Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Es hatte ihn so richtig außer Gefecht gesetzt: Vor zwei
Wochen musste
Kim Andersson
vom Trainings- und Handballalltag pausieren, da ihn eine
Erkältung heimgesucht hatte. Währenddessen fand er jedoch
Zeit, mit ZEBRA über sein "neues Leben" zu plaudern.
Dabei verriet er einige Geheimnisse.
Mitte Oktober erblickte der kleine Milo Verner Andersson,
stolze 3750 Gramm schwer und 58 Zentimeter groß, das Licht
der Welt. "Es ist ein unbeschreibliches Gefühl Papa zu sein",
strahlt
Kim Andersson auch noch
einige Wochen nach der Geburt. "Er ist das erste Kind von
Sandra und mir. Wir entdecken jeden Tag noch so viel Neues
und Spannendes im Umgang mit dem Kleinen", beschreibt er
begeistert. Die meisten jungen Eltern bestehen oftmals darauf,
dass sie anders wären als ihre eigenen Eltern. Viele wollen
andere Wege in der Kindererziehung einschlagen und alles
besser machen. "Wir haben von unseren Eltern eine Menge Tipps
mit auf den Weg bekommen. Sicherlich werden wir viele davon
auch dankend annehmen und ein Stück weit genauso handeln wie
unsere eigenen Eltern es vor Jahrzehnten gemacht haben", denkt
Andersson nach. Viele Bücher habe
er über das Vaterwerden gelesen und sich informiert, was alles
auf ihn und seine Frau zukomme. "Ich habe die Ratgeber eingehend
studiert. Nach der Geburt bin ich aber vor allem um eins schlauer:
Man muss seine Erfahrungen einfach selber machen", lacht der
Schwede herzhaft. Er wolle nicht nach dem Ideal eines perfekten
Papas streben. "Perfekt sein - das kann man gar nicht." Aber, und
da ist sich der Jung-Vater sicher, "mit viel Liebe kann man alles
durchziehen". Jeden Tag wolle er sich gemeinsam mit seinem Sohn
weiter entwickeln und Neues dazu lernen. Dass er und seine Frau
dabei sicher auch mal den einen oder anderen Fehler machen werden,
sei normal. "Mit viel Zuwendung und Liebe schaffen wir jedoch fast
alles."
Eine Einstellung, die nicht erst in den vergangenen neun Monaten,
in denen er Zeit hatte, sich auf die neue Rolle als Vater
vorzubereiten, gereift sein kann, sondern die einen viel tieferen
Beweggrund haben muss. "Neun Monate - klar konnten wir uns gut auf
das, was kommt, einstellen", gibt er zu. Man habe sich verschiedene
Szenarien ausgemalt, wie es wohl sein könne, wenn neben dem Hund
Baloo noch ein weiteres Familienmitglied hinzukommt. "Ist das Baby
aber erst einmal da, sieht alles ganz anders aus." Diese Erfahrung,
die schon viele Eltern vor den Anderssons gemacht haben, hat nun
auch bei Kim und Sandra eingesetzt.
Es sieht anders aus - aber schön: Der Linkshänder des THW Kiel
genießt sein neues Leben als Familienvater, sieht wach und
ausgeschlafen aus und zeigt sein Glück: "Milo Verner ist ein
sehr pflegeleichtes Baby. Er schläft viel und hat einen guten
Appetit. Wenn ich zuhause bin, dann wechsele ich ihm auch gern
die Windeln." Gerne würde er seiner Frau Sandra häufiger bei
der "Arbeit" mit dem kleinen Andersson unter die Arme greifen -
der Spielplan verhindert das aber. "Leider bin ich häufig unterwegs.
Oftmals spielen wir zwei Mal in der Woche auswärts, so dass ich mehr
im Flieger oder Bus sitze als bei meiner Familie." Früher habe ihm
das Wegsein nicht ganz so viel ausgemacht. Heute bereite es dem
Rückraumspieler schon wesentlich mehr Kopfschmerzen. "Sind wir
unterwegs, und sitze ich im Flugzeug, dann mache ich mir Gedanken
darüber, was passiert, wenn mir etwas zustoßen würde. Was würde
dann aus meiner Familie werden?", lässt Andersson
tief in seine Seele blicken. Seit einigen Wochen trägt der 26-Jährige
noch mehr Verantwortung für seine Liebsten als zuvor. "Ich bin
nachdenklicher geworden", gibt der Rückraumspieler unumwunden zu.
Vater, Mutter, Kind, Haus und Hund - Kim Andersson
hat alles, was zu einer richtigen Familie dazu gehört. In Schweden
sieht man das laut einem Sprichwort jedoch anders. "In unserer Heimat
sagt man, man habe erst dann eine Familie, wenn man zu alldem auch noch
einen Volvo fährt und einen weißen Zaun ums Haus herum hat", erzählt
Kim Andersson von den Traditionen und Weisheiten
aus seinem Land. Ganz so weit von dem schwedischen Idealbild einer Familie
ist der Zwei-Meter-Mann allerdings auch nicht entfernt. Neben dem
obligatorischen Audi fährt seine Familie auch Volvo, zusammen mit Frau
Sandra, Kind und Hund bewohnt er eine Doppelhaushälfte, nur der weiße Zaun
fehlt noch. "Der ist bei uns in Klausdorf grün, daran kann man jedoch in der
Zukunft noch arbeiten", scherzt er. Weiter möchte er auch an seiner sportlichen
Laufbahn arbeiten. Viele hätten dem Schweden gesagt, dass man nach der Geburt
schlechter Handball spielen würde. Andersson
möchte damit nichts entschuldigen, er wisse nur, dass sich der Ärger im Beruf
beziehungsweise im Handball nach der Geburt des Sohnes leichter verdauen
ließe. "Komme ich nach einem durchwachsenen Spiel oder einer nicht ganz so
guten Trainingseinheit nach Hause, dann habe ich wenig Zeit darüber zu grübeln.
