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30.06.2003 Medien / Mannschaft

Handball-Magazin: Christian Zeitz - Der Straßenhandballer

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Das Handball-Magazin stellt in loser Folge aufstrebende junge Talente vor. Im Dezember 2001 war der damals frisch gebackene Nationalspieler Christian Zeitz im Focus des Fachblatts. Auch wenn der Artikel inzwischen schon vor eineinhalb Jahren erschienen ist, dürften viele THW-Fans so sicherlich einige interessante Informationen über den spielstarken Zebra-Neuzugang erhalten.
Aus dem Handball-Magazin 12/2001:

Er wog mal 107 Kilogramm und galt als schlampiges Genie. Doch in dieser Saison [2001/2002, Anm. der Internet-Red.] hat der Linkshänder aus Baden den Durchbruch geschafft - sowohl im Verein als auch im DHB-Team.

Christian Zeitz.
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Rotzfrech klaute er seinem Widersacher den Ball und brach zum Gegenstoß auf. Den vollendete er rasant gegen Andrej Lawrow. Mit einem Dreher und anderen dreisten Würfen hatte er den Torwart von Olympiasieger Rußland zuvor mehrmals überrumpelt. Bundestrainer Heiner Brand mühte sich eilig, sein Grinsen hinter einer Mineralwasserflasche zu verstecken. Schließlich trickste Christian Zeitz im Finale des Supercups so wie ein ausgebuffter Profi. Dabei spielte der 21jährige in Riesa erst zum neunten Mal für die A-Nationalmannschaft. Kicker nennen einen wie ihn einen Straßenfußballer.

Michael Roth, Trainer des Zweitligisten TSV BADEN Östringen, hält Zeitz wegen seiner Intuition für einen "Straßenhandballer" - einen Spieler, der auf dem Feld seinem Instinkt folgt und oft Überraschendes tut. "Der geht ohne Angst drauf", staunt DHB-Kapitän Frank von Behren. Das Risiko mag Brand trotz einiger defensiver Schwächen: "Christian neigt zu etwas Besonderem im Angriff. Dadurch hilft er auch manchmal." Mittlerweile beschäftigen sich seine Trainer und Journalisten mit seinen spektakulären Aktionen, aber früher ging es in den den Geschichten über ihn früher immer um sein Gewicht. Na klar, der Junge habe einen strammen Wurf und technisches Geschick, aber mit so einem Körper könne er nie nach oben kommen. 107 Kilogramm bei einer Größe von 1,85 Meter bremsen eben unabhängig vom Talent. "Ich habe ein bißchen zuviel gewogen", sagt Zeitz heute und klingt dabei so, als ob er lediglich über ein lästiges Ereignis wie eine längst verflogene Sommergrippe redet.

Dabei hätte sich der junge Mann mit den kurzen blonden Haaren beinahe um seine Karriere gebracht. "Schludrig" sei er mit seinem Potential umgegangen und habe "Schindluder" mit sich getrieben, erzählt Michael Roth. Der ehemalige Nationalspieler trainiert Zeitz in Östringen seit sieben Jahren und wäre fast an dem fülligen Junior verzweifelt. Mal attackierte er ihn vor der Mannschaft, dann setzte er ihn im Trainingslager mit einigen anderen an einen Diättisch. "Ich habe lange Zeit gebraucht, um ihn auf die richtige Fährte zu locken", sagt Roth. "Aber letztlich hat Christian es ganz allein verstanden." In wenigen Monaten trimmte sich Zeitz auf athletische 86 Kilogramm, behielt seinen Platz in der Juniorenauswahl des Deutschen Handball-Bundes und packte so den Sprung in die A-Nationalmannschaft.

Beim Supercup überzeugte Zeitz als jüngster Spieler im DHB-Team

Beim Supercup in Sachsen spielte der 21jährige Linkshänder als Jüngster des DHB-Ensembles groß auf und erzielte in vier Spielen 18 Tore. "Christian hat gezeigt, daß es sich lohnt mit ihm zu arbeiten", sagte Bundestrainer Heiner Brand. Ein riesiges Kompliment für einen, der durchs Raster zu fallen drohte. Dabei löste er sich so leicht von seiner Last: weniger essen, täglich laufen - einfach alles kontrollieren.

