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23.12.2008 Interview

Zebra-Interview mit Stefan Lövgren: Auf dem Weg zurück

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Stefan Lövgren: "Es wird ein Abschiedsspiel geben."
Klicken Sie für weitere Infos! Stefan Lövgren: "Es wird ein Abschiedsspiel geben."

Am Ende der Saison verlässt Mannschaftskapitän Stefan Lövgren nach zehn Jahren im schwarz-weißen Dress den THW Kiel und kehrt in seine schwedische Heimat zurück. Im ZEBRA-Interview spricht er über seine Gefühle, das neue Leben in Schweden und die Probleme des Handballs.
Zebra:
Stefan, was machen Sie am 6. Juni 2009?
Stefan Lövgren:
Da werde ich mein letzte Pflichtspiel für den THW Kiel bestreiten, zum letzten Mal in die Sparkassen-Arena einlaufen und diese tolle Atmosphäre spüren.
Zebra:
Haben Sie Angst vor diesem Moment?
Stefan Lövgren:
Ich habe mir bisher darüber kaum Gedanken gemacht. Wir stecken mitten in der Saison - aber irgendwann kommen die Gedanken. Der 6. Juni ist der Nationalfeiertag der Schweden - irgendwie passt das zum Anlass. Natürlich wäre es schön, wenn wir vor dem Spiel gegen Flensburg schon Deutscher Meister wären, damit ich mein letztes Spiel richtig genießen könnte. Aber daran glaube ich nicht. Es wird spannend bleiben.
Zebra:
Wie geht's dann weiter?
Stefan Lövgren:
Es folgt der praktische Teil, der Umzug. Das Haus in Schweden ist beinahe fertig. Und dann beginnt ein neues Leben.
Zebra:
Sie werden Lehrer an einem Handball-Gymnasium.
Stefan Lövgren:
Ja, an einem von fast 30 John-Bauer-Gymnasien. An vier Standorten können die Schüler den Schwerpunkt Handball wählen - einen davon darf ich in Uddevalla mitgestalten.
Zebra:
Wie sieht das konkret aus?
Stefan Lövgren:
2009 startet die Handballsparte der Schule. Ich baue diese von Anfang an mit auf und organisiere die Abläufe. Früher hat man ein Schulpraktikum im Betrieb des Vaters oder der Mutter absolviert, die Schüler des John-Bauer-Gymnasiums sollen praktische Erfahrungen als Handballer im Austausch mit anderen europäischen Handballschulen sammeln. Das soll ich mit meinen Kontakten realisieren. Natürlich bin ich auch für die praktische Arbeit mit den Schülern zuständig.
Zebra:
Sie gehen auch in die Wirtschaft?
Stefan Lövgren:
Gemeinsam mit dem ehemaligen THW-Rechtsaußen Martin Schmidt, der im Sommer seine Tätigkeit als Marketingleiter für den THW beenden wird, betreibe ich eine Agentur für Sport und Business. Wir wollen Spieler und Vereine beraten. Ich bin natürlich für die schwedischen Klubs zuständig, die längst noch nicht soweit wie die deutschen sind. Gleichzeitig wollen wir auch außerhalb des Handballs Kontakte zwischen schwedischen und deutschen Firmen herstellen und sie bei ihren Geschäften beraten.
Zebra:
Heißt das, sie nehmen die Talente der Schule gleich unter Vertrag?
Stefan Lövgren:
Nein, das muss man trennen, damit es nicht zu einem Interessenkonflikt kommt. Ein guter Spielerberater muss Erfahrungen im Handball haben und die Lage analysieren können: Ist der Verein mit diesem Trainer und dieser Taktik richtig für den Spieler? Und diese Erfahrungen und Möglichkeiten haben wir.
Zebra:
Hatten Sie bei Ihrem Wechsel nach Deutschland einen Berater?
