Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Washington, Göteborg, Kiel, Zagreb - kein schlechtes
Reiseprogramm.
Henrik Lundström
denkt nur zu gern an jede Station zurück und erzählt im
ZEBRA-Interview von Urlaubsreisen, der
Handball-Weltmeisterschaft und seinem
Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen und der Börse.
- Zebra:
-
Die Weltmeisterschaft liegt keine drei
Wochen zurück - wie können Sie so schnell auf den "Alltag"
beim THW Kiel umschalten?
- Henrik Lundström:
-
Das geht recht einfach. Nach so einem großen Turnier haben wir
Jungs uns eine Menge zu erzählen, weil wir viel erlebt haben.
Aber auf das Spiel im Verein und auf die taktischen Feinheiten
hat so eine Pause keine großen Auswirkungen.
- Zebra:
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Sind Sie zufrieden mit dem Auftreten "Ihrer" Nationalmannschaft?
- Henrik Lundström:
-
Von 24 Mannschaften auf dem siebten Platz zu landen ist ganz
okay. Ich selbst konnte leider aufgrund einer Zerrung in der
Wade nicht so viel spielen wie erhofft. Ich bin aber zufrieden
damit, dass wir mit dieser jungen Truppe, die ein Durchschnittsalter
von ungefähr 24 Jahren hat, es so weit geschafft haben. In unserem
Team waren drei Debütanten dabei - für die Zukunft haben wir eine
tolle Ausgangsposition geschaffen.
- Zebra:
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Was hatten Sie sich vorgenommen?
- Henrik Lundström:
-
Wir wollten die Vorrunde überstehen und in die Hauptrunde einziehen.
Das ist uns gelungen. Nach dem Spiel gegen die Franzosen waren wir
enttäuscht, letztlich haben wir da aber auch gegen den späteren
Weltmeister verloren.
- Zebra:
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Wie haben Sie die Stimmung in Kroatien empfunden?
- Henrik Lundström:
-
Wir haben zusammen mit Kroatien in einer Gruppe gespielt. Unsere
Spiele wurden um 18.30 Uhr angepfiffen, deren Spiel dann zwei Stunden
später. In der letzten Viertelstunde unserer Partie strömten die
kroatischen Fans nur so auf die Ränge und haben eine tolle Stimmung
gemacht. Es war schon ein tolles Erlebnis. Nach unserer Partie sind
wir auch immer noch ein wenig sitzen geblieben und haben das zweite
Spiel des Tages zur Hälfte gesehen.
- Zebra:
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Lässt man sich als Spieler von der Atmosphäre anstecken?
- Henrik Lundström:
-
Es macht Spaß vor so einer Kulisse zu spielen, ganz klar. Aus Kiel
sind wir aber eine ähnliche Stimmung gewöhnt! In Kroatien sind die
Anhänger zum Teil nur noch fanatischer, ein bisschen sind sie zu
vergleichen mit Fußballfans.
- Zebra:
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Und die nationalistischen Vorkommnisse?
- Henrik Lundström:
-
Wir alle haben mitbekommen, wie es Spannungen zwischen der serbischen
Nationalmannschaft und den kroatischen Fans gab. Wir Schweden waren
allerdings in einer anderen Stadt untergebracht. Die unschönen Szenen
hatten, wie wir alle wissen, jedoch politische Gründe und nichts mit
dem Sport zu tun. Schade, dass es zu solchen Szenen gekommen ist.
- Zebra:
-
Wie war das Medienecho in der Heimat auf Ihre WM-Spiele?
- Henrik Lundström:
-
Ein großer schwedischer Fernsehsender zeigt besonders zu Europameisterschafts-
und Weltmeisterschaftszeiten viel Handball. Bei diesen Events schauen viele
Schweden unseren Sport - natürlich haben wir auch in Kroatien über
schwedisches Fernsehen im Internet und viele Zeitungen im Netz einen
Teil der Euphorie in der Heimat gespürt.
- Zebra:
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Fühlten Sie Druck aus der Heimat?
- Henrik Lundström:
-
Natürlich ist so etwas abhängig davon, wie unsere Spiele verlaufen.
Ich habe jedoch damit überhaupt kein Problem und lasse mich von
Zeitungsartikeln und Fernsehberichten nicht verunsichern oder beeinflussen.
- Zebra:
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Welche Ziele nehmen Sie nun mit den "Tre Kronor" in Angriff?
- Henrik Lundström:
-
Bei uns stehen Spiele für die Qualifikation zur Europameisterschaft
an. Nach drei Spielen und drei Siegen haben wir bis jetzt eine gute
Ausgangsposition. Wenn wir nun noch im März gewinnen, sind wir so
gut wie dabei. Unser großes Ziel ist aber natürlich ein gutes
Abschneiden bei der WM 2011 in Schweden. Schon heute wird viel
über dieses Event in meiner Heimat gesprochen.
- Zebra:
-
Hatten Sie trotz der WM immer ein Auge auf die Ereignisse in Kiel?
- Henrik Lundström:
-
Spurlos an uns vorbei gezogen ist das nicht. Auch im Ausland bekommt
man mit, was in Kiel in der Presse steht. Ich teile mir bei der
Nationalmannschaft das Zimmer mit Kim Andersson,
und wir haben schon einen Blick auf die THW-Homepage geworfen.
