Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Das sportliche Leben des
Adrian Wagner
ist ein Leben der Kontraste. 2006 tauschte er die Bundesliga
gegen Liga zwei ein. Während der Ex-Nationalspieler beim THW
Kiel drei Jahre lang vor mehr als 10.000 Zuschauern spielte
und zudem die Handball-Tempel Europas bereiste, hießen die
Gegner mit Bayer Dormagen Friesenheim, Obernburg oder Aue. Mit
den Zebras gewann "
Addi" die
Deutsche Meisterschaft und den EHF-Pokal, mit Dormagen spielte
er um den Aufstieg in das Handball Oberhaus - und verpasste
ihn knapp. Beim VfL Gummersbach feierte er in dieser Saison
zu seiner eigenen Überraschung ein Comeback in der Champions
League. Zebra sprach mit dem sympathischen Linksaußen über
eine Karriere voller Gegensätze und das Dasein als Nordlicht
im karnevalsverrückten Rheinland.
- Zebra:
-
Adrian, Du hast innerhalb von ein paar Jahren so etwas wie
eine Berg-und-Tal-Fahrt innerhalb des Handballs erlebt -
von der Champions League in die zweite Liga und zurück.
Wie hast du die vergangenen Jahre erlebt?
- Adrian Wagner:
-
Mit dem Schritt nach Dormagen wollte ich eigentlich
meine Prioritäten verschieben und mein Augenmerk auf
die berufliche Perspektive nach dem Handball legen.
Aber das war nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt
hatte. Zum einen der berufliche Stress, zum anderen die
Tatsache, dass man trotzdem noch jeden Tag mit Handball
zu tun hat. Vom THW Kiel war ich anspruchsvolles und
intensives Training gewöhnt und deshalb bin ich froh,
nun die Chance zu haben, in Gummersbach zu spielen.
- Zebra:
-
Gab es zwischendurch Zweifel, ob du jemals wieder in
der ersten Liga spielst? Mit Bayer Dormagen wurde der
Aufstieg ja hauchdünn verpasst...
- Adrian Wagner:
-
Allein beim Anschauen von Fernsehübertragungen aus
der ersten Liga kribbelte es schon. Im ersten Relegationsspiel
hatte ich mich dann auch noch verletzt, so dass ich beim
entscheidenden Rückspiel nicht mehr mithelfen konnte.
In Dormagen sind die Strukturen auf die erste Liga
geeicht und so wie es aussieht, wird man es in diesem
Jahr direkt in die Bundesliga schaffen. Es sind natürlich
andere Ansprüche, ob man gegen den Abstieg oder um die
Meisterschaft mitspielt. Aber es ist die halbe Miete,
wenn man um etwas spielt - sei es um den Abstieg oder
um einen Titel. Es gibt beinahe nichts Schlimmeres, als
als Tabellenzehnter durch Deutschland zu fahren und um
nichts zu spielen.
- Zebra:
-
Du gilst als sehr publikumsnah. Unvergessen die Feierszenen
der Meisterfeiern auf dem Kieler Rathausplatz. Wie bist du
mit der plötzlichen Umstellung von der Sparkassen-Arena -
damals noch Ostseehalle - zu den kleinen Zweitliga-Hallen
zurecht gekommen?
- Adrian Wagner:
-
Es gibt auch in der Bundesliga kleine, enge Hallen, die
mit guter Stimmung zum Hexenkessel werden können. Wenn
natürlich 2.000 Zuschauer in der Ostseehalle sitzen,
kann das eher wie ein Totentanz wirken. In der 2. Liga
Süd gibt es einige neue Hallen, wobei ich bei manchen
allerdings auch froh bin, dass ich sie hoffentlich nicht
wieder sehe. In Gelnhausen beispielsweise ist es sehr
dörflich, es gibt also krasse Kontraste.
- Zebra:
-
Die anderen Umstellungen waren sicherlich auch nicht einfacher...