Stefan Lövgren:
Ja, das war schön. Ich konnte mich auf den Handball konzentrieren. Der Berater hat die Anfragen sortiert und den ersten Kontakt hergestellt. Dafür muss man aber wissen, was der Spieler will.
Zebra:
Warum sind Sie erst mit 27 Jahren in die Bundesliga gewechselt?
Stefan Lövgren:
Ich habe mich erst spät entwickelt. Meinen Durchbruch mit der Nationalmannschaft hatte ich 1994/95, da war ich schon 25 Jahre alt. Neben dem Handball hatte ich aber eine sehr gute Arbeitsstelle, meine Frau auch. Als ich dann das Gefühl hatte, meine handballerische Entwicklung in Schweden sei ausgereizt, wurden die Angebote aus Deutschland auch finanziell besser, und ich habe den Schritt gewagt.
Zebra:
Haben Sie diesen bereut?
Stefan Lövgren:
Nein. Zuerst sagt man sich: "Wir machen das als Abenteuer. Wenn es nicht funktioniert, fahren wir wieder nach Hause." Das ist so eine Art Schutzmechanismus. Aber ich wollte das Beste aus der Situation machen.
Zebra:
Und daraus sind zehn Jahre geworden.
Stefan Lövgren:
Wir haben uns wohlgefühlt und ziemlich schnell bemerkt, dass das ein längeres Abenteuer werden könnte (lacht). Wenn mir damals aber jemand gesagt hätte, in zehn Jahren würde ich noch immer beim THW Kiel spielen und soviele Titel gewonnen haben, hätte ich ihn für verrückt erklärt.
Zebra:
Würden Sie mir widersprechen, wenn ich behauptete, Sie spielten jetzt in der Form Ihres Lebens?
Stefan Lövgren:
Ja. Aber wenn Sie sagen, ich spiele besser als in den letzten drei Jahren, habe ich nichts dagegen. Ich habe im vergangenen Sommer acht Wochen Urlaub gehabt, die Kinder hatten aber noch keine Ferien. Also konnten wir nicht wegfahren. Deshalb habe ich mit dem neuen Krafttrainer mein persönliches Programm durchgezogen, das hat den Körper unheimlich gestärkt. Die Adduktoren und der Rücken machen weniger Probleme als in den letzten Jahren - das merke ich im Spiel.
Zebra:
Und trotzdem wollen Sie Ihre Karriere beenden?
Stefan Lövgren:
Ich hätte auch noch ein paar Jahre dranhängen können. Nicht beim THW, aber bei einer anderen Mannschaft, die weniger Spiele zu absolvieren hat. Ich will aber mit dem Gefühl aufhören, einer Mannschaft noch helfen zu können und zum Erfolg beizutragen.
Zebra:
Gibt es ein Abschiedsspiel?
Stefan Lövgren:
Ja, es wird eines geben, aber wir sind mit den Planungen noch nicht soweit. Es ist schon ein komisches Gefühl, ein Spiel erleben zu dürfen, in dem man selbst der Mittelpunkt ist.
Zebra:
Fällt Ihnen der Abschied schwer?
Stefan Lövgren:
Klar. Wir haben hier unsere Familie gegründet, unsere Kinder werden ihr Leben lang in ihrem Pass den Geburtsort Kiel stehen haben. Wir haben hier gemeinsam vieles zum ersten Mal gemacht. Das prägt.
Zebra:
Fühlen Sie sich jetzt als Auswanderer oder geht es nun für Sie zurück in die Heimat?
Stefan Lövgren:
Heimat ist da, wo man geboren ist oder die Eltern wohnten. Das wird immer Heimat bleiben. In Schweden leben viele Freunde, unsere Verwandte und die Familie. Ein Leben mit Oma und Opa kann man einfach nicht ersetzen. Deshalb ist es schön, zurückzukehren. Auf der anderen Seite werden wir vieles vermissen. Den Alltag, die Menschen, die man hier außerhalb des Spielfeldes kennengelernt hat. Einfach wird der Schritt nicht - besonders für die Kinder. Aber ich hoffe, dass sie in Schweden schnell neue Freunde finden.
