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Interviews mit Henning Siemens:

Inhalt: Interview Saison 1999/2000 | Interview in der Saison 1998/1999

Interview Saison 1999/2000

[Bild: Henning Siemens] Er war aufgrund seiner herzlichen und offenen Art in Kiel sehr beliebt. Darüber hinaus gewann er mit dem THW jeweils zweimal die deutsche Meisterschaft und den DHB-Pokal, den Europapokal und den Supercup.
Am 19.12.99 betrat Henning Siemens dann erneut das Parkett der Kieler Ostseehalle; nur trug er nun das Trikot des TV Großwallstadt. Sechs Monate nach seinem Abschied sprach Zebra mit dem 25-jährigen Linkshänder über Gegenwart und Vergangenheit.
Zebra:
Heute kehrst du in die Ostseehalle zurück, an die Stätte also, an der du deine größten Erfolge gefeiert hast. Was überwiegt denn vor dem Spiel, die Vorfreude oder die Nervosität ?
Siemens:
Gerade weil ich mich in Kiel und in der Ostseehalle immer sehr wohl gefühlt habe, freue ich mich ganz besonders auf dieses Spiel. Nervös bin ich nicht, denn bereits mit Düsseldorf habe ich gegen den THW immer ganz gut gespielt. Ich hoffe, dass mir das heute wieder gelingt.
Zebra:
Während du es beim THW hinter Staffan Olsson schwer hattest, genügend Spielanteile zu bekommen, läuft es in Großwallstadt momentan ziemlich rund für dich. Das müsste deinen Wechsel doch eigentlich bestätigen.
Siemens:
Ja, das stimmt. Im rechten Rückraum wechsele ich mich mit Jörg Kunze ab, spiele dennoch häufig und komme beim TVG glücklicherweise auch in der Deckung zum Einsatz.
Zebra:
Ist das auch ein Grund dafür, warum du zum Beispiel in den Spielen gegen Nettelstedt und Wuppertal jeweils sechsmal getroffen hast?
Siemens:
Ja, natürlich. Durch das Deckungsspiel habe ich insgesamt mehr Bindung zum Spiel, auch im Angriff. Außerdem besitzen wir mit Jackson Richardson einen Weltklasse-Mittelmann, der uns immer wieder gut in Szene setzt. Dadurch bieten sich automatisch mehr Torgelegenheiten.
Zebra:
Richardson war ja nun gerade lange verletzt. Wie erklärst du dir dennoch eure Erfolgsserie ?
Siemens:
Das lag daran, dass ihn Joachim Boldsen und Jörg Kunze auf dieser Position so gut ersetzt haben. Vier der letzten sechs Spiele konnten wir somit ohne Jackson gewinnen. Ich glaube, damit haben wir viele Leute überrascht.
Zebra:
Fiel dir der Umzug nach Großwallstadt aus privater Sicht sehr schwer?
Siemens:
Da ich mir in Kiel einen großen Freundeskreis aufgebaut hatte und in einer Super-WG wohnte, war der Abschied nicht ganz so spaßig. Vom TVG bin jedoch so gut aufgenommen worden, so dass ich mich gut einleben konnte und mit der Mannschaft viel Spaß habe. Außerdem wohnt meine Freundin nur zwei Stunden entfernt und ab und an bekomme ich sogar Besuch aus Kiel.
Zebra:
Während der letzten Meisterfeier hast du mit Martin Schmidt auf der Rathausbühne eine grandiose Show geliefert. Wie wär es nach der Handballkarriere mit einem Wechsel in die Comedy-Branche?
Siemens:
Martin und ich wurden tatsächlich gefragt, ob wir so etwas nicht öfter machen wollen. War wohl auch ein kleiner Witz von denen. Meine Zukunftspläne sehen anders aus. Ich habe mein BWL-Studium an der Fachhochschule Aschaffenburg fortgesetzt und will möglichst schnell das Vordiplom hinter mich bringen.
(19.12.99)
Interview entnommen dem THW-Magazin "Zebra".

