In der aktuellen April-Ausgabe des Handball-Magazins findet sich ein ausführliches Interview mit
Staffan Olsson.
Hier nun der Artikel mit freundlicher Genehmigung des Handball-Magazins.
Daniel Stephan träumt schlecht von ihm, weil sein eiskalter Wurf Deutschland Sekunden vor
Schluss um die Europameisterschaft brachte.
Staffan Olsson, gerade 38 Jahre alt geworden, hielt
einfach drauf, traf und half Schweden damit in die Verlängerung und zum vierten EM-Titel. Mit
dieser Tat festigte der Linkshänder seinen legendären Ruf. Seit 1995 spielt er beim THW Kiel -
als Fels in der Abwehr, Garant für leichte Tore und Intendant genialer Spielzüge. Grund genug,
um
Olsson nach den Geheimnissen der skandinavischen Schule zu fragen.
- Handball-Magazin:
-
Die EM war ab den Halbfinals eine Scandinavian Open mit deutscher Beteiligung - ist das die
Zukunft des Handballs?
- Staffan Olsson:
-
So kann man das nicht sehen. Im Halbfinale der Weltmeisterschaft 2001
spielten noch ganz andere Mannschaften. Neben uns Frankreich, Jugoslawien und Ägypten. Aber die
Dänen und Isländer sind ganz neu.
- Handball-Magazin:
-
Überrascht Sie das?
- Staffan Olsson:
-
Nein, dafür ackern die Dänen schon lange. Das habe ich von
Morten Bjerre
und Nikolaj Jacobsen gehört.
Die haben zum Beispiel Aufgabenbücher für ihr individuelles
Training bekommen. Außerdem spürt man die Nachwuchsarbeit der vergangenen Jahre. Sie ernten
jetzt die Früchte ihrer Handball-Gymnasien. Da haben die Dänen und auch wir sehr gut
gearbeitet. Das spiegeln auch die internationalen Erfolge unserer Junioren und Jugendlichen
wider.
- Handball-Magazin:
-
War das zu Ihrer Zeit auch so?
- Staffan Olsson:
-
Handball ist in Schweden mit uns sehr populär geworden. Wer gut
Handball und Fußball spielt, hat sich deshalb in den vergangenen Jahren öfter für Handball
entschieden. Die Jugendlichen wissen, dass sie auch damit ins Ausland kommen und Geld verdienen
können. Das ist der größte Schritt, den man in Schweden gemacht hat. Dadurch ist die Auswahl
viel größer geworden. Außerdem trainieren die jungen Spieler mittlerweile besser und sind viel
athletischer. Zum Beispiel unser neuer Kreisläufer Marcus Ahlm. So weit waren wir nicht mit 23.
Und von Jungen wie Ahlm gibt es bei uns jede Menge.
- Handball-Magazin:
-
Wie sahen Ihre Anfänge als Handballer aus?
- Staffan Olsson:
-
Ich habe als 10-Jähriger in der Schule begonnen, mit
acht Jungen aus meiner Klasse. Fünf Jahre lang spielte ich in Skanela und probierte auch viele
andere Sachen wie Hochsprung, Fußball und Eishockey. Aber dann kam ein Angebot von Cliff, dem
besten Stockholmer Verein, der in der höchsten Jugendliga spielte. Mit dem Wechsel habe ich
mich endgültig für Handball entschieden. In Cliff habe ich später noch drei Jahre in der 1.
Liga gespielt. Wir waren eine sehr junge Truppe und hatten jede Menge Spaß. Das war sozusagen
eine Kumpelmannschaft. Was geschah neben dem Vereinstraining? Zu den Lehrgängen des Verbandes
bin ich als 16-Jähriger eingeladen worden. Beim ersten Mal flog ich raus, weil ich zu schlecht
trainiert war und zu schwach gelaufen bin. Aber danach war ich immer dabei.
- Handball-Magazin:
-
Mit welchem Erfolg?
- Staffan Olsson:
-
Das war eine gute Schule. Da lernt man früh die rote Linie, also elementare
Dinge, die auch in der Nationalmannschaft gespielt werden.
- Handball-Magazin:
-
Wie sieht dieser Leitfaden aus?
- Staffan Olsson:
-
Bengt Johansson ist für die rote Linie verantwortlich. Jeder
Spieler bekommt ein dickes Buch, in dem unter anderem alle Spielzüge und verschiedene
Abwehrsysteme stehen. Danach arbeiten auch alle Trainer der Junioren, Jugendlichen und
Regionalverbände. Es gibt also nichts Neues, wenn man irgendwann in die Nationalmannschaft
kommt.
- Handball-Magazin:
-
Erklärt das auch den kontinuierlichen Erfolg der Schweden?
- Staffan Olsson:
-
Ja, das hilft gerade den jüngeren
Leuten. Für die ist es leicht, in die Mannschaft zu finden. Aber es gibt auch Ausnahmen:
Stefan Lövgren und Ljubomir Vranjes waren zum Beispiel nie in einer Juniorenauswahl.
- Handball-Magazin:
-
Und der Einstieg ins A-Team?
- Staffan Olsson:
-
Bengt Johansson macht das sehr gut. Bei kleineren Turnieren lässt
er die Jungen spielen. Er will, dass sie vor ihrer ersten großen Meisterschaft 40 bis 50
Länderspiele haben.
- Handball-Magazin:
-
Sie kamen schon als 19-Jähriger in die Nationalmannschaft...
- Staffan Olsson:
-
Ja, ich hatte es sehr einfach.
