Interview mit Nikolaj Jacobsen:
Seit dieser Saison trägt
Nikolaj Jacobsen
das Trikot des THW Kiel. Seitdem
warf der blonde Däne schon 191 Tore für die Zebras und steht auf Platz zwei
der Torschützenliste. Dabei verblüffte er verblüffte nicht nur die Zuschauer
in der Ostseehalle mit unglaublichen Tricks und Wurfvarianten.
Hallenheft-Redakteur Sascha Klahn traf
Nikolaj Jacobsen vor dem Spiel gegen Flensburg
zu einem Interview und sprach
mit ihm unter anderem über seine erste Saison beim THW Kiel und natürlich
über das bevorstehende Gipfeltreffen mit der SG Flensburg-Handewitt und
seinen dänischen Freunden.
- Zebra:
- Nikolaj, Deine erste Saison hier beim THW
Kiel ist noch nicht ganz vorbei. Wie fällt Dein bisheriges Fazit aus?
- Jacobsen:
- Ganz gut,
muß ich sagen. Ich bin natürlich froh, daß wir in der
Meisterschaft wieder rangekommen sind und daß wir auch den DHB-Pokal
gewonnen haben.
- Zebra:
- Was hattest Du für Erwartungen vor der
Saison, als
Du hier in Kiel unterschrieben hattest?
- Jacobsen:
- Die Erwartung war
fast so,
wie es momentan aussieht, daß wir bei der Titelvergabe mittendrin sind. Ich
hatte in der Champions League erwartet, daß wir mindestens eine Runde
weiterkommen würden, aber das hat dieses Jahr leider nicht geklappt. Nun
hoffe ich, daß wir dieses Jahr Meister werden, damit wir es im nächsten Jahr
besser machen können.
- Zebra:
- Haben sich Deine persönlichen Wünsche hier in
Kiel bislang erfüllt? Es war schon als kleiner Junge ein Traum von Dir, hier
in der Ostseehalle zu spielen.
- Jacobsen:
- Alles, was ich
erwartet habe, hat sich bisher erfüllt.
- Zebra:
- Ihr seid Deutscher Pokalsieger geworden.
Es ist
für Dich der erste nationale Titel in Deutschland. Hat dieser Pokal eine
besondere Bedeutung für Dich?
- Jacobsen:
- Ja, natürlich.
Wenn man zurückdenkt,
wenn ich einmal aufhöre, dann werde ich mich gerade an den ersten Titel
erinnern. Aber ich möchte lieber in zwei Wochen den Titel gewinnen.
- Zebra:
-
War der DHB-Pokal in dieser Saison für Euch soetwas wie die Wende?
- Jacobsen:
-
Ja, das hat uns Selbstvertrauen für die letzten Spiele gegeben. Wir haben
auch richtig gut gespielt.
- Zebra:
- Ist der THW eine Mannschaft, die sich
immer dann besonders motivieren und noch einmal steigern kann, wenn es
wirklich um etwas geht?
- Jacobsen:
- Die
THW-Mannschaft ist eine sehr
routinierte Mannschaft, sie hat solche Situationen schon mehrmals zu
überstehen gehabt. Das konnte man auch in Hamburg merken, daß die Mannschaft
wußte, nun müssen wir etwas leisten.
- Zebra:
- Was erwartest Du jetzt für den
Rest der Saison?
- Jacobsen:
- Ich erwarte, daß wir die
Spiele, die wir gewinnen
müssen, um Deutscher Meister zu werden, gewinnen werden. Ich erwarte, daß
wir weiter so spielen, wie wir in den letzten drei Wochen gespielt haben und
daß wir kämpferisch die gleiche Einstellung für die letzten zwei Wochen
haben werden. Dann glaube ich auch, daß wir es schaffen werden.
- Zebra:
- Nun
kommt es gegen Flensburg zum Endspiel...
- Jacobsen:
- Ja. Das ist
klar.
Natürlich kann man noch Verletzungen bekommen oder Pech haben, aber ich
glaube, daß der, der gewinnt, ganz wahrscheinlich auch Deutscher Meister
werden wird.
- Zebra:
- Steigt die Spannung schon vor diesem besonderen
Nordderby?
- Jacobsen:
- Ja. Jetzt, wo wir in
Niederwürzbach gewonnen haben.
Wenn ich da an das Spiel gegen Flensburg denke, dann spürt man das schon im
Magen. Das wird wahrscheinlich schlimmer, je näher das Spiel rückt.
