30.06.2003 | Medien / Mannschaft |
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Er wog mal 107 Kilogramm und galt als schlampiges Genie. Doch in dieser Saison [2001/2002, Anm. der Internet-Red.] hat der Linkshänder aus Baden den Durchbruch geschafft - sowohl im Verein als auch im DHB-Team.
Christian Zeitz. |
Michael Roth, Trainer des Zweitligisten TSV BADEN Östringen, hält Zeitz wegen seiner Intuition für einen "Straßenhandballer" - einen Spieler, der auf dem Feld seinem Instinkt folgt und oft Überraschendes tut. "Der geht ohne Angst drauf", staunt DHB-Kapitän Frank von Behren. Das Risiko mag Brand trotz einiger defensiver Schwächen: "Christian neigt zu etwas Besonderem im Angriff. Dadurch hilft er auch manchmal." Mittlerweile beschäftigen sich seine Trainer und Journalisten mit seinen spektakulären Aktionen, aber früher ging es in den den Geschichten über ihn früher immer um sein Gewicht. Na klar, der Junge habe einen strammen Wurf und technisches Geschick, aber mit so einem Körper könne er nie nach oben kommen. 107 Kilogramm bei einer Größe von 1,85 Meter bremsen eben unabhängig vom Talent. "Ich habe ein bißchen zuviel gewogen", sagt Zeitz heute und klingt dabei so, als ob er lediglich über ein lästiges Ereignis wie eine längst verflogene Sommergrippe redet.
Dabei hätte sich der junge Mann mit den kurzen blonden Haaren beinahe um seine Karriere gebracht. "Schludrig" sei er mit seinem Potential umgegangen und habe "Schindluder" mit sich getrieben, erzählt Michael Roth. Der ehemalige Nationalspieler trainiert Zeitz in Östringen seit sieben Jahren und wäre fast an dem fülligen Junior verzweifelt. Mal attackierte er ihn vor der Mannschaft, dann setzte er ihn im Trainingslager mit einigen anderen an einen Diättisch. "Ich habe lange Zeit gebraucht, um ihn auf die richtige Fährte zu locken", sagt Roth. "Aber letztlich hat Christian es ganz allein verstanden." In wenigen Monaten trimmte sich Zeitz auf athletische 86 Kilogramm, behielt seinen Platz in der Juniorenauswahl des Deutschen Handball-Bundes und packte so den Sprung in die A-Nationalmannschaft.
Rückblick auf die Stationen einer Karriere: ein Start wie so viele andere auch. Als E-Jugendlicher in Östringen, in den Verein gelockt durch die älteren Brüder Jürgen und Holger. Fortan spielte er für den TSV. Erst Lutz Landgraf, ein engagierter Trainer des badischen Verbandes, zeigte ihm den Weg in die große Welt seines Sports. "Der Lutz", sagt Zeitz, "hat alles in die Wege geleitet." Landgraf förderte das Talent in der Landesauswahl und half ihm so, in den Nachwuchskader des DHB zu kommen. Und später betreute er Zeitz auch während dessen 23monatiger Zeit in der Sportförderkompanie in Bruchsal.
Vor der Saison unterschrieb Zeitz allerdings einen Drei-Jahres-Vertrag in Östringen. Denn neben seinem Engagement beim TSV möchte er eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann abschließen. Ralph Gyöngyösi sieht das alles mit gemischten Gefühlen. Der 31jährige ist seit diesem Frühjahr nicht nur Mitspieler von Zeitz, sondern auch dessen Agent - als Angestellter der Olsta Sports und Management GmbH, zu deren Kunden auch Wallaus Torwart Zoran Djordjic und der Essener Linkshänder Volker Michel zählen. Der langfristige Vertrag mit Östringen sei "etwas unglücklich", denn inzwischen häuften sich die Anfragen für seinen Klienten. Auch aus dem Kreis der Branchenriesen Kiel, Lemgo und Magdeburg gebe es Interesse. Wenn Zeitz ginge, verlöre Gyöngyösi einen starken Nebenmann, aber "da geht mein Job für den Spieler vor". In Östringen sehen sie den Wirbel um ihren neuen Star und dessen Karriere gelassen. "Es langt noch, wenn Christian nächstes Jahr bei uns spielt", sagt Roth und hofft auf einen Zeitvorteil. Östringen und die erst zu dieser Saison aufgestiegene HSG Kronau/Bad Schönborn planen nämlich eine Spielgemeinschaft und so mittelfristig den Aufstieg in Bundesliga. Dann könnte Zeitz seinem Umfeld treu bleiben und zudem gemeinsam mit Freunden wie Andr‚ Bechthold spielen. "Das", gesteht Zeitz, "wäre ideal."
(Von Tim Oliver Kalle, Handball-Magazin)
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