Bevor ich 1986 zum ersten Mal spielte, hatte man in Schweden zehn Jahre lang händeringend nach
einem Linkshänder gesucht. Deshalb bekam ich jede Menge Chancen, auch wenn ich mal schlecht
war. Ich wurde immer eingeladen - es gab keinen anderen. Dieses Vertrauen war ein riesiges
Glück für mich.
- Handball-Magazin:
-
Warum sind die Schweden so locker?
- Staffan Olsson:
-
Es ist mittlerweile leicht für uns, so zu sein, weil wir
schon so viele Erfolge hatten. Dadurch bekommt man ein großes Selbstvertrauen. Für die
Deutschen war die EM ein ganz großer Schritt nach vorn.
- Handball-Magazin:
-
Ein Tischtennistrainer sagte über Ihre Landsleute, für sie sei es - im Gegensatz zu den
Deutschen - immer wichtiger zu gewinnen, als nicht zu verlieren.
- Staffan Olsson:
-
Der Siegeswille ist da, aber
wir setzen uns nicht so wahnsinnig unter Druck. Dabei erwarten immer alle, dass wir mindestens
das Endspiel erreichen. Das wollen wir auch, obwohl wir wissen, dass eine Niederlage kommen
kann.
- Handball-Magazin:
-
Aber?
- Staffan Olsson:
-
Das beschäftigt uns nicht.
- Handball-Magazin:
-
Warum?
- Staffan Olsson:
-
Es hört sich vielleicht arrogant an, aber wir konzentrieren uns nicht so sehr auf
unseren Gegner, sondern auf unsere Stärken. Egal, gegen wen wir spielen - wir versuchen immer,
unsere Linie durchzusetzen. In den vergangenen Jahren hat es uns sehr geholfen, dass so viele
von uns im Ausland spielen. Wir haben das Beste mitgenommen aus Kiel, Nordhorn und Spanien.
Eine sehr gute Mischung.
- Handball-Magazin:
-
Stars wie Björn Borg, Stefan Edberg, Jan-Ove Waldner und viele exzellente Akteure im Fußball
und Eishockey - warum ist Schweden so eine große Sportnation?
- Staffan Olsson:
-
Ich sage immer aus Spaß: In
Schweden ist es neun Monate dunkel, und das Wetter ist dann schlecht. Wir haben ja nichts
anderes zu tun. Ich kann am besten für den Mannschaftssport sprechen.
- Handball-Magazin:
-
Da beeindruckt immer wieder der schwedische Teamgeist.
- Staffan Olsson:
-
Es hört sich vielleicht komisch an: Bei
uns gibt es keine Stars - oder alle sind Stars. Das ist auch eine Art und Weise, wie
Jugendliche bei uns für das allgemeine Leben erzogen werden. Lernen miteinander umzugehen und
sich zu respektieren. Das ist eine wichtige Arbeit, die die Schule nicht immer schafft.
- Handball-Magazin:
-
Wie gelingt das Johansson in der Nationalmannschaft?
- Staffan Olsson:
-
Er sorgt neben dem Handball für viel Spaß.
Deshalb kommen alle immer wieder gern in die Auswahl. Auch diejenigen, die weniger spielen.
- Handball-Magazin:
-
Dafür tun Sie und Ihre Kollegen außergewöhnliche Dinge.
- Staffan Olsson:
-
Ja, wir haben zusammen gekocht oder ein
Musical für die Spielerfrauen aufgeführt. Oder vor der
EM haben wir einige
Behindertensportarten wie Rollstuhlhockey probiert. Dinge, bei denen man sehr gut miteinander
umgehen muss und sich kennen lernen kann.
- Handball-Magazin:
-
Ein deutscher Trainer wäre wahrscheinlich verrückt geworden, wenn er dafür eine
Trainingseinheit hätte opfern müssen...
- Staffan Olsson:
-
Ach, wenn wir trainieren, tun wir das konzentriert und
mit hoher Qualität. Für unsere Fitness sorgen wir selbst oder im Verein. Das überlässt uns
Johansson auch vor einer großen Meisterschaft.
- Handball-Magazin:
-
Das klingt wieder so locker. Ist das ein grundsätzlicher Unterschied im Vergleich mit den
Deutschen?
- Staffan Olsson:
-
Vielleicht. In Deutschland ist der Erfolg viel zu früh wichtig. Zum Beispiel, wenn
es um Titel in der B-Jugend geht. In Schweden denkt man mehr an die langfristige Perspektive.
- Handball-Magazin:
-
Wie sieht die Zukunft für Linkshänder im rechten Rückraum der schwedischen Mannschaft aus?
- Staffan Olsson:
-
Andreas Larsson ist immer noch ziemlich jung, und nach seiner Verletzung hat er einen großen
Sprung gemacht. Und danach kommt mit Kim Andersson unsere ganz große Hoffnung. Der ist mit
seinen 19 Jahren ein riesiges Talent.
- Handball-Magazin:
-
Werden Sie selbst mit 38 Jahren weiter international spielen?
- Staffan Olsson:
-
Warum nicht? Ich habe die WM 2001
ausgelassen, weil ich ziemlich kaputt war. Das brauchte ich. Wenn ich mich nicht groß verletze
und Johansson mich einlädt, sehe ich keine Probleme, aber es kann so schnell etwas passieren,
deshalb denke ich darüber nicht groß nach.
- Handball-Magazin:
-
Nach der WM in Portugal wären auch die Olympischen Spiele 2004 in Athen nicht mehr weit weg...
- Staffan Olsson:
-
Das ist ein Traum, aber kein Ziel für mich, auf das ich bewusst hinarbeite. Wenn es so kommt,
dann kommt es - wenn nicht, dann nicht. Mit 38 lässt sich so etwas nicht planen.
(Interview: Tim Oliver Kalle, Handball-Magazin)