Zebra:
War die Rückkehr immer geplant?
Stefan Lövgren:
Tatsächlich war das immer im Hinterkopf. Und jetzt kam eben das Jobangebot.
Zebra:
Können Sie sich eine Zukunft als Bundesliga-Trainer vorstellen?
Stefan Lövgren:
Eine Bundesliga-Mannschaft übernimmt man nicht einfach so. Da gehört schon einiges dazu. Erst einmal kann ich mir aber eine Trainerkarriere nicht vorstellen. Ich möchte einfach ein bisschen Abstand vom Handball-Rhythmus haben. Aber ich bleibe dem Handball ja als Lehrer und mit der Agentur treu .
Zebra:
Was werden Sie an ihrem bisherigen Leben vermissen?
Stefan Lövgren:
Ganz bestimmt nicht den Morgen nach dem Spiel, wenn der ganze Körper schmerzt. Das Problem: Früher tat einem nach einem Spiel auch alles weh, aber am nächsten Tag war man wieder fit. In meinem jetzigen Alter braucht der Körper aber drei Tage zur Regeneration - und dann steht schon das nächste Spiel an. Mein Leben ist perfekt - bis auf die Schmerzen.
Zebra:
Ist der Rhythmus zu hart?
Stefan Lövgren:
Die Jungs, die heute mit 20 Jahren zu einem Spitzenverein kommen, werden auf keinen Fall solange spielen können wie ich. Am Anfang meiner Karriere gab es zum Beispiel keine Champions League. Dazu die Entwicklung mit der Schnellen Mitte, alles ist härter geworden - die einzige Möglichkeit, den Körper zu schonen, ist irgendwann der Nationalmannschaft eine Absage zu erteilen oder zu einem Klub zu gehen, der nicht im Europapokal spielt. Aber welcher Topspieler möchte das?
Zebra:
Ist dann die Einführung neuer Wettbewerbe nicht Wahnsinn?
Stefan Lövgren:
Alle verdienen damit ihr Geld. Solange der Handball sich nicht andere Geldquellen erschließt, wird sich also nichts ändern. Eine Lösung müssen alle Beteiligten gemeinsam entwickeln. Der Handball muss aufpassen, dass er seine Stars nicht zu früh verliert.
Zebra:
Wie meinen Sie das?
Stefan Lövgren:
Früher haben nur ältere Spieler ihre Karriere in der Nationalmannschaft beendet. Heute sagt ein Lijewski, dass er so nicht mehr weitermachen kann. Wenn zwei oder drei Stars das ebenso machen, profitiert niemand mehr von der Nationalmannschaft. Soweit sind wir noch nicht. Aber der Prozess hat begonnen. Die Spieler werden ehrlicher. Sie wissen: Wenn sie keine internationale Pause einlegen, gehen sie das Risiko, nicht mehr lange zu spielen.
Zebra:
Meinen Sie, am Terminplan wird sich etwas ändern?
Stefan Lövgren:
Leider nein. Wir diskutieren darüber schon sechs, sieben Jahre. Solange sich die Spieler nicht organisieren, wird sich nichts ändern.
Zebra:
Haben Sie persönliche Wünsche?
Stefan Lövgren:
Natürlich wünscht man sich Gesundheit für die Familie, sich selbst und die Mannschaftskollegen. Dann hoffe ich natürlich, dass der Übergang von Deutschland nach Schweden unproblematisch wird - besonders für die Familie. Und dann möchte ich noch einen Titel gewinnen.
Zebra:
Welcher darf's denn sein?
Stefan Lövgren:
Das kann man sich nicht aussuchen. Titel haben nicht nur mit Sport zu tun. Das richtige Team muss zur richtigen Zeit das Richtige tun, dazu braucht man dann auch noch Glück. Ich will aber die Menschen auf dem Rathausplatz noch einmal feiern sehen!
(Das Gespräch führte Christian Robohm, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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