- Adrian Wagner:
-
Ich muss fairerweise sagen, dass ich die Erwartungen,
die in mich gesteckt wurden, nicht erfüllen konnte. Ich
habe früher mit Bad Schwartau, dem HSV und dem THW Kiel
im Dunstkreis meiner Heimat Hamburg gespielt und in
Dormagen musste ich in einer neuen Region klarkommen.
Dazu kamen dann noch der Ausbildungsstress und die
Doppelbelastung. Aber so langsam habe ich mich
akklimatisiert und bin auch hier unten wieder voll
im Alltag drin.
- Zebra:
-
Karneval gehört dort unten zum Alltag...
- Adrian Wagner:
-
Damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Es ist für
mich unvorstellbar, wie man sich ein Kostüm anziehen
und schon um acht Uhr morgens damit auf die Straße
gehen kann. Außerdem ist die Handball-Saison zur
Karnevalszeit auch immer in vollem Gange. Daher könnte
ich den Karneval eh nicht so feiern, wie alle anderen.
Man muss wohl im Rheinland geboren sein, um das zu
verstehen. Wir haben anderthalb Jahre in Köln gewohnt
und sind jetzt nach Gummersbach gezogen, da feiert
man das glücklicherweise nicht mehr so krass.
- Zebra:
-
Kannst du dir vorstellen, in Gummersbach deine Karriere zu beenden?
- Adrian Wagner:
-
Es macht mir hier unglaublich viel Spaß. Ich habe
einen super Trainer und eine tolle Mannschaft. Freunde
und Familie wohnen aber im Norden. Ich hatte in Kiel
drei Jahre, die zur schönsten Zeit meines Lebens zählen.
Ich habe hier Titel gewonnen und Freunde gefunden.
Zwar hab ich nicht immer gespielt, aber es war eine
super Zeit. Ich bin sehr dankbar, dass ich den THW Kiel
erleben durfte. Der erste Eindruck der Stadt Kiel war
zwar nicht der Beste, aber wir haben uns hier schnell
zu Hause gefühlt, so dass wir uns nun vorstellen könnten,
nach dem Sport in Kiel heimisch zu werden.
- Zebra:
-
Gibt es konkrete Pläne für deine Zeit nach dem Handball?
- Adrian Wagner:
-
Ich habe meine Ausbildung als Sicherung und möchte für
einen ordentlichen Beruf gewappnet sein. Ich habe mit
Freunden einen Online-Store einer Sportbekleidungsfirma
eröffnet und würde gerne nach dem Sport dort nahtlos
einsteigen und vielleicht auch Kontakte am Leben behalten,
die ich durch den Sport knüpfen konnte.
- Zebra:
-
Kommen wir zum Schluss noch mal auf die laufende Saison
zu sprechen. Bist du zufrieden mit eurem derzeitigen Abschneiden?
- Adrian Wagner:
-
Wir stehen in der zweiten Gruppenphase der Champions League.
Wir sind in einer unglaublich schweren Vorgruppe Erster geworden,
was ein überraschender Erfolg war. Ich bin der Meinung, dass
wir die Bundesliga auf internationalem Parkett gut vertreten.
Man muss allerdings realistisch bleiben, denn Ciudad ist nun
mal erster Anwärter auf das Weiterkommen in unserer Gruppe.
Mal abwarten, was passiert. In der Bundesliga haben wir ein
paar Spiele blöd beziehungsweise unglücklich verloren, so
dass wir in der Tabelle hätten höher stehen können. Aber
zurückzublicken bringt nichts.
- Zebra:
-
Was erwartest du vom Spiel in Kiel?
- Adrian Wagner:
-
In allererster Linie freue ich mich auf das Spiel. Das hört
sich vielleicht komisch an, aber wir können ganz entspannt
an die Sache heran gehen. Kiel muss gewinnen, wir können
gewinnen. Und wenn wir alle Spaß beim Spielen haben, klappt
es vielleicht. Aber ich freue mich auch unglaublich auf die
Ostseehalle und auf die kurze Zeit nach dem Spiel, in der
man viele Bekannte sieht und mit ihnen, wenn auch nur sehr
kurz, über das sprechen kann, was in der Zwischenzeit so
passiert ist.
(aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)