für den Mannschaftssport sprechen.
Handball-Magazin:
Da beeindruckt immer wieder der schwedische Teamgeist.
Staffan Olsson:
Es hört sich vielleicht komisch an: Bei uns gibt es keine Stars - oder alle sind Stars. Das ist auch eine Art und Weise, wie Jugendliche bei uns für das allgemeine Leben erzogen werden. Lernen miteinander umzugehen und sich zu respektieren. Das ist eine wichtige Arbeit, die die Schule nicht immer schafft.
Handball-Magazin:
Wie gelingt das Johansson in der Nationalmannschaft?
Staffan Olsson:
Er sorgt neben dem Handball für viel Spaß. Deshalb kommen alle immer wieder gern in die Auswahl. Auch diejenigen, die weniger spielen.
Handball-Magazin:
Dafür tun Sie und Ihre Kollegen außergewöhnliche Dinge.
Staffan Olsson:
Ja, wir haben zusammen gekocht oder ein Musical für die Spielerfrauen aufgeführt. Oder vor der EM haben wir einige Behindertensportarten wie Rollstuhlhockey probiert. Dinge, bei denen man sehr gut miteinander umgehen muss und sich kennen lernen kann.
Handball-Magazin:
Ein deutscher Trainer wäre wahrscheinlich verrückt geworden, wenn er dafür eine Trainingseinheit hätte opfern müssen...
Staffan Olsson:
Ach, wenn wir trainieren, tun wir das konzentriert und mit hoher Qualität. Für unsere Fitness sorgen wir selbst oder im Verein. Das überlässt uns Johansson auch vor einer großen Meisterschaft.
Handball-Magazin:
Das klingt wieder so locker. Ist das ein grundsätzlicher Unterschied im Vergleich mit den Deutschen?
Staffan Olsson:
Vielleicht. In Deutschland ist der Erfolg viel zu früh wichtig. Zum Beispiel, wenn es um Titel in der B-Jugend geht. In Schweden denkt man mehr an die langfristige Perspektive.
Handball-Magazin:
Wie sieht die Zukunft für Linkshänder im rechten Rückraum der schwedischen Mannschaft aus?
Staffan Olsson:
Andreas Larsson ist immer noch ziemlich jung, und nach seiner Verletzung hat er einen großen Sprung gemacht. Und danach kommt mit Kim Andersson unsere ganz große Hoffnung. Der ist mit seinen 19 Jahren ein riesiges Talent.
Handball-Magazin:
Werden Sie selbst mit 38 Jahren weiter international spielen?
Staffan Olsson:
Warum nicht? Ich habe die WM 2001 ausgelassen, weil ich ziemlich kaputt war. Das brauchte ich. Wenn ich mich nicht groß verletze und Johansson mich einlädt, sehe ich keine Probleme, aber es kann so schnell etwas passieren, deshalb denke ich darüber nicht groß nach.
Handball-Magazin:
Nach der WM in Portugal wären auch die Olympischen Spiele 2004 in Athen nicht mehr weit weg...
Staffan Olsson:
Das ist ein Traum, aber kein Ziel für mich, auf das ich bewusst hinarbeite. Wenn es so kommt, dann kommt es - wenn nicht, dann nicht. Mit 38 lässt sich so etwas nicht planen.
(Interview: Tim Oliver Kalle, Handball-Magazin)


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