Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Training, Lernen, Training - so sah wochenlang der Tagesrhythmus von
Moritz Weltgen aus. BWL-Studium, TSV Altenholz
und der THW Kiel: Diese Dreifach-Belastung erfordert viel
Fleiß.
Im ZEBRA-Interview spricht
Weltgen über das Studium, die Belastungen
und sportliche Probleme.
- Zebra:
-
Vor drei Jahren kamen Sie nach Kiel. Was hat sich seitdem verändert?
- Moritz Weltgen:
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So ziemlich alles. Damals kam ich direkt von der Schule,
habe in Kiel angefangen meinen Bundeswehrdienst zu leisten
und war neu in zwei Handballteams. Inzwischen bin ich hier
zuhause, mit meiner Freundin Jule zusammengezogen, habe
mich ein wenig vom Elternhaus abgekoppelt und habe
gelernt, selbstständig zu sein.
- Zebra:
-
Können Sie sich noch an den ersten Tag beim THW Kiel erinnern?
- Moritz Weltgen:
-
Na klar! Das erste Treffen war beim Foto-Shooting in der Sparkassen-Zentrale.
Als Neuling und junger Handballer hatte ich da ganz
schön die Hosen voll. Die "großen" THW-Spieler
kannte ich zuvor nur aus dem Fernsehen - und dann
sollte ich mit ihnen auf ein Mannschaftsbild.
Lustig war auch das Bild meines kleinen Golfs
zwischen den großen Audis auf dem Parkplatz (lacht).
Inzwischen ist von meiner Scheu nicht mehr viel da.
Ich habe Respekt, aber in den letzten drei Jahren
bin ich in die Mannschaft reingewachsen.
- Zebra:
-
Ihr Stammverein ist der TSV Altenholz. Dort sind Sie Kapitän geworden.
- Moritz Weltgen:
-
Unser Trainer, Jens Häusler, fragte mich, ob ich diese Aufgabe
mit Torge Greve gemeinsam übernehmen möchte. Ich habe
mich gefreut. Es ist ein Vertrauensbeweis, als junger
Spieler zum Mannschaftskapitän gemacht zu werden.
Das macht mich schon ein wenig stolz.
- Zebra:
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Was für Aufgaben hat ein Kapitän?
- Moritz Weltgen:
-
Wenn es Probleme in der Mannschaft gibt, bespreche
ich diese mit dem Trainer und habe die Vermittlerrolle.
Unser Trainer möchte zu vielen Dingen meine Meinung
wissen. Ich finde es jedoch gut, wenn man keine
Sonderrolle innehat, sondern wenn es genauso
menschlich und diszipliniert abläuft wie beim
THW Kiel. Stefan Lövgren
ist dort mit seiner Aufgabe eins geworden und ist in dieser
Hinsicht ein Vorbild für mich.
- Zebra:
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Mit dem TSV stehen Sie zurzeit auf einem Abstiegsplatz. Spüren Sie die Anspannung?
- Moritz Weltgen:
-
Es wäre schlimm, wenn man so eine Stimmung nicht spüren würde. Aber
natürlich wird auch bei uns noch gelacht. Die Trainingseinheiten
sind jedoch im Vergleich zum Saisonbeginn aggressiver
geworden, und wir schreien uns schon mal an. Man merkt eine gewisse Angespanntheit.
- Zebra:
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Warum reicht es nie zum Sieg?
- Moritz Weltgen:
-
Wenn ich das nur wüsste. Letztes Jahr haben wir gesagt,
es war unsere Unerfahrenheit, die uns fast hat
absteigen lassen. Das kann man heute nicht mehr
sagen. Vielleicht ist es die Angst vor der eigenen Courage.
- Zebra:
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Steht man als Spieler hilflos da?
- Moritz Weltgen:
-
Gerade bei einem der letzten Spiele gegen Ahlen ging es
mir so. In der letzten Sekunde bekommen die einen
direkten Freiwurf, treffen und gewinnen mit
einem Tor. Danach konnte ich absolut nichts
sagen, nicht zu meiner Familie, nicht zur
Mannschaft, nicht zur Presse. Da ist man
einfach ratlos. Der Trainier versucht, uns Mut
zu machen, spart aber auch nicht mit Kritik,
denn das ist nicht nur Pech.
- Zebra:
-
Wie ist es, in so einer Situation in zwei Vereinen zuhause zu sein?
- Moritz Weltgen:
-
Es sind einfach zwei unterschiedliche Welten, man kann das nicht
miteinander vergleichen. Beim THW Kiel gibt es in dieser
Saison nur das Gewinnen. Jeder hier hat auch dieses
Gefühl von Sicherheit, das uns in Altenholz völlig
fehlt. Obwohl wir auch da alle noch davon überzeugt
sind, es zu schaffen. Wenn wir jedoch immer wieder
Nackenschläge bekommen, ist das nicht so einfach.
- Zebra:
-
Ist das Training beim THW Kiel für Sie eine Hilfe?
- Moritz Weltgen:
-
Wirklich abschalten kann ich nicht, wenn ich beim THW bin.
Daniel Wessig und ich haben ja auch
nur einen minimalen Anteil am Geschehen, also liegt
unser Hauptaugenmerk schon auf dem TSV Altenholz.
Selbst Spieler wie Dominik Klein oder
Markus Ahlm kommen dann auf uns zu und
fragen, was bei uns los ist.
- Zebra:
-
Einige THW-Spieler interessieren sich für Ihren TSV?