Viel mehr lenken mich Frau, Hund und vor allen Dingen unser Sohn ab. Alle
sorgen dafür, dass der Handball nicht allzu lange im Kopf bleibt, und das
ist gut so!" Ganz verschwindet der Handball jedoch nie, so hatte auch
Andersson vor der Saison Bedenken, ob der Erfolg
der vergangenen Jahre zu wiederholen wäre. "Wir sind nicht so gut in die
Spielzeit gestartet. Ich hatte dann das Gefühl, dass es sicher nicht so leicht
wird wie früher", gibt er zu. Ernsthafte Zweifel an der Konkurrenzfähigkeit
des THW habe er allerdings nie gehabt, auch heute sei die Mannschaft noch nicht
an ihrem Limit angekommen. Viereinhalb Jahre ist Andersson
nun ein Zebra. Jedes Jahr stand er mit mindestens einem Titel auf dem Rathausbalkon,
somit stehe der THW Kiel für ihn für Kontinuität. "Das ist schon etwas Einmaliges
hier in Kiel. Nicht nur das Team hat eine Top-Qualität, sondern auch das Team
ums Team arbeitet reibungslos." Dies ist sicherlich auch einer der Gründe,
weshalb der THW Kiel gerade für ihn und für alle Schweden ein Traumverein ist.
"Ich fühle mich hier richtig wohl. Und ich kann mir zurzeit nicht vorstellen,
bei einem anderen Verein zu spielen."
- ZEBRA:
-
Wie läuft die erste Saison ohne Stefan?
- Kim Andersson:
-
Wir spielen ja nicht nur ohne Stefan Lövgren,
sondern auch ohne Nikola Karabatic und
Vid Kavticnik. Mit sieben Neuzugängen
haben wir ein fast komplett neues Team. Dafür, dass Stefan
der Kopf des Team war und nun nicht mehr da ist, läuft es ganz gut.
Alle drei Spieler waren wichtig für uns, doch die Neuen passen ebenso
perfekt ins Team.
- ZEBRA:
-
Ist eine Ordnung im Team vorhanden?
- Kim Andersson:
-
Einige Spieler mussten ihre Positionen ändern und auf dem Spielfeld
neue Aufgaben erfüllen. Gerade auf der Mitte-Position springen einige
ein und machen ihre Sache gut. Aron Palmarsson
kann, wenn er noch mehr Routine bekommt, ein ganz großer werden. Von
Daniel Narcisses individueller Stärke bin
ich jedoch auch beeindruckt. Wir sind aber alle Profis und halten als
Mannschaft zusammen. Keiner allein kann Stefan
ersetzen, wir können aber die Lücke, die er hinterlassen hat, so gut
es geht versuchen zu füllen.
- ZEBRA:
-
Du sagtest im vergangenen Jahr, dass wahrscheinlich kein Spieler allein
Stefans Position so ausfüllen kann. Wie siehst
du das heute?
- Kim Andersson:
-
Stefan hat große Schuhe angehabt, in die
einer alleine gar nicht rein passt. Marcus Ahlm
ist ein toller Kapitän, aber auch er braucht Zeit für diese Aufgabe.
Und wir sind nun alle da, um gemeinsam diese Aufgabe mit zu erfüllen.
- ZEBRA:
-
Wir schwer fällt es dir, so oft von zu Hause weg zu müssen?
- Kim Andersson:
-
In der letzten Zeit war es unfassbar schwer zu gehen. Auch als meine
Frau Sandra noch schwanger war und ich nicht alles miterleben konnte.
Ein "normaler" Beruf erfordert aber auch Arbeitszeiten von 7 Uhr
morgens bis abends 17 Uhr - viel mehr Zeit bleibt dann vielleicht
auch nicht für die Familie als bei mir als Handballspieler.
- ZEBRA:
-
Der Handball ist dein Leben - aber du freust dich auf jetzt schon
auf das Leben danach in deinem Haus in Ystadt?
- Kim Andersson:
-
Ja natürlich. Wir haben dort ein Haus mit Garten. Ich habe aber nun
wirklich keinen grünen Daumen. Ich bin zwar gern im Garten, auch hier
in Kiel, ich entspanne dort, aber arbeiten - nein. Ich habe einfach
zwei linke Hände, was das anbelangt!
- ZEBRA:
-
Entspannung steht nun erst einmal nicht an - im Januar geht's zur
Europameisterschaft nach Österreich ...
- Kim Andersson:
-
Wir wollen besser sein als beim letzten Mal. Also müssen wir dafür
Platz vier erreichen. Dafür benötigen wir allerdings eine ordentliche
Portion Glück, denn wir sind mit Slowenien und Deutschland in keiner
leichten Gruppe gelandet. Ich hoffe, dass die knappe Zeit vorher
reicht, damit die Mannschaft eine Einheit wird. Vor uns steht eine
schwere Aufgabe. Ich bin allerdings der Meinung, dass für uns alles
drin ist!
(aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)