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15.09.2003 Interview

Uwe Schwenker im großen Zebra-Interview: "Wann, wenn nicht jetzt?"

Neues Spiel - neues Glück! Der THW Kiel kehrt nach schier unendlich langer Wartezeit zurück aufs Bundesligaparkett der Ostseehalle. Das Team steht mit sieben Abgängen und fünf Neuzugängen vor einem einschneidenden Neuanfang. Thomas Fischer und Sascha Klahn (living sports) trafen sich mit dem Mann mit den vielen Fäden in der Hand, THW-Manager Uwe Schwenker, zu einem ausführlichen Interview rund um die neue Spielzeit und die große Aufbruchstimmung beim THW.
Zebra:
Herr Schwenker, die Mannschaft des THW Kiel ist neu formiert, erfahrene Spieler wie Olsson oder Bjerre haben den Verein verlassen und neue, jüngere Spieler sollen nun in den Vordergrund treten. Was kann man von dem neuen Team erwarten?
Uwe Schwenker:
Uwe Schwenker.
Klicken Sie für weitere Infos! Uwe Schwenker.
Das ist zur Zeit noch schwer zu sagen. Grundsätzlich war es Zeit, dass man den THW rundum erneuert. Wir haben eine super Mannschaft gehabt, aber irgendwann nagt überall der Zahn der Zeit und wir stellten uns selber die Frage "Wann, wenn nicht jetzt?", weshalb wir letztendlich zu dem Entschluss gekommen sind, den THW gänzlich neu zu präsentieren. Ich denke, wir haben es geschafft eine leistungsorientierte, erfolgshungrige Mannschaft auf die Beine zu stellen, die sowohl für die Fans als auch für die Sponsoren mit einem hohen Identifikationspotential versehen ist und welche in absehbarer Zeit dazu im Stande ist, auf die Erfolgsspur zurückzukehren. Gleichwohl muss man den jungen Spielern auch eine gewisse Integrationszeit lassen, vor allem, wenn man weiß, dass es mit Mannschaften wie Lemgo, Flensburg, aber auch Magdeburg und Essen sehr eingespielte Mannschaften in der Spitze gibt. Es ist sicherlich schwierig, sofort dort zu stehen, wo man in den letzten Jahren gestanden hat. Man hat jedoch jetzt schon gesehen, dass bereits eine gewisse Aufbruchstimmung existiert und es macht einfach Spaß, mit diesen jungen Leuten zu arbeiten. Deshalb glaube ich, dass, wenn wir vom Verletzungspech weitgehend verschont bleiben, wir in der Lage sind, eine gute Saison zu spielen und werden versuchen, solange wie möglich oben dabei zu sein.
Zebra:
Was heißt für Sie eine "gute Saison"?
Uwe Schwenker:
Eine gute Saison heißt für uns, dass wir im Titelkampf mit dabei sein wollen. Ein Traum wäre es natürlich, sich am Ende der Saison für einen Champions League-Platz zu qualifizieren, aber es wäre momentan vermessen von uns zu sagen, wir seien einer der Titelfavoriten. Wenn wir von dem einen oder anderen Experten dazu eingestuft werden, fühlen wir uns geehrt und es ist auch eine gewisse Bestätigung für die Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, aber man muss einer jungen Mannschaft einfach auch ein bisschen Zeit geben, sich zu finden. In solch einer starken Liga wie der 1. Handballbundesliga ist es nicht einfach, sofort auf allerhöchstem Niveau zu spielen, aber mit Fortschreiten der Saison werden wir sicherlich immer besser Tritt fassen und umso besser werden wir auch spielen.
Zebra:
Sie haben sich also keinen bestimmten Tabellenplatz als Ziel gesetzt?
Uwe Schwenker:
Nein. Ich denke, dass es das schönste und wichtigste für einen Spieler ist, als Gewinner von der Platte zu gehen. Diesen Ansporn hat eigentlich jeder Sportler und ganz besonders natürlich ein Profi. Insofern wollen wir eigentlich jedes Spiel gewinnen und so viele Punkte wie möglich holen - wenn der Gegner besser ist, können wir dies auch neidlos anerkennen. Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt.
Zebra:
Spüren Sie Parallelen zum Neuaufbau der Saison 1993/94, welche den Anfang des erfolgreichsten Jahrzehnts des THW Kiel einläutete?