- Zebra:
-
Was erwartest Du für dieses Spiel? Es geht um sehr viel und ist sicher kein
Spiel wie jedes andere.
- Jacobsen:
- Es geht um sehr,
sehr viel. Wenn wir
verlieren, dann schaffen wir es nicht, in den letzten drei Spielen drei
Punkte auf Flensburg aufzuholen. Ich glaube, daß es spannend wird. Ein
schönes Spiel wird es nicht, es wird kampfbetont. Wer kämpferisch die
bessere Einstellung hat, das wird entscheinend sein. Ich glaube, daß viele
Spieler nervös sind, daß man ein bißchen verkrampft spielen wird. Ich hoffe,
daß wir mit unserer Erfahrung besser vorbereitet sind.
- Zebra:
- Du spielst
gegen viele Deiner Nationalmannschaftskollegen, gegen alte Freunde aus der
Jugend. Ist es auch für Euch Dänen ein ganz besonderes Spiel?
- Jacobsen:
- Ja,
ich kenne alle. Ich habe mit Sören Haagen lange in Gudme zusammen gespielt
und mit Morten Bjerre und Lars Christiansen zehn Jahre in der
Nationalmannschaft, erst in der Jugend, dann in der A-Mannschaft. Und mit
Jan Eiberg Jörgensen habe ich auch zusammen in der Nationalmannschaft
gespielt, die letzten vier, fünf Jahre kam auch noch Chrstian Hjermind dazu.
Aber wenn ich dann auf dem Spielfeld stehe, dann ist das nicht so. Dann sind
sie auch nur wie alle anderen, ob das deutsche, russische oder französische
Spieler sind ist eigentlich egal. Ich kann die Dänen nur besser verstehen
als die anderen, aber das ist auch alles. Wir werden den ganzen Mai und den
halben Juni zusammen verbringen, dann habe ich Zeit, um auf sie zu hören.
- Zebra:
- Ein Blick auf die Torschützenliste:
Nikolaj Jacobsen auf Platz zwei,
Lars Christiansen auf vier. Es sind auch die Dänen, die in der Bundesliga
Akzente setzen.Was können wir denn jetzt von Euch bei der WM erwarten.
Bislang konnte die dänische Nationalmannschaft nie ganz oben mitspielen.
- Jacobsen:
- Ich glaube, nicht, daß wir
dieses Mal ganz oben dabei sein werden.
Ich hoffe, daß wir einen guten Einstieg in das Turnier finden werden, daß
wir in den ersten Spielen Selbstvertrauen gewinnen. Wir sind eine ganz junge
Mannschaft, ich glaube, ich bin der Älteste. Ich hoffe, daß wir es schaffen,
den siebten Platz zu erreichen. Das wäre unser Ziel und unser Wunsch, um uns
für die Olympischen Spiele in Australien zu qualifizieren.
- Zebra:
- Was
erwartet man in Dänemark von Euch bei der WM?
- Jacobsen:
- Das weiß ich auch
nicht so richtig. Ich lese auch nicht jeden Tag die Zeitung, um zu wissen,
was geschrieben wird. Wir haben junge Spieler, denen man auch ein bißchen
Zeit geben muß.
- Zebra:
- Wie ist Dein Kontakt zu den Kollegen in
Flensburg?
- Jacobsen:
- Ganz gut.
Wir sehen uns oft mit der Nationalmannschaft. Ich habe
ein gutes Verhältnis zu den Spielern dort. Mit Lars telefoniere ich ungefähr
einmal pro Woche nach einem Spiel oder so und dann reden wir darüber, wie es
ausgegangen ist. Wenn einmal ein Sonntag frei ist, dann kann es auch sein,
das wir uns hier oder in Flensburg treffen, um alle zusammen etwas zu essen.
- Zebra:
- Du weißt unter Umständen, was innerhalb der
Mannschaft in Flensburg
passiert?
- Jacobsen:
- Nein, ich erzähle ihm
nicht, was wir machen, und er
erzählt mir auch nicht, was sie zum Beispiel im Training machen. So ist das
nicht. Wir sind richtig gute Freunde und reden nicht nur über Handball,
sondern auch über alles andere.
- Zebra:
- Ganz ehrlich, hast Du während der
Saison schon einmal daran gedacht, als Flensburg ganz oben stand und der THW
fast schon abgeschlagen war: Hätte ich man in Flensburg unterschrieben, um
mit meinen dänischen Freunden jetzt ganz oben zu stehen? Oder kam dieser
Gedanke nie auf?
