THW-Logo
25.04.2009 Verein

Kieler-Nachrichten-Abpfiff: Freie Fahrt für Verschwörungstheorien

Von KN-Redakteur Gerhard Müller

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.04.2009:

Auf dem Nährboden des Internets wachsen und gedeihen Verschwörungstheorien bestens. Wer nach diesem Begriff googelt, stößt auf 343 000 Seiten. Allein über die Mondlandungen gibt es 25 000. In Kiel, wo der THW Handball vom anderen Stern spielt und am Mittwoch mal wieder Meister geworden ist, beschäftigen sich Verschwörungstheoretiker bevorzugt mit der Manipulationsaffäre.
Dazu hat in dieser Woche ein Anrufer aus Nordrhein-Westfalen eine Geschichte erzählt, die in Kurzfassung wie folgt lautet: In einem Hotel in Wiesbaden unterhalten sich vier Gäste über Jesper Nielsen und die Rolle, die der gesprächige Gesellschafter der Rhein-Neckar Löwen im angeblichen Bestechungsskandal spielt. Nielsen, so behauptet ein Herr dieses Quartetts, habe ihm gesagt, er werde versuchen, Kieler Spieler mit Geld nach Mannheim zu locken, da er den THW platt machen wolle.

In THW-Kreisen wird diese Geschichte als gar nicht mal so unwahrscheinlich eingestuft. Grund: Vor etwas mehr als einem Jahr wollte Jesper Nielsen Hauptsponsor der "Zebras" werden. Mit seiner Kasi-Group soll der Däne eine Million Euro pro Saison geboten haben. THW-Manager Uwe Schwenker verhandelte daraufhin mit der Provinzial und erreichte eine Aufstockung des laufenden Vertrages von rund 650 000 Euro auf angeblich ebenfalls eine Million. Nielsen soll sich vom geschickten Schwenker benutzt gefühlt haben, investierte einen Teil seines mit Modeschmuck erworbenen Vermögens daraufhin bei den Rhein-Neckar Löwen und sann auf Rache.

Das ist natürlich eine Verschwörungstheorie, um das an dieser Stelle gleich klarzustellen, auch wenn Herr Nielsen sich reichlich Mühe gibt, Spekulationen zu fördern. Über ein Boulevardblatt ließ er am Mittwoch verbreiten: "Wenn ich Hauptsponsor in Kiel wäre, würde ich sofort vom Trikot gehen, bis alles aufgeklärt ist. Warum macht die Provinzial das nicht, steckt die auch mit drin?" Und dann verbreitete das Zentralorgan des selbst ernannten Chefaufklärers noch einen bemerkenswerten Satz: "Moral und Ethik interessieren den THW nicht."

Na, nun wissen wir ja, was Herrn Nielsen antreibt. Und dagegen ist wahrlich nichts zu sagen. Wer die Fahne von Moral und Ethik so hoch hält, dem gebührt Anerkennung, zumal gerade die professionell betriebene Leibesertüchtigung mit diesen beiden Begriffen so ihre Probleme hat. Nehmen wir nur die aktuellsten Meldungen aus der Betrugssportart Doping: Gestern bestätigte Handball-Bundesligist TBV Lemgo, dass in der A-Probe von Martin Galia Octopamin gefunden worden sei, das im Blut eines Torhüters nichts zu suchen hat, weil es die Erregbarkeit von Muskelzellen fördert. Zwei Tage zuvor erregte das Ableben von 21 hochkarätigen Polo-Pferden die Gemüter am Rande der US Open in Wellington/Florida. Tierärzte gehen seitdem dem Verdacht nach, die Pferde könnten Opfer einer übermäßigen Zufuhr von Steroiden geworden sein. Anabole Steroide verhelfen Menschen - und Pferden - zu mehr Muskelmasse und damit mehr Schnellkraft.

Wer gegen die Einnahme solcher unlauteren Mittel kämpft, handelt ethisch und moralisch. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) als ethische Institution zu bezeichnet, ist also nicht verkehrt. Doch nun muss sich die WADA gegen die weitaus mächtigere FIFA wehren, die für ihre Berufsfußballer eine besondere Behandlung anstrebt. Profikicker, fordert der Fußball-Weltverband, sollten von der lästigen Meldepflicht befreit werden, drei Monate im voraus täglich je eine Stunde angeben zu müssen, in der sie für Dopingkontrolleure erreichbar sind. Moral ist der Überbegriff für richtiges Handeln. Handelt die FIFA unmoralisch? Eine Frage nicht nur für Verschwörungstheoretiker.

(Von Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 25.04.2009)


(25.04.2009) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite