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23.05.2008 Bundesliga

Zebra-Journal: Bad Schwartau: Warten ist vorbei

Spielertrainer Thomas Knorr führt den VfL nach sechs Jahren in die 2. Bundesliga zurück

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 23.05.2008:

"Bundesliga, Bundesliga, hey, hey!", schallte es vorm Rathaus, als der grüne Trecker mit angehängtem Bollerwagen mitten durch das bunte Markttreiben tuckerte. Obenauf in schwarzen Anzügen und weißen Hemden - Schwartaus Handballer. Ihre roten Augen, Zeugen einer langen Nacht und eines viel zu kurzen Morgens, hinter Sonnenbrillen versteckend, fuhren sie zum Empfang beim Bürgermeister vor und schmetterten: "Nie mehr, nie mehr, dritte Liga!" Der VfL Bad Schwartau ist zurück auf der Bundesliga-Bühne, "nach einer Zeit", so Abteilungsleiter H.G. Meyer, "in der wir viel verbrannte Erde vorgefunden und weggeräumt haben".
Die Aufräumarbeiten begannen am 25. Mai 2002. An jenem Tag verabschiedete sich der VfL nach 14 Bundesliga-Jahren mitsamt Mannschaft und Lizenz in Richtung Hamburg. Gut 3000 Fans skandierten nach dem letzten Spiel in der Hansehalle minutenlang "Schwar-tau, Schwar-tau". Ein Chor der Verzweiflung, des wütenden Protestes und der Hoffnung, dass der Klasse-Handball zurückkehren möge.

Nach sechs Jahren des Wartens ist es nun vollbracht. Mit 53:7 Punkten, nur zwei Niederlagen in 30 Spielen, einem in allen fünf dritten Ligen einzigartigen Hurra-Handball (35 Treffer im Schnitt/1046 insgesamt) machte der Verein für Leibesübungen von 1863 bereits drei Spieltage vor Saisonende den Aufstieg perfekt. Und das mit einem 32:27-Sieg beim ärgsten Widersacher SG Flensburg-Handewitt II sowie 700 Anhängern im Rücken. "Unsere Fans sind einmalig", freute sich Teammanager Michael Friedrichs, "sie sind schon lange bundesligareif." In der Tat: 1500 Zuschauer im Schnitt, mehr als 2000 bei den Topspielen suchen in der 2. Liga ihresgleichen und zeigen, wie sehr es die Region und die dahin siechende "Sportstadt" Lübeck nach gutem, massenkompatiblen Mannschaftssport dürstet. Dass dies der Fußball nördlich von Hamburg nicht schafft, zeigt er derzeit auf fast tragische Weise.

Der wichtigste Eckpfeiler für die Rückkehr wurde dabei im April 2007 gesetzt. Thomas Knorr entschied sich nach 83 Länderspielen und Intermezzi in Kiel, Flensburg und Hamburg zur Rückkehr, dahin wo er das Handball-Abc erlernte und 1988 unter Magier Vlado Stenzel zum ersten Mal Bundesliga spielte. Die Unterschrift des Allrounders als spielender Trainer und die neue Kooperationsvereinbarung mit Erstligist HSV Hamburg, der fortan zu fast allen Spielen Rückraum-Kanonier Jan Schult abstellte, entpuppten sich als entscheidende Signale, wurden doch so Leistungsträger wie der auch von Erstligisten umworbene Linksaußen Dennis Tretow gehalten. Ein weiterer Volltreffer war die Verpflichtung von Tobias Skerka. Im Februar noch in Ahlen in letzter Minute losgeeist, belebte der bundesligaerprobte Rechtshänder den VfL-Rückraum nicht nur mit wichtigen Toren. "Tobi hat uns in die zweite Liga gebracht", ist sich Teammanager Friedrichs sogar sicher - und das exakt 20 Jahre nach dem letzten VfL-Aufstieg aus der dritten Liga.