Uwe Schwenker:
Es ist auf einer anderen Ebene etwas ähnliches. Es ist spannend und macht Spaß für das gesamte Umfeld diese neue Herausforderung anzunehmen und an neuem Erfolg zu arbeiten. Die Rahmenbedingungen allerdings sind insofern schwieriger, als dass die Konkurrenz wesentlich stärker ist als 1993/94. Heute gibt es eine Spitzengruppe von sechs, sieben Mannschaften, die für sich um die vorderen Plätze, sprich um den Titel kämpfen kann und will. Es ist schon eine interessante Herausforderung aber eben auch schwieriger, wirklich ganz vorne dabei zu sein.
Zebra:
Der allgemeine Leistungsdruck aus dem Umfeld und den Zuschauern ist heute wahrscheinlich auch ein anderer...
Uwe Schwenker:
Druck ist in der Art und Weise eigentlich nicht vorhanden. Es überwiegt momentan eindeutig die Motivation, Spaß und Freude, etwas neues auf die Beine zu stellen. Leistungsdruck sind wir gewohnt, da dieser eigentlich immer auf uns eingewirkt hat. Den größten Druck machen wir uns selber, indem wir versuchen, so gut wie möglich abzuschneiden.
Zebra:
Ihr Trainer "Noka" Serdarusic hat zuletzt mangelnde Konstanz in der Vorbereitungsphase bemängelt. Liegt die Mannschaft im Soll oder sind Sie ein wenig enttäuscht, dass der THW mit den großen Ligakonkurrenten noch nicht ganz mithalten konnte?
Uwe Schwenker:
Das ist ein schwieriges Thema. Letztendlich ist eine Vorbereitungsphase, um allen Spielern die Möglichkeit zu geben, sich zu beweisen, verschiedene Deckungsvariationen und taktische Vorgaben zu trainieren. Dass wir mit fünf neuen Spielern noch nicht eingespielt sein können, versteht sich von selbst und dass Mannschaften, die auf ihren eingespielten Stamm zurückgreifen können, bessere Ergebnisse in der Vorbereitung erzielen, ist wohl auch völlig klar. Was die Ergebnisse einer Vorbereitung wirklich wert sind, erkennt man, wenn man die Augen auf den großen Bruder Fußball richtet. Dort gibt es den Ligapokal-Sieger HSV, welcher in der Vorbereitung sehr souverän gespielt hat, nun aber dennoch am Ende der Tabelle wiederzufinden ist. Von daher zählen für mich wirklich nur die kommenden Bundesligabegegnungen, wenn es wirklich um Punkte geht. Dann wird sich zeigen, wie gut und effektiv unsere Vorbereitung wirklich war.
Zebra:
Die letzte Saison verlief für Kieler Verhältnisse eher durchwachsen. Was entgegnen Sie Kritikern, die behaupten, der Umbruch käme ein Jahr zu spät?
Uwe Schwenker:
Nun, wann genau der richtige Zeitpunkt ist, das weiß man nie und wenn wir im letzten Jahr nicht diese Vielzahl von Verletzten gehabt hätten, hätten wir auch gleich auf einem ganz anderen Niveau gespielt. Ich denke, dieses Thema ist hinreichend von vielen Experten, Fans und natürlich auch von uns diskutiert und erörtert worden. Als Konsequenz daraus haben wir nun beschlossen, mit einer neuen, jungen Truppe in die nähere Zukunft zu gehen. Das war der richtige Schritt, ob es der richtige Zeitpunkt war, darüber ist es müßig nachzudenken. Ich denke an die Gegenwart und die Zukunft - das ist das wirklich Entscheidende.
Zebra:
Was ist Ihrer Meinung nach die Hauptursache für die extrem vielen verletzten Spieler in Ihren Reihen der letzten Saison? Hätte man dem entgegenwirken können oder kann man es in Zukunft?
Uwe Schwenker:
Das ist schwer zu beantworten. Im Prinzip sind fast alle Verletzungen durch Fremdeinwirkungen zu Stande gekommen. Es hängt sicherlich mit der großen Belastung der vielen Pflichtspiele zusammen, der die Spieler unterworfen sind. Wenn die Verletzungen durch Trainingsbelastungen o.ä. passiert wären, könnte man an die Sache ganz anders herangehen. Unsere Spieler sind nun einmal fast ausschließlich durch die Beteiligung Dritter verletzt worden - dies ist ein Risiko, mit dem man immer rechnen muss. Dass sich in der Tat eine solch große Anzahl von Spielern so schwer verletzt haben war für uns ein gewaltiges Handicap, welches uns noch heute mit den Verletzungen von Lozano und Lövgren teilweise belastet. Bei der großen Anzahl von Spielen in der Bundesliga, dem DHB- und Europapokalen und zusätzlichen Nationalmannschaftseinsätzen ist es wichtig, einen großen ausgeglichenen Kader zu haben, um seine Spieler in gewisser Weise rotierend einsetzen zu können - was allerdings nicht immer finanziell machbar ist.
