29.08.2007 | Mannschaft |
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Doch Ong war nicht immer Spielerberater. In zehn Jahren als Exportdirektor des französischen Kosmetikherstellers L'Oreal verkaufte er weltweit Parfüm und spielte mit den Sinnen der Kunden. Damals handelte er wie ein Kapitalist, sein neues Credo klingt dagegen romantisch und beinahe selbstlos. "Ich stelle den Spieler als Menschen in den Mittelpunkt allen Denkens", sagt Ong. Manchmal pickt der multilinguale Mann ein Wort aus der deutschen Sprache, um seinen Standpunkt zu erklären, der ihn vom reinen Agenten unterscheidet. "I like the word Spielerberater, yes, that's the word." Ziel sei nicht ein schneller Deal, sondern die beste Lösung für die Entwicklung des Spielers.
Ong spielte als junger Mann mit einem Pariser Team in der 1. Liga. "Ich war ein durchschnittlicher Handballer und bin eher ein Kopfmensch", sagt er mit Blick auf seine den Geisteswissenschaften zugetanen Eltern. Sein Vater war Pastor, die Mutter Psychologin, beide waren aus Indonesien nach Frankreich gekommen. Der wissenschaftliche Hintergrund der Familie hat seinen beruflichen Weg beeinflusst. "Ich versuche etwas zu schaffen, dass mir als Spieler nicht gelungen ist - eine aktive Rolle im Sport zu haben."
Die Karriere des Beraters Ong entwickelte sich ebenso logisch wie erstaunlich. Logisch, weil er erst seinen Freuden und dann deren Freunden in Vertragsfragen half. Erstaunlich, weil er einen großen Teil seines Netzwerks über Beachhandball aufbaute. Die von ihm 1995 mitinitiierte Sandball-Serie umfasst mittlerweile 300 Turniere. En passant sammelte er so Kontakte in Spanien, Deutschland und Dänemark.
In den neunziger Jahren beherrschten deutsche Kollegen wie Uwe Zimmer und Wolfgang Gütschow den Markt; damals verlor die Ligue Nationale de Handball ihr Personal in Scharen an die Konkurrenz jenseits der Grenze. Der besorgte französische Verband fragte bei Ong an, ob er eine Agentur gründen wolle, um talentierte Spieler zu beraten und zum längeren Verbleib in der Heimat zu bewegen. Mit Protektionismus hat seine Arbeit jedoch wenig zu tun. "Ich versuche nicht, die französischen Klubs zu schützen", sagt Ong.
Dass er angesichts der Qualität und Quantität seines Kundenstamms die Vereine kontrolliere, beklagen manche Präsidenten der französischen Klubs. Auf die Machtfrage antwortet Ong verschmitzt: "Das ist nicht wahr, aber auch nicht total unwahr." Dabei litt gerade Montpellier, 2003 noch Champions-League-Sieger, unter dem umtriebigen Spielerberater, der nach Karabatic und Omeyer in diesem Sommer auch Junior Igor Anic zum THW Kiel transferierte.
Der Franzose gibt sowohl den Dr. Jekyll als auch den Mr. Hyde. Zumindest analysiert er schonungslos die Lage. "Frankreich ist in großer Gefahr", sagt Ong. "Es gibt hier die beste Schule für junge Spieler, weil kein Geld für große Spieler da ist. Die Liga hat keine Vision, wie der französische Handball in fünf Jahren sein soll." Deshalb bringt er aus dem Ausland Wissen nach Frankreich, das den Vereinen helfen soll, den Abstand zu den deutschen und spanischen Ligen zu verringern. Zum Finale der Champions League brachte er einige LNH-Vertreter mit, um ihnen die Möglichkeiten des großen Handballs zu zeigen. Ongs Formel klingt simpel: "Wenn der Kuchen größer ist, isst jeder mehr."
Die Schlüsselfigur in seinem Team ist zurzeit Nikola Karabatic, der sich bereits mit 17 an Ong wandte. Es sei angenehm, mit jungen Spielern zu arbeiten, diese zu entwickeln und ihr Denken zu schärfen, sagt Ong. Das Entscheiden überlässt er seinen Klienten: "Ich versuche, wie ein Spiegel zu funktionieren." Ong zeigt Perspektiven: Karabatic sei das "Zentrum des Projekts Kiel. Er war darauf programmiert, zu einem großen Klub zu gehen. Dabei ist es keine angenehme Wahl, Montpellier zu verlassen." Der nächste Schritt zu Ciudad Real hätte beiden "viel mehr Geld" gebracht, aber "Nikola ist intelligent, smart und hat Werte" und verlängerte seinen Vertrag vorzeitig bis 2012.
Womöglich könnte Ong den derzeit spektakulärsten Spieler der Bundesliga später wieder in die Heimat locken. "Eines Tages möchte ich gern einen Klub übernehmen", sagt er. "Es wäre schön, dort etwas zu schaffen." Was Frankreich fehlt, ist ein erfolgreiches Team in der Weltstadt Paris, doch dieses Projekt sei so präsent wie das Ungeheuer von Loch Ness, "ein Monster, das keiner sieht, aber über das jeder spricht". Dann lieber etwas aufbauen wie jenen legendären Klub OM Vitrolles in Marseilles - das wäre auch nicht zu weit entfernt vom Paradies Aix-en-Provence.
(Aus dem "Handball-Magazin" 08/2007)
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