1988 führte Michael Magull, der jetzt in Schwartau ein Sportgeschäft betreibt, die Mannschaft als Kapitän aufs Feld, jetzt dirigierte der 46-Jährige das Team um Kapitän Matthias Hinrichsen als Co-Trainer. "Der Aufstieg jetzt war sogar noch schöner", legte sich Magull fest und hatte sich auf ein Wiedersehen mit seinem damaligen Trainer Vlado Stenzel gefreut. "Wir hatten ihn eingeladen, doch er konnte nicht, will aber zum ersten Heimspiel kommen."

Die Planungen für die neue Saison laufen in Schwartau bereits auf Hochtouren - und das mit einem klaren Nein zu Erstliga-Hirngespinsten und Etat-Blasen. "Wir haben aus den Fehlern gelernt", erklärt Sven Jonas. Als Geschäftsführer der "HM Handball Marketing" lehnt er finanzielle Experimente ab. Ausländer oder Profis sind kein Thema. "Handball gibt es bei uns weiter nur nebenher." Bereits eine Woche nach dem Aufstieg präsentierte er das neue Gesicht der Zweitliga-Mannschaft. "Wir suchen noch einen Torhüter und einen Allrounder. Der Kader bleibt zum Großteil aber zusammen", sagt Jonas. "Es wird eine gute Mischung aus Talenten der Region und erfahrenen Spielern sein." Fest steht, dass der ehemalige Junioren-Nationalspieler Toni Podpolinski (21/Rückraum rechts) vom Zweitligisten Cottbus an die Schwartau wechselt. Auch Patrick Starke (20/AMTV Hamburg) sowie die Stockelsdorfer DHB-Auswahl-Talente Finn (17) und Sören (19) Schäfer haben zugesagt. Mit "Tiffy" Schlegel rückt zudem ein alter VfLer als Co. an die Seite von Spielertrainer Knorr. Zudem kann Schwartau weiter auf die Partnerschaft mit dem HSV zählen. "Mit der zweiten Liga als Unterbau haben auch wir mehr Möglichkeiten der Zusammenarbeit", erklärte Hamburgs Sportlicher Leiter Christian Fitzek, der weiter Jan Schult und eventuell auch Keeper Jürgen Müller per Zweitspielrecht entsenden will.

Auch das kommt an: Schwartau plant trotz der Aufstiegseuphorie in punkto Saisonziel und Zuschauerzuspruch eher konservativ. "Die Mannschaft hat tierisch Bock auf die zweite Liga, doch unser Ziel ist ganz klar der Klassenerhalt", sagt Knorr. Und gut 2000 erhoffte Zuschauer sollen in den 17 Heimspielen dabei mit helfen. "Wir kalkulieren", so Jonas, "aber nur mit 600, davon 200 Dauerkarten." Doch diese Marke (Einnahme 20.000 Euro) wurde schon sieben Tage nach dem Start des Ticketverkaufs geknackt.

Erfreulich zudem: Aus dem jetzigen Pool von rund 80 Förderern "wollen 99 Prozent bleiben, zehn weitere, darunter drei überregionale, haben angeklopft" (Jonas). Flagge zeigten bereits die Schwartauer Werke als neuer Hauptsponsor. Ein Meilenstein, zeigt doch das Engagement des Oettker-Hauses nach 20-jähriger Enthaltsamkeit, dass beim VfL jetzt seriös gearbeitet wird. "Die örtliche Wirtschaft wird mithelfen, dass wir in der Bundesliga bleiben", versprach auch Schwartaus Bürgermeister Gerd Schuberth. Walter Biewer, stellvertretender Bürgervorsteher, wagte sich sogar ganz weit vor: "Wenn ihr in die erste Liga aufsteigt, zeigen wir in unserem neuen Kino den Film ,Das Wunder von Bad Schwartau'", rief er den Spielern beim Empfang im Rathaus zu. Doch das ist beim VfL selbst in noch so bierseliger Aufstiegseuphorie kein Thema.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 23.05.2008)


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