Rückblick auf die Stationen einer Karriere: ein Start wie so viele andere auch. Als E-Jugendlicher in Östringen, in den Verein gelockt durch die älteren Brüder Jürgen und Holger. Fortan spielte er für den TSV. Erst Lutz Landgraf, ein engagierter Trainer des badischen Verbandes, zeigte ihm den Weg in die große Welt seines Sports. "Der Lutz", sagt Zeitz, "hat alles in die Wege geleitet." Landgraf förderte das Talent in der Landesauswahl und half ihm so, in den Nachwuchskader des DHB zu kommen. Und später betreute er Zeitz auch während dessen 23monatiger Zeit in der Sportförderkompanie in Bruchsal.

Frank von Behren: Zeitz sollte bei einem Erstligisten spielen

Längst war der Badener dort den Spähern anderer Klubs aufgefallen, aber Roth weiß seinen Spieler noch sicher an Östringen gebunden. "Christian ist ein Umfeldtyp", sagt der Trainer. Dabei legen ihm nach dem Supercup viele Leute nahe, sich einen neuen und stärkeren Verein zu suchen - trotz üppiger Spielanteile in der 2. Liga. "Er sollte bei einem Erstligisten spielen, gerade bei seinen Qualitäten", rät Frank von Behren. Bundestrainer Brand muß sich in dieser Sache diplomatischer geben. "Empfehlen darf ich es ja nicht", sagt der Gummersbacher. "Aber ich hätte nichts dagegen, wenn Christian sich einen Erstligaklub suchen würde." Schließlich könnte er sich dann viel öfter mit den Besten messen.

Vor der Saison unterschrieb Zeitz allerdings einen Drei-Jahres-Vertrag in Östringen. Denn neben seinem Engagement beim TSV möchte er eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann abschließen. Ralph Gyöngyösi sieht das alles mit gemischten Gefühlen. Der 31jährige ist seit diesem Frühjahr nicht nur Mitspieler von Zeitz, sondern auch dessen Agent - als Angestellter der Olsta Sports und Management GmbH, zu deren Kunden auch Wallaus Torwart Zoran Djordjic und der Essener Linkshänder Volker Michel zählen. Der langfristige Vertrag mit Östringen sei "etwas unglücklich", denn inzwischen häuften sich die Anfragen für seinen Klienten. Auch aus dem Kreis der Branchenriesen Kiel, Lemgo und Magdeburg gebe es Interesse. Wenn Zeitz ginge, verlöre Gyöngyösi einen starken Nebenmann, aber "da geht mein Job für den Spieler vor". In Östringen sehen sie den Wirbel um ihren neuen Star und dessen Karriere gelassen. "Es langt noch, wenn Christian nächstes Jahr bei uns spielt", sagt Roth und hofft auf einen Zeitvorteil. Östringen und die erst zu dieser Saison aufgestiegene HSG Kronau/Bad Schönborn planen nämlich eine Spielgemeinschaft und so mittelfristig den Aufstieg in Bundesliga. Dann könnte Zeitz seinem Umfeld treu bleiben und zudem gemeinsam mit Freunden wie Andr‚ Bechthold spielen. "Das", gesteht Zeitz, "wäre ideal."

Zeit(z)spiel

Christian Zeitz zählt zu den neuen Typen im rechten Rückraum - trotz seiner relativ geringen Größe. Mit einem schnellen und kurzen Armzug gelingen ihm sehr harte und mittlerweile auch sehr zielgenaue Würfe. Ähnlich wie die Franzosen Stephane Stoecklin und Patrick Cazal nutzt Zeitz häufig die kleinen Lücken zwischen den Armen der Abwehrspieler und wählt nicht wie der viel größere Volker Zerbe (2,12 Meter) den Weg übers Obergeschoß. Obwohl er nicht besonders sprungstark ist, beherrscht Zeitz sämtliche Varianten vom harten Schlagwurf bis zum gefühlvollen Dreher. Dabei helfen ihm "ein überragendes Handgelenk und sehr gutes Raumgefühl" (Michael Roth). So gibt er Bundestrainer Heiner Brand vorn alle Möglichkeiten: entweder als Mann für den Rückraum oder den rechten Flügel. Lediglich in der Defensive fehlt dem 21jährigen bisher internationales Format. Allerdings betraut ihn Vereinstrainer Michael Roth in Östringen peu a peu mit Abwehraufgaben.

(Von Tim Oliver Kalle, Handball-Magazin)


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