Interview Saison 1998/1999

[Bild: Henning Siemens] Hallenheft-Redakteur Sascha Klahn führte dieses Interview vor dem Spiel gegen Eisenach, nachdem klar war, daß Henning nächste Saison in Großwallstadt spielt.
Zebra:
Henning, wie ist zur Zeit die Stimmung in der Mannschaft? Glaubt Ihr selbst noch daran, Deutscher Meister werden zu können?
Siemens:
Ich denke, es wird schwierig, noch Deutscher Meister zu werden, wenn man sieht, mit welcher Konstanz Flensburg-Handewitt zur Zeit spielt. Es ist bei denen so, wie bei uns im letzten Jahr, daß sie einen Lauf haben. Es wird sehr wahrscheinlich schwierig, daran in den jetzt noch verbleibenden Spielen etwas zu ändern. Aber ich denke, daß es jetzt wichtig für uns ist, noch den zweiten Platz zu holen, falls es wirklich noch zu einer Aufstockung der Champions League kommen sollte. So sind der erste und der zweite Platz sehr wichtig, auch für den THW, um im nächsten Jahr international dabei zu sein, weil man nicht davon ausgehen kann, daß man jetzt beim Final Four-Turnier den Pokal schon sicher in den Händen hält.
Zebra:
Der EHF-Cup ist nun Euer Ziel...
Siemens:
Natürlich ist es immer ein Ziel für eine Mannschaft, möglichst weit oben zu stehen. Die Chancen, den TBV Lemgo noch zu überholen, schätze ich größer ein, die Flensburger zu erreichen wird dagegen schwierig. Nicht nur der Punktestand spricht dafür, auch die zuletzt gezeigten Leistungen, die Flensburger treten momentan schon sehr überzeugend auf.
Zebra:
Momentan wird eine Reform des Europapokals diskutiert. Auch Euer Trainer hat sich in diesem Zusammenhang zu Wort gemeldet. Der City-Cup sollte unter Umständen ganz gestrichen werden, was hälst Du von diesen Plänen?
Siemens:
Die Wertigkeit des City-Cups wurde bereits des Öfteren in Frage gestellt, ich persönlich habe noch nicht in diesem europäischen Wettbewerb gespielt. Für Mannschaften, die nicht ganz vorne in der Bundesliga mitspielen, bedeutet der City-Cup natürlich eine zusätzliche Einnahmequelle. Unabhängig von der Wertigkeit dieses Pokals kann ich mir vorstellen, daß Widerstand von den betroffenen Mannschaften kommt.
Zebra:
Der Gegner heute Abend ist der ThSV Eisenach. Das Hinspiel habt Ihr leider verloren. Wie schätzt Du den Gegner ein?
Siemens:
Die bisher gezeigten Leistungen der Eisenacher haben gezeigt, daß sie eine Heimmannschaft sind. Auswärts waren sie weniger erfolgreich, die letzten beiden Auswärtsspiele in Bad Schwartau und Nettelstedt haben Sie jedoch nicht verloren. Trotz der jüngsten Erfolge gehe ich aber davon aus, daß wir heute Abend gewinnen werden und an Flensburg und Lemgo dranbleiben.
Zebra:
Zum Final Four in Hamburg am kommenden Wochenende. Seit ihr gedanklich schon bei der Pokalendrunde und was habt Ihr Euch dort vorgenommen?
Siemens:
Gerade aufgrund der Erlebnisse im letzten Jahr ist es für uns nochmal etwas, wo wir uns beweisen können, daß wir unter diesen vier Mannschaften bestehen können. Darauf freuen wir uns. Natürlich sind dazu zwei gute Tage nötig. Letztes Jahr hatten wir schon gegen Schutterwald Probleme, gegen die wir nur mit vier Toren Unterschied gewonnen haben. Den Tag danach hatten wir einen Sahnetag und haben 30:15 gegen Niederwürzbach gewonnen. Wäre am ersten Tag ein anderer Gegner als Schutterwald gegen uns angetreten, dann, glaube ich, hätten wir arge Probleme bekommen, wenn wir nicht sogar im Halbfinale ausgeschieden wären. Das ist immer so ein Vabanquespiel. Daher müssen wir auch in der Meisterschaft hochkonzentriert bleiben, denn daß wir den Pokal holen, ist noch nicht sicher.
Zebra:
Wie wichtig ist es, daß das Endspiel fast nebenan in Hamburg ist. Letztes Jahr war die Halle fest in den Händen der Kieler Fans.
Siemens:
Das Problem ist immer die Ticketverteilung. Nach dem Ausscheiden zweier Mannschaften im Halbfinale werden wieder mehrere Tickets gehandelt werden. Viele Fanclubs der ausgeschiedenen Mannschaften werden wieder nach Hause fahren. Wer sich dann die freien Tickets ergattert, bleibt abzuwarten. Wenn Kiel tatsächlich ins Finale kommen sollte, dann liegen die Chancen natürlich eher bei den THW-Fans, weil sie einfach geographisch viel dichter dran sind und dann direkt nach Teilfinalende Karten für Freunde besorgen werden und diese anrufen, ob sie nächsten Tag mit nach Hamburg kommen wollen. Es ist natürlich bei so einem Andrang und so einer Beteiligung zu überlegen, ob man nicht eine etwas größere Halle umziehen sollte. Und wenn es halt nicht Kiel ist, dann vielleicht das Stadion am Hamburger Rothenbaum. Das wäre sicherlich eine würdige Kulisse für so ein Final-Four-Turnier.
Zebra:
Gibt es in der diesjährigen Endrunde einen Favoriten für Dich, oder sind alle Mannschaften wirklich gleichmäßig stark besetzt?
