10.01.2009 | Bundesliga |
Der olympische Status sei "absolut in Gefahr", bekräftigt auch Hans Holdhaus. Der österreichische Anti-Doping-Experte lässt seine Funktion in der medizinischen Kommission der IHF derzeit ruhen, um seinen ausgezeichneten Ruf als Wissenschaftler nicht zu gefährden. Das, was er berichtet, hört sich abenteuerlich an: Das Budget der medizinischen Kommission für das Jahr 2008 sei seitens des ägyptischen IHF-Präsidenten Hassan Moustafa und dem spanischen IHF-Schatzmeister Miguel Roca ersatzlos gestrichen worden, erklärt Holdhaus. Zudem habe die IHF-Führung die Anti-Doping-Einheit der IHF aufgelöst. "Keiner weiß, warum. Das ist nicht nachvollziehbar", sagt Holdhaus.
Noch gravierender ist, dass die IHF bislang nicht die obligatorischen Vor-Wettkampf-Kontrollen durchführen lässt, wie das WADA-Schreiben dokumentiert. Holdhaus: "Der Präsident möchte über jeden einzelnen Test, der vor dem Wettkampf angesetzt wird, informiert werden." Sein Versuch, "dem Präsidenten erklären, dass das den internationalen Standards im Anti-Doping-Kampf widerspricht", sei gescheitert. Die dänische Professorin Inge-Lis Kastrup, weiteres Mitglied der medizinischen Kommission, bestätigt alle Vorwürfe von Holdhaus. "Unabhängige Doping-Kontrollen" seien derzeit nicht zu garantieren, lässt die dänische Wissenschaftlerin wissen. "Unter diesen Bedingungen macht es keinen Sinn weiterzuarbeiten", sagt Holdhaus. Die aktuelle Anti-Doping-Politik der IHF-Spitze bezeichnet er schlicht als "irre" und "ein Trauerspiel".
Die IHF-Administration in Basel dementiert. Der Vorgang sei ihm "unbekannt", erklärt IHF-Geschäftsführer Ekke Hoffmann. "Für Kroatien sind mit Francois Gnamian und Ridha Mokni zwei Leute aus der medizinischen Kommission eingesetzt, alles ist organisiert, es finden Dopingkontrollen statt", so Hoffmann. Holdhaus bescheinigt er einen exzellenten Ruf: "Es wäre schade, wenn ein solcher Fachmann nicht weiter für die IHF arbeiten würde."
Die IHF gilt freilich nicht als Vorreiter in Sachen Doping-Bekämpfung. Während bei der WM 2003 in Portugal noch knapp 100 Athleten kontrolliert wurden, waren es bei der WM 2007 in Deutschland nur 72. Geradezu spektakulär war der Skandal beim vorolympischen Turnier 2004 in Athen. Als bekannt wurde, dass routinemäßige Kontrollen stattfinden würden, setzte die ägyptische Teamleitung fast die Hälfte der Mannschaft auf die Tribüne.
WADA und das IOC, dessen Präsident Jacques Rogge stets die große Bedeutung der Dopingbekämpfung unterstreicht, dürften jedenfalls die bisherige Anti-Doping-Politik der IHF nicht durchgehen lassen. Einen "strengen Blick" auf die Verbände versprach WADA-Präsident John Fahey zuletzt im November 2008 und setzte eine allerletzte Frist: Bis Mai 2009 müssen alle WADA-Code-Bestimmungen erfüllt sein. Ansonsten sei eine Suspendierung einer Sportart schon vor London 2012 möglich. Moustafa und seine Kollegen an der IHF-Spitze treiben also ein gefährliches Spiel. Eines, das die Existenz einer ganzen Sportart bedroht.
(Von Erik Eggers, aus den Kieler Nachrichten vom 10.01.2009)
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