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04.06.2011 Nationalmannschaft / Bundesliga

ZEBRA: Ein feuriger Abschied von Heiner Brand

Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:

Man stelle sich das einmal vor: Bundestrainer Joachim Löw besucht mehr als zwei Jahre lang kein Heimspiel des Branchenprimus'. Dabei verpasst er nicht nur unzählige, spannende Matches zwischen dem Aushängeschild der Sportart sowie internationalen wie nationalen Topteams, sondern sieht auch nicht, wie sich der Branchenprimus entwickelt.
Er sieht nicht, wie viel Geld in ein Ausbildungskonzept gesteckt wird, das nun erste Früchte trägt. Er sieht nicht, wie sich einzelne junge Spieler, die für Deutschland in den Länderspielen in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten, nach ihrem Wechsel zum Branchenprimus entwickeln. Und er verpasst die Möglichkeit, mit den Vereinsverantwortlichen über Probleme und Chancen zu sprechen, eventuelle Unstimmigkeiten durch ein persönliches Gespräch aus der Welt zu räumen oder nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Im Fußball undenkbar. Im Handball nicht.

Abschied ohne Kiel-Besuch
Und so verabschiedet sich Bundestrainer Heiner Brand im Sommer von seinem Amt, ohne das Herz des Handballs, die Sparkassen-Arena in Kiel, in den vergangenen Jahren auch nur einmal betreten zu haben. Er verabschiedet sich, ohne zu sehen, dass in Kiel die Vorstellungen des HBL-Jugendzertifikates nicht nur umgesetzt, sondern gelebt werden. Er geht, ohne die Erfolge dieser Nachwuchsarbeit mit der Qualifikation für die Jugend-Bundesliga zu würdigen. Brand nimmt seinen Hut zwei Jahre vor Ablauf seines Bundestrainer-Vertrages mit dem Deutschen Handballbund, ohne die Entwicklung von Tobias Reichmann im Weltklasse-Kader der Kieler auch nur einmal live in dessen neuem Wohnzimmer beobachtet zu haben. Aber Brand geht nicht, ohne noch einmal gegen den Branchenprimus und die stärkste Handball-Liga der Welt kräftig auszuteilen: "Die über 14 Jahre dauernde mangelnde Unterstützung der Bundesliga haben bei mir Narben hinterlassen", sagte Brand in einem Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) - um dann zu präzisieren: "Ich hatte ja nicht mit der ganzen Liga Probleme, sondern mit einem bestimmten Kreis an Vereinen und Entscheidern, auch aus der Ligaführung. Mit Frank Bohmann beispielsweise, aber auch mit Vertretern aus Kiel, Mannheim, Hamburg, Flensburg - den Branchenführern eben. Besonders die drei Spitzenvereine sollten überlegen, ob sie nur Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind, oder ob sie etwas für den deutschen Handball tun wollen."

Brand: "Ich bin kritikfähig."
Mit dem Rücktritt habe er schon vor Weltmeisterschaft in Schweden geliebäugelt, so Brand: "Angesichts der latenten Probleme mit einigen Herrschaften aus der Liga habe ich eine zunehmende Frustration verspürt und hinterfragt, welche Umstände dazu führen könnten, mein Amt vor Ablauf der Vertragszeit abzugeben." Er sei kritikfähig, unterstrich Brand in dem SID-Interview, "aber es kommt schon darauf an, wer sie äußert - und wie. Gewissen Kontroversen und Schein-Diskussionen muss ich mich nun wirklich nicht mehr aussetzen. Man hat mir meine Aufgabe systematisch verleidet." Er sei nicht müde gewesen, mit der Mannschaft zu arbeiten, so Brand weiter. "Aber die Begleitumstände, die Störfeuer und Missstände haben schon sehr gezehrt an mir. Es drehte mir ständig den Magen um, wenn ich nur die Zeitung morgens aufschlug und lesen musste, was gewisse Vereinsvertreter nun schon wieder einfordern oder sonst so von sich geben - aus reinem Eigeninteresse. Aber das Leben besteht nun mal aus Kompromissen."
Neuer Posten für Brand
Jetzt wird Brand im Sommer auf einen für ihn neugeschaffenen Posten wechseln: Der dann ehemalige Bundestrainer wird Manager des Deutschen Handballbundes. Bis 2015 soll Brand sich unter anderem darum bemühen, dass der Nachwuchs schneller und besser an internationales Topniveau geführt wird. Zudem soll sich Brand auch um Sponsorenbetreuung kümmern. "Es ist nicht meine Aufgabe oder mein Wille, in die Belange des neuen Bundestrainers hereinzureden", stellte er klar. Am 31. Juni ist Schluss - nach 14 Jahren, die vom Triumph bei der Heim-Weltmeisterschaft 2007 gekrönt waren. Doch zuletzt hatte die Nationalmannschaft bei großen Turnieren nicht mehr überzeugt - Tiefpunkt war nun das schlechte Abschneiden bei der WM in Schweden mit zum Teil indiskutablen Leistungen der Mannschaft.

"Ich bin glücklich, dass es uns gelungen ist, Heiner Brand in einer anderen Funktion einzubinden", sagte DHB-Präsident Ulrich Strombach. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann reagierte auf die "Brand"-Rede etwas distanzierter: "Dass ich die Interessen der Vereine vertrete, kann er mir nicht absprechen. Ich habe Heiner Brand aber nie in sportliche Dinge reingeredet", so Bohmann. Er würde sich freuen, wenn Brand die Vorwürfe präzisieren würde. "Dann könnte man darüber sprechen." Traurig reagierte Kiels National-Linksaußen Dominik Klein: "Die Nachricht vom Rücktritt ist keine gute für mich, weil Heiner mir immer sein Vertrauen geschenkt hat." "Die Entscheidung muss man akzeptieren, er kann auf sehr erfolgreiche Jahre als Bundestrainer zurückblicken", sagte THW-Rechtsaußen Christian Sprenger.

Ticket für Serbien soll gelöst werden
Nun wird Brand die DHB-Auswahl noch in den wichtigen EM-Qualifikationsspielen am 8. Juni in Innsbruck gegen Österreich und vier Tage später in Trier gegen Lettland betreuen - zum Abschied von Brand wollen die Nationalspieler unbedigt das Ticket für die EM 2012 in Serbien lösen. "Ich danke Heiner, dass er sich im Januar hat überreden lassen, die EM-Qualifikation zu Ende zu spielen", erklärte DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier. Am 1. Juli dann rückt der Noch-Bundestrainer auf einen Manager-Posten - und vielleicht bleibt dann auch mal die Zeit, in Kiel vorbeizuschauen. Ein Besuch in der Welthauptstadt des Handballs lohnt sich immer .

(von Christian Robohm, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)


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