Siemens:
Gerade im Pokal kann man das nie so ganz sagen. Es ist weder Heim- noch Auswärtsspiel, die Tickets sind gleich verteilt. Alle Mannschaften haben ungefähr das Gleiche zu bieten und mußten alle einen schweren Weg gehen, um dahin zu kommen. Von den Namen und von den Aufstellungen her ist es sicher eines der besten Pokalfinals der letzten Jahre. Ich denke, man kann an beiden Tagen einiges erwarten.
Zebra:
Was bedeutet es für Dich, noch einmal mit dem THW in der Pokalendrunde zu stehen?
Siemens:
Ich hatte auf jeden Fall vorher, mich mit einem Titel hier zu verabschieden. Wenn es schon nicht die Meisterschaft ist, dann soll es wenigstens der Pokal sein. Wenn ich dann vielleicht zwei Jahre hintereinander den Pokal gewinne - man weiß auch nicht, wie es im nächsten Jahr mit dem TV Großwallstadt aussieht - dann ist das auch was sehr Schönes.
Zebra:
Du hast es angesprochen. Was wird sich für Dich ändern, wenn Du aus Kiel zum TVG gehst?
Siemens:
In erster Linie geht es mir darum, daß ich wieder spiele, daß ich für mich persönlich weiterkomme. Die zwei Jahre hier in Kiel sind für mich nicht optimal gelaufen, aber ich denke schon, daß ich Handball spielen kann, daß ich in der ersten Liga bestehen kann, gerade im Angriff, und ich hoffe darauf, beim TV Großwallstadt mehr Einsatzzeiten zu bekommen. Ich möchte mich durch Leistung empfehlen.
Zebra:
Was nimmst Du Positives mit aus Kiel?
Siemens:
Auf jeden Fall die Professionalität, die einem hier angeeignet wurde, mit der man an den Handball herangeht. Dann natürlich auch, körperlich mehr Substanz zu haben, im Taktischen und im Spielerischen etwas zugelegt zu haben. Und dann die Hoffnung, nochmal Meister zu werden. Wenn man das einmal erlebt hat, dann ist man hungrig nach mehreren Titeln. Und natürlich einmal mit so einer Mannschaft gespielt zu haben, das kann einem auch keiner mehr nehmen - geschweige denn die drei Titel.
Zebra:
Ist die Nationalmannschaft für Dich noch ein Thema?
Siemens:
Gerade aufgrund des ähnlichen Spielertypus von Volker Zerbe und mir, gehe ich im Moment nicht davon aus, daß ich bei der WM in Ägypten dabei sein werde.
Zebra:
Wird es Dich im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Sydney weiterbringen, wenn Du im nächsten Jahr mehr Spielanteile erhältst? Volker Zerbe wird auch nicht jünger...
Siemens:
Es ist natürlich ein Ziel von mir, mich für die Olympiade zu empfehlen. Sydney 2000 war auch in den letzten Jahren schon ein Ziel für mich, weil ich immer mal dabei war und dann wieder nicht. Ich habe immer gehofft, irgendwann fest hineinzurutschen. Sydney 2000 wäre schon ein Traum von mir.
Zebra:
Wie schätzt Du die Medaillenchancen der Nationalmannschaft bei der WM oder auch bei den Olympischen Spielen ein?
Siemens:
Wollen und hinterher realisieren sind immer zwei Paar Schuhe. Aber die deutsche Nationalmannschaft hat soviel an Erfahrung gewonnen, daß sie an guten Tagen mit anderen starken Mannschaften wie z.B. Rußland mithalten kann. Rußland ist auch nicht mehr die Übermacht, die sie früher einmal waren. Auch die anderen mannschaften sind nicht so souverän, daß man sagen kann, hier kann man eindeutig einen Favoriten ausmachen.
Zebra:
Ausländische Stars dominieren die Handball-Bundesliga. Für den deutschen Nachwuchs wird es immer schwerer. Wie war es für Dich persönlich. Hattest Du es dadurch schwerer oder hast Du von Deinen ausländischen Mitspielern in ersten Linie profitiert?
Siemens:
Ich habe mit 21 Jahren in Düsseldorf in der ersten Liga angefangen und hatte dann ïGlückû, daß sich mein Vordermann verletzte. Für meine individuelle Entwicklung war es Glück. Ich war Knall auf Fall erster Mann in der ersten Liga. Ich habe eine sehr gute Saison gespielt und konnte sehen, daß ich damals schon mit 120 Toren im Angriff durchaus mithalten konnte. Das war das, woraus man sein Ego ziehen konnte, auch in den Zeiten, wo man abgestiegen war und ein Jahr in der zweiten Liga spielte.
Zebra:
Abseits vom Handball: Du studierst BWL und hast Dein Grundstudium bald beendet. Wie geht es dann für Dich weiter?
Siemens:
Ziel ist es, möglichst schnell mein Studium zu beenden. Allzu viel Eile hat man nicht als Handballer, wenn man soviel eingespannt ist.
Zebra:
Bleibt der Kontakt zu Kiel weiter erhalten?
Siemens:
Auf jeden Fall. Wenn ich nicht schon die Mannschaft vermissen würde, dann würde ich das Umfeld vermissen, die Kontakte und Freundschaften, die ich hier gewonnen und gepflegt habe.
Zebra:
Das heißt, man wird Dich auch in Zukunft des Öfteren in der Ostseehalle antreffen?
Siemens:
Wenn die Zeit bleibt, dann ja.
(14.04.99)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".

Mehr Infos über Henning Siemens unter Spielerporträt Henning Siemens.