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18.01.2011 Handball international

Kieler Nachrichten: Witz oder Schwachsinn?

Rote Karte für Schiedsrichter: Eine IHF-Regel sorgt für Erstaunen

Aus den Kieler Nachrichten vom 18.01.2011:

Kristianstad. Alfred Gislason lacht laut, als er davon hört. Und dann vermutet der Trainer des THW Kiel einen schlechten Witz: "Das stimmt nicht, oder?" Dass die Internationale Handball-Föderation (IHF) klammheimlich eine neue Regel eingeführt hat, wonach schon bei der WM in Schweden die Schiedsrichter noch während der Partie ausgewechselt werden dürfen, ruft allenthalben zunächst Erheiterung hervor.
Und dann Entsetzen. "Wie soll das funktionieren?", fragt Gislason. "Darf ich als Trainer ein Veto einlegen? Das ist eine gefährliche Regel." Und eine, die in der Sportwelt ihresgleichen sucht. Die Idee dazu stammt allem Anschein nach von Hassan Moustafa. Der ägyptische IHF-Präsidenten hatte schon vor der WM mit einem "Sportbild"-Interview für Stirnrunzeln gesorgt, als er eine Verkleinerung der Tore forderte, um so Treffer wertvoller zu machen.

Das waren Vorschläge. Die neue Bestimmung für die Schiedsrichter ist aber bereits umgesetzt, sie ist Teil der seit Sommer 2010 gültigen Regeln, wie der Schweizer Roland Bürgi bestätigt. "Das ist richtig, dass die Schiedsrichter sofort ersetzt werden können, wenn ein Fall von Manipulation vorliegt", sagt das Mitglied der IHF-Regel- und Schiedsrichterkommission. "Zuständig dafür ist das Mitglied der Schiedsrichterkommission am Kampfrichtertisch", sagt der Schweizer. "Ich würde mich in einem solchen Fall aber sicher mit den beiden Delegierten des Verbandes abstimmen." Technisch wäre dies kein Problem: Seit Jahren sitzen bei WM-Turnieren Ersatz-Schiedsrichter auf der Tribüne, um im Falle einer Verletzung einzuspringen.

Die Umsetzung erscheint indes schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Wer ist sofort in der Lage, die Grenze zwischen einer schlechten Schiedsrichterleistung und einer Manipulation zu erkennen? Die Regeländerung kann man ohne bösen Willen als Misstrauensvotum gegenüber den aktuellen Schiedsrichtern auffassen. "Offensichtlich ist das Vertrauen der Personen, die das beschlossen haben, in die IHF-Schiris so groß, dass sie diese Maßnahme für erforderlich halten. Mich würde interessieren, wer das durchgesetzt hat", sagt Gerd Butzeck, der als Geschäftsführer der Group Club Handball die Interessen der wichtigsten europäischen Clubs vertritt.

Die Reaktionen außerhalb der IHF sind durchweg ablehnend. Er sei sehr überrascht gewesen, als er in Schweden davon erfahren habe, berichtet Jan Tuik. "Ich würde nie einen solchen Wechsel durchführen", sagt der niederländische Funktionär. Dass die Europäische Handball-Föderation (EHF) diese Regeländerung anwendet, hält er für undenkbar. "Die EHF wird das mit Sicherheit nicht übernehmen", sagt Tuik, der in der EHF-Exekutive sitzt.

Auch Peter Rauchfuß, der ranghöchste Schiedsrichterfunktionär des Deutschen Handallbundes (DHB) hört das erste Mal von der Regeländerung - und kann es nicht glauben. "Das wird in Deutschland garantiert nicht passieren", sagt Rauchfuß. "Wenn man die Schiedsrichter während eines Spiels vom Feld nimmt, dann ist das ja wie standrechtliches Erschießen!" Andere drücken ihre Meinung noch drastischer aus. Ex-Nationalspieler Christian Schwarzer, als TV-Experte in Schweden, sagt: "Das ist ein Schwachsinn".

(von Erik Eggers, aus den Kieler Nachrichten vom 18.01.2011)


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