- Moritz Weltgen:
-
Ja, Christian Zeitz oder Dominik Klein
sind auch des Öfteren mal bei unseren Spielen in der Halle.
Wenn wir am Wochenende gespielt haben und montags dann
mit ihnen trainieren, kommen auch mal blöde Sprüche.
Die Jungs lesen ja auch die Zeitung und wissen,
wie es gelaufen ist. Das Erfolgsrezept haben sie
aber auch nicht, einige sagen ihre Meinung.
Wenn ich mich dann mit Stefan Lövgren
darüber in Ruhe unterhalte, hilft mir das. Da höre ich zu
und versuche, auch Ratschläge umzusetzen.
- Zebra:
-
Fühlen Sie sich in beiden Teams zuhause?
- Moritz Weltgen:
-
In beiden Mannschaften fühle ich mich wohl, nur ist natürlich
mein Stellenwert in den Teams unterschiedlich. In
Altenholz spiele ich fast 60 Minuten durch, bin Kapitän
und übernehme Verantwortung. Das ist mit dem THW nicht
zu vergleichen, da bin ich froh über jede Minute Spielpraxis.
- Zebra:
-
Müssen Sie sich manchmal für ein Training entscheiden?
- Moritz Weltgen:
-
Da haben wir Spieler mit Zweitspielrecht wenig Mitspracherecht.
Alfred Gislason und Jens Häusler
stimmen sich ab und schicken uns dann zu den jeweiligen
Trainingseinheiten.
- Zebra:
-
Schenkt Alfred Gislason Ihnen viel Vertrauen?
- Moritz Weltgen:
-
Es macht unter Alfred richtig viel Spaß.
Das Training ist ein anderes. Er redet mehr mit uns Spielern,
und ich habe das Gefühl, er geht auf uns viel mehr ein.
Dass er uns Altenholzer mit auf die Bank nimmt und
uns bei passender Gelegenheit das Vertrauen schenkt, ist toll.
- Zebra:
-
Machen Sie sich Gedanken über die sportliche Zukunft?
- Moritz Weltgen:
-
Ganz ausblenden kann ich diese Gedanken nicht. Ich frage mich,
was wohl passieren wird, wenn wir tatsächlich absteigen, und was
ist, wenn die eingleisige zweite Bundesliga kommt. Ich versuche,
das realistisch zu sehen: Wir haben noch zehn Spiele. Was
danach ist und wo ich dann spiele, weiß ich heute noch nicht.
- Zebra:
-
Rockmusik ist eines Ihrer Hobbys. Auf welchen Konzerten waren Sie zuletzt?
- Moritz Weltgen:
-
Vergangenes Jahr hab ich die Red Hot Chilli Peppers live gesehen.
Im Juni wollen wir zu den Toten Hosen. Viele Konzerte schaue
ich mir aber auch nur im Fernsehen oder auf DVD an, da
ich nicht immer Lust habe, dafür weit zu fahren.
- Zebra:
-
Was bedeutet Musik für Sie?
- Moritz Weltgen:
-
Das hängt von der Situation ab: Wenn ich zu einem Spiel fahre, höre ich
meist schnelle, laute Musik. Liege ich auf dem Sofa, ist das
natürlich anders. Aber Musik ist wichtig für mich, und
eigentlich höre ich sie in jeder Lebenslage.
- Zebra:
-
Spielen Sie ein Instrument?
- Moritz Weltgen:
-
Kein einziges! Meine Eltern haben früher viel dafür getan,
dass ich ein musikalischer Sohn werde. So habe ich damals
gelernt, Blockflöte zu spielen und war im Chor - sinnlos.
Nichts ist davon hängen geblieben (lacht).
- Zebra:
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Neben der Handball-Doppelbelastung studieren Sie BWL.
- Moritz Weltgen:
-
Das ist vor allen Dingen eine Sache für den Kopf. In meinem
ersten Jahr in Kiel, mit Wehrdienst und Handball,
habe ich schnell gemerkt, dass mir etwas fehlt. Auch
wenn man das Lernen für Klausuren gerne mal verflucht:
Ich brauche auch so etwas.
- Zebra:
-
Warum ausgerechnet BWL?
- Moritz Weltgen:
-
Ich wollte etwas Breitgefächertes studieren und mich nicht
in meiner Berufswahl festlegen. Mit einem abgeschlossenen
BWL-Studium stehen mir am Ende mehrere Türen offen,
und ich muss mich nicht gleich für eine Sache entscheiden.
Ich hatte auch Jura und Medizin in der engeren Auswahl,
doch mit BWL bin ich am flexibelsten.
- Zebra:
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Wie bekommen Sie alles unter einen Hut?
- Moritz Weltgen:
-
Während des Semesters hat der Handball Priorität. Geht es in
die Klausurenphase, muss ich lernen. Training habe ich
dafür jedoch noch nie ausfallen lassen. Wenn eine
Klausur jedoch direkt in die Trainingszeit fällt,
setze ich andere Prioritäten.
Alfred Gislason gibt mir dann frei und
wünscht mir viel Glück.
- Zebra:
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Können Sie sich vorstellen, am Ende einen betriebswirtschaftlichen Beruf auszuüben?
- Moritz Weltgen:
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Erst einmal ist es wichtig, dass ich mir neben dem Handball
eine Basis für meine spätere Zukunft schaffe. Man verdient
im Handball keine Millionen. Ich kann zwar momentan
gut davon leben, es kommt jedoch eines Tages die Zeit,
in der man kein Handball mehr spielen kann. Was ich
danach genau mache, weiß ich aber noch nicht.
(Das Gespräch führte Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)