- Jacobsen:
- Natürlich kam dieser
Gedanke auf. Ich habe vor
der Saison gesagt, daß ich zum THW wechsele, weil ich gewinnen wollte. Dann
war das zur Mitte der Saison natürlich etwas bitter, daß ein halbdänischer
Verein ganz oben war. Aber jetzt sieht das ein bißchen anders aus. Wir sind
wieder fast gleich, und darüber freue ich mich.
- Zebra:
- Jetzt fühlst Du Dich
in Kiel auch ganz wohl. Und es stimmt alles im Umfeld?
- Jacobsen:
- Ja. Lenette
und ich sind von der Mannschaft und den Leuten drumherum hervorragend
aufgenommen worden. Wenn wir Hilfe brauchten, haben wir diese auch bekommen.
Hier paßt und stimmt alles.
- Zebra:
- Du kannst Dir also durchaus vorstellen,
länger in Kiel zu bleiben?
- Jacobsen:
- Ja.
Wenn der Verein das wünscht, dann
hätte ich nichts dagegen, hier in Kiel meine ausländische Karriere zu
beenden. Man muß sehen, wielange der Körper mithalten kann. Solange es
sogeht, wie jetzt, dann kann ich mir das vorstellen.
- Zebra:
- Das
Ostseehallenpublikum hat Dich sehr gut aufgenommen. Du bist der neue
Liebling der Zuschauer. Was ist das für einGefühl?
- Jacobsen:
- Das ist ein
schönes Gefühl, dort zu spielen. Die Leistung steigt auch, wenn man von
hinten nach vorne geschoben wird. Die Ostseehalle ist ein schönes Erlebnis.
- Zebra:
- Wann knackst Du denn nun endlich den alten Bundesliga-Rekord
von 19 Toren in einem Spiel?
- Jacobsen:
- Ich würde sagen,
das Spiel gegen Schwartau
erlebt man nicht jeden Tag. Da hat alles gepaßt und ich habe die richtige
Lösung gefunden. So einen Tag muß man haben. Ich weiß nicht, ob ich das sein
werde oder jemand anders, aber gegen Schwartau habe ich die Chance dazu
gehabt.
- Zebra:
- Du hast immer eine Auge für Deine Mitspieler
und gegen
Schwartau auf manches Tor verzichtet. Zählst Du Deine Tore im Spiel mit oder
stellst Du erst hinterher fest, wieviele es denn eigentlich waren?
- Jacobsen:
-
Gegen Schwartau habe ich nicht mitgezählt, das waren einfach zu viele.
Natürlich freue ich mich, wenn ich gut spiele, aber ich möchte auch genauso
gerne einen Paß für meine Mitspieler spielen. Es macht für mich keinen
großen Unterschied, ob ich das Tor werfe oder den Paß spiele. Das bringt für
mich genau das gleiche Gefühl.
- Zebra:
- Überlegst Du während der Würfe,
welchen Trick Du nun anwendest?
- Jacobsen:
- Es ist nicht so,
daß ich mir das
vorher überlege. Ich schaue mir natürlich den Torwart an, wie er steht, und
dann muß ich wählen. Das kommt einfach so. Ein Außen ist wie ein Stürmer
beim Fußball. Manchmal nimmst Du die richtige Lösung und manchmal auch
nicht. In Niederwürzbach hatte ich gegen Lavrov nicht die richtige Lösung.
Das ist so, manchmal geht es gut und manchmal eben nicht. Dann kannst du
blöde aussehen oder eben auch super. Momentan geht es bei mir aber
eigentlich ganz gut. Ich hatte allerdings auch schon eine schwächere Periode
hier in Kiel. Man muß daran arbeiten, solch eine Periode möglichst kurz zu
halten.
- Zebra:
- Bei Deinen Siebenmetern siehst Du meistens
super aus. Hat
sich schon mal ein Torwart bei Dir beschwert? Es ist ein Phänomen, daß der
Torwart oftmals schon am Boden sitzt, bevor Du überhaupt geworfen hast.
- Jacobsen:
- Beschwert hat sich noch keiner.
Ich tue das auch nicht, um den
Torwart schlecht aussehen zu lassen. Ich mache das, weil das für mich die
beste Wurfvariante ist, die ich habe. Ich kann nicht so hart werfen wie
Nenad, daher muß ich etwas anderes machen, um zu einem Tor zu kommen.
(14.04.99)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".
Mehr Infos über Nikolaj Jacobsen unter
Spielerporträt Nikolaj Jacobsen.