Zebra:
Wenn man es genau nimmt, haben Sie in diesem Jahr zwei Spieler weniger zur Verfügung als im letzten Jahr (fünf Zugänge, sieben Abgänge). Ist das Team dadurch nicht noch anfälliger für Verletzungen als im Vorjahr?
Uwe Schwenker:
Also ich sage, wir haben sogar mehr Spieler als in der letzten Saison. Effektiv haben letztes Jahr eigentlich weniger Leute gespielt als uns momentan zur Verfügung stehen. Das hängt damit zusammen, dass uns der eine oder andere Spieler quasi die gesamte Spielzeit gefehlt hat und wir lediglich versucht haben, durch kurzfristige Neuverpflichtungen die entstandenen Löcher zu stopfen. Jetzt haben wir einen Kader zusammen, der weitgehend fit ist, wenn man eben von den für uns wichtigen Spielern Lozano und Lövgren absieht, die ebenfalls bei Saisonbeginn hoffentlich wieder einsatzbereit sein werden.
Zebra:
Sind die Transferaktionen für diese Saison also definitiv abgeschlossen?
Uwe Schwenker:
Absolut! Bei sachlicher Analyse und näherer Betrachtung kann man davon ausgehen, dass diese Mannschaft eine Investition in die Zukunft ist. Ein Kader dieser Größe und Qualität, davon gehen das engere, sowie das weitere Umfeld aus, wird in der Lage sein, den vielen Kieler Fans in absehbarer Zukunft eine Menge Spaß und auch Erfolg bieten zu können. Diese Investitionen waren durchaus ein nicht geringer Kraftakt, der selbst für den THW an seine finanziellen Grenzen des Machbaren trifft. Von daher schließe ich momentan völlig aus, dass es in dieser Saison zu einer weiteren Verpflichtung kommt, obwohl wir selbstverständlich immer unsere Augen überall bei Spielern haben, die zum THW passen würden. Es war für uns wichtig, wieder eine Mannschaft zu haben, auf deren Kern man punktuell weiter aufbauen kann, aber sicherlich nicht in dieser Saison.
Zebra:
Gibt es Ihrer Meinung nach das ideale Alter eines Handballers? Wie lange dauert heutzutage eine durchschnittliche Karriere?
Uwe Schwenker:
Man kann schon sagen, dass die Karrieren der Handballer mit zunehmender Zeit länger werden. Die hohen Belastungen sind zwar ein Problem, aber die Rahmenbedingungen werden ständig besser. Was heute an medizinischen und physiotherapeutischen Leistungen erbracht wird und auch an Reha- oder Präventivmaßnahmen unternommen wird, geht weit darüber hinaus, was noch vor fünf oder zehn Jahren möglich war. Von daher wird es für viele Spieler ganz einfach auch eine längere aktive Zeit geben, insbesondere auch deshalb, weil mit Profi-Handball mittlerweile doch gutes Geld zu verdienen ist. Dieser Vorgang ist mit anderen Sportarten durchaus mit Parallelen behaftet, ein ideales Alter gibt es aber eigentlich nicht. Am liebsten hätte man natürlich einen Weltklasse-Spieler mit einem großen Erfahrungsschatz, der aber noch 21 Jahre alt ist. Den würde man natürlich nie finden, was wir in der Vergangenheit damit zum Ausdruck gebracht heben, dass für uns in erster Linie Leistung zählt, nicht das Alter. In der jetzigen Situation macht es allerdings Sinn, eine neue, junge Mannschaft aufzubauen, die noch lange zusammen spielen kann.
Zebra:
Wie lange könnte diese Mannschaft also noch zusammen spielen, wenn es nach Vorstellung der Clubführung geht?
Uwe Schwenker:
Ich denke, es wäre vermessen zu sagen, diese Spieler spielen noch x oder y Jahre beim THW Kiel. Die Situation ändert sich stetig, wodurch man unweigerlich dazu gezwungen wird, auf bestimmte Vorgänge und Herausforderungen Einfluss zu nehmen. Es ist sehr schwierig, wirklich langfristig zu planen. Es war und ist Ziel des THW Kiel, nicht nur im Umfeld, sondern auch in der Mannschaft Kontinuität an den Tag zu legen und eine Mannschaft solange wie möglich von großen Veränderungen zu verschonen um auch eine Identifikation mit den Fans herstellen zu können. Das sind wir unseren treuen Zuschauern, als auch unseren langjährigen Sponsoren einfach schuldig.
Zebra:
Werfen wir nun einen Blick auf den Rest der Liga. Wie schätzen Sie Ihre Konkurrenz ein? Wer ist Ihr Favorit?