- Zebra:
-
Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
- Henrik Lundström:
-
Vielleicht. Ich sehe es ein wenig gelassen, weil ich selbst nicht viel
machen kann. Wir spielen inzwischen vier bis fünf Jahre so zusammen,
doch im Profisport ist es so, dass mal einer geht und ein neuer Spieler hinzukommt.
- Zebra:
-
Sie stehen trotz guter Leistungen selten im Fokus der Medien. Stört Sie das?
- Henrik Lundström:
-
Das ist völlig in Ordnung für mich. Ich habe kein Problem damit, wenn
über mich berichtet wird, jedoch auch nicht, wenn ich nicht so oft
erwähnt werde. Im Mittelpunkt stand ich noch nie, ich habe nur etwas
gegen falsche Berichterstattung.
- Zebra:
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Neben dem Handball gehört das Golfen zu Ihren großen Leidenschaften ...
- Henrik Lundström:
-
... nur finde ich dafür momentan so gar keine Zeit. Im letzten Sommer
hatte ich einmal die Möglichkeit, in Schweden Golf zu spielen. Das ist
wahrlich nicht viel, und das Schlimme ist ja, dass man mit der Zeit aus
der Übung kommt. Vielleicht nehme ich aber bald einmal meinen ältesten
Sohn Colin mit auf die Driving Range.
- Zebra:
-
Missfällt Ihnen an Ihrem Beruf, dass wenig Zeit für die Familie bleibt?
- Henrik Lundström:
-
Natürlich würde man liebend gern mehr Zeit mit der Familie oder den
Hobbys verbringen. Doch nirgendwo anders kann man auf diesem Niveau
Handball spielen und erreicht so viel wie beim THW Kiel. Da sollte
man nicht traurig sein, sondern es schätzen, einen Traum leben zu dürfen.
- Zebra:
-
Ihr großer Traum ist es auch, ein zweites Mal nach New York zu reisen ...
- Henrik Lundström:
-
Es ist noch gar nicht so lange her, da war ich fast "um die Ecke".
Im vergangenen Sommer waren wir mit der gesamten Familie in Washington
und haben meine dort lebende Schwester besucht. Viel Zeit für Sightseeing
oder sonstige Dinge blieb uns aber nicht. Und nach New York haben wir
es leider auch nicht geschafft.
- Zebra:
-
Was fasziniert Sie an dieser Metropole?
- Henrik Lundström:
-
Bei meinem ersten Besuch habe ich New York einfach als eine der
schönsten Städte kennen und lieben gelernt. Inzwischen bin ich
älter geworden, und auch die Stadt hat sich verändert. Meine
Erinnerungen sind ein wenig verwischt, so dass ich unbedingt nach
der sportlichen Karriere noch einmal nach New York fliegen werde.
Vorher bleibt wohl wenig Zeit. Die Wochen, die wir frei haben,
verbringen ich mit meiner Frau und meinen Kindern meist in unserer
Heimat in Göteborg.
- Zebra:
-
Was interessiert Sie am Reisen?
- Henrik Lundström:
-
Es ist spannend, neue Menschen kennen zu lernen und sich mit
anderen Kulturen vertraut zu machen. Deutschland und Schweden
sind sich von der Mentalität her sehr ähnlich, so dass es hier
wenig Unterschiede gibt. Reist man weiter gen Süden, sieht es
schon anders aus und man trifft auf einen ganz anderen, interessanten
Typ Mensch. Das ist faszinierend.
- Zebra:
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Gleichzeitig interessieren Sie sich aber auch für Zahlen ...
- Henrik Lundström:
-
Ja, seit den letzten Jahren meiner Schullaufbahn interessiere
ich mich für Wirtschaft. Ich lese viele schwedische Wirtschaftszeitungen
und bin in dieser Hinsicht immer up to date. Ab und zu riskiere ich
auch ein Blick an die Börse. Ich kenne mich nicht wirklich gut aus,
es fasziniert mich jedoch, wie dieser Mechanismus funktioniert.
Manchmal gebe ich einem Mitspieler auch einen Tipp, auf was er
setzen soll. Ob das gut geht, weiß man nur nie ...
- Zebra:
-
Sehen Sie ihre berufliche Zukunft in der Wirtschaft?
- Henrik Lundström:
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Ich kann mir durchaus vorstellen, dieses Interesse in meine berufliche
Zukunft nach der sportlichen Karriere miteinzubauen. In letzter Zeit
mache ich mir auch mehr Gedanken über die Zeit nach dem Handball: Je
älter man wird, desto mehr denkt man über später nach. Ich habe viele
Ideen, richtig feststehen tut aber noch lange nichts.
- Zebra:
-
Zurück in die Gegenwart. Ihre Ziele mit dem THW?
- Henrik Lundström:
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Wir wollen gewinnen, was möglich ist - und das ist ja schon eine
ganze Menge. In der Bundesliga könnten wir am Ende ganz oben stehen,
der Gewinn der Champions League wäre ein Traum, und auch im Pokal
sind wir noch dabei. Also sind die Ziele klar gesteckt, auch wenn
es schwer wird, erneut ein Triple zu gewinnen.
(Das Gespräch führte Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)