17.12.2011 | Verein |
Ein Grund für den plötzlichen Werberummel in Deutschland liegt auf der Hand. 2010 hatte der Europäische Gerichtshof das staatliche Glücksspielmonopol gekippt. Es musste ein neues, liberaleres Gesetz her. Weit über ein Jahr wurde verhandelt und beraten. Seit Donnerstag ist der Poker vorbei, der Hickhack um einen neuen Glücksspielstaatsvertrag beendet. 15 der 16 Bundesländer verständigten sich in Berlin auf die geforderte Liberalisierung. Demnach soll es vom kommenden Jahr an 20 Lizenzen für Anbieter von Sportwetten geben und eine Spielumsatzsteuer von fünf Prozent. Der Haken bei der Geschichte: Brüssel muss den geplanten Vertrag noch absegnen, und erst wenn die EU genickt hat, wollen die Länder-Regierungschefs den Vertrag ihren Landtagen zuleiten. Das kann dauern.
Die Nummer 16 der Bundesländer, Ausscherer Schleswig-Holstein, ist da weiter. Wir Nordlichter waren schon am 14. September mit einem eigenen, deutlich liberaleren Glücksspielgesetz vorgeprescht. Dieses beinhaltet auch die Legalisierung von Casinospielen und Poker im Internet, erlaubt diesen Unternehmen Werbung. Rund 40 Firmen wollen künftig von Schleswig-Holstein aus ihre Spielchen betreiben.
Start ist der 1. Januar, ab März dürfen die Lizenzen vergeben werden. Und weil das SH-Gesetz so freizügig ist, hat die EU es bereits abgesegnet. Seitdem drängen viele unterschiedliche Anbieter in den SH-Markt, er boomt. Das findet im Rest der Republik wenig Wohlgefallen, denn durch den Kieler Kieler Sonderweg drohen massive Unterschiede im Sportsponsoring, auch Wettbewerbsverzerrung genannt.
Profiteure sind vor allem die Spitzenclubs. Die vier wichtigsten Vereine, die Handball-Bundesligisten THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt sowie die Fußball-Regionalligisten Holstein Kiel und VfB Lübeck, haben einen klaren Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus den anderen Bundesländern. Sie nutzen ihn. Die KSV Holstein, so ist zu hören, verhandelt mit drei Unternehmen aus der Branche, wird, das will die "Süddeutsche" wissen, wohl bald den Abschluss eines lukrativen Vertrages vermelden. Der THW ist schon fündig geworden. Ab Januar pappt das Werbe-Logo eines privaten Wettanbieters auf dem Allerwertesten der Handball-Weltstars. Knapp 200 000 Euro soll der Rekordmeister für Hose, Bandenwerbung etc. kassieren.
Allerdings spielt Unsicherheit mit. Die "Zebras" wollen ihre Werbehosen nur in der heimischen Handball-Arena tragen, außerdem im Nordderby bei der SG Flensburg. Verlassen sie ihre Insel Schleswig-Holstein, ist die kurze Hose blank. Juristen halten das für Unfug, rechtlich könne der THW nicht belangt werden, wenn er anderswo mit den Werbe-Hosen spiele, heißt es.
Bundesliga-Konkurrent Flensburg pokert momentan mit den neuen Betreibern der Campushalle um einen Mietvertrag, drohte schon damit auszuziehen. Auch das könnte mit Hilfe eines österreichischen Wettanbieters mittelfristig Geschichte werden. Der Sprecher dieses Unternehmens lockt mit Geld, verlangt aber als Gegenleistung eine Namensänderung für die Spielstätte. In Lübeck ist das bereits vollzogen. Die altehrwürdige Lohmühle, Stätte vieler denkwürdiger Fußballschlachten, nennt sich für die vergleichsweise lächerliche Summe von 120 000 Euro künftig "Pokerstars.de-.Stadion". Ein Wort-Monster, das der Kieler SPD-Abgeordnete Jürgen Weber mit den Worten "an der Grenze der Peinlichkeit" bedachte. Recht hat er. Allerdings sollte man nicht allzu kleinlich sein. Für und mit Geld hat der Sport schon länger und in vielerlei Beziehungen seine Unschuld verloren.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 17.12.2011)
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