Uwe Schwenker:
Die Konkurrenz ist immer groß. Es wird in dieser Saison wohl sieben Mannschaften geben, die um die ersten Plätze mitspielen können, was ich sehr positiv bewerte. Problematisch, aus meiner Sicht zumindest, ist die Gefahr, dass die Liga sich mehr und mehr zweiteilt. Wir müssen aufpassen, dass die Attraktivität der Liga erhalten bleibt, dass der letzte im Zweifel den ersten der Liga noch schlagen kann, denn nur dann kann man auch über die gesamte Saison hinweg die Hallen ausverkaufen. Es darf nicht sein, dass es, ähnlich wie in Spanien, eine kleine Spitze von Topmannschaften gibt und der Rest der Liga fällt deutlich ab.
Zebra:
Welche Mittel kann man der Zweiteilung der Liga entgegensetzen?
Uwe Schwenker:
Das sind Fragen, die man innerhalb der Liga diskutieren muss. Angefangen bei der Zentralvermarktung, Verteilung von möglicherweise noch zu generierender Gelder und dergleichen. Ich weiß selbstverständlich, dass durchaus gewisse Egoismen vorherrschen, welche durch den freien Wettbewerb ganz natürlich sind. Dennoch sollten alle unsere Bestrebungen darauf hinauslaufen, diese Zweiteilung zu verhindern, denn nur wenn man spannende Spiele garantieren kann, wird man genügend Zuschauer in die Hallen bewegen und auch die Spiele richtig vermarkten können.
Zebra:
Glauben Sie an einen erneuten Alleingang des TBV Lemgo?
Uwe Schwenker:
Der TBV Lemgo hat eine herausragende Mannschaft, mit der auf jeden Fall wieder zu rechnen ist. Das Team ist perfekt eingespielt und besitzt auch das nötige Selbstvertrauen, den Titel erneut zu holen. Dennoch ist der Lemgoer Kader auch nicht besonders üppig mit Spielern ausgestattet, so dass es abzuwarten gilt, wie die Mannschaft mit der hohen Belastung und drohenden Verletzungen umgehen kann. Es hängt auch vieles von einem guten Saisonstart ab. Wenn wir selber gut in die Gänge kommen, können wir auch eine gute Rolle spielen.
Zebra:
Die SG Flensburg-Handewitt hat sich im letzten Jahr sehr darüber gefreut, vor ihrem Nordrivalen, dem THW Kiel zu stehen. Denken Sie, das Blatt wird sich in dieser Saison ändern?
Uwe Schwenker:
Wir selbst haben eigentlich nie in Richtung Flensburg geschielt. Wir sind wir und wollen jedes Jahr den bestmöglichen Handball bieten. Es gibt eine gewisse Konkurrenzsituation, welche sowohl für Flensburg als auch für uns sicherlich sehr positiv ist. Es wäre nicht gut, wenn eine der beiden Mannschaften sich am Ende der Tabelle wiederfinden würde, da die Konkurrenzsituation somit stark abnehmen würde. Unsere Begegnungen sind voll von Emotionen und ich denke, dies ist für beide Seiten positiv. Bei der Platzierung schauen wir, wie gesagt, nicht auf Flensburg, sondern versuchen einfach, jedes Spiel zu gewinnen.
Zebra:
Denken Sie auch an bestimmte Überraschungsmannschaften?
Uwe Schwenker:
Ich hoffe und glaube eigentlich, dass es dieses Jahr mehr Überraschungen geben wird als letztes Jahr. Das liegt daran, dass sich viele Mannschaften durchaus gut und sinnvoll verstärkt haben. Wer momentan immer noch als eine Art "Underdog" gehandelt wird, ist der HSV Hamburg, die aus meiner Sicht aber, was Personalkosten, Etat, Budget und Zusammensetzung der Mannschaft mit das Beste haben, was der deutsche Handball zu bieten hat. Auch Mannschaften wie Nordhorn, Wallau-Massenheim oder Gummersbach werden eine gute Rolle spielen können. Insbesondere die Gummersbacher sind immer wieder für eine Überraschung gut. Es bleibt abzuwarten, wie sie sich über die gesamte Saison mit ihrem eher knappen Kader in der oberen Hälfte der Tabelle beweisen können.
Zebra:
Sie haben auf der Pressekonferenz zur Saisoneröffnung gesagt, die Einnahmen aus der Champions League würden Ihnen schon fehlen. Kann man sagen, oberste Priorität ist es, die Champions League so schnell wie möglich zu erreichen?
Uwe Schwenker:
Die Champions League ist ganz klar die Premiumklasse im Handball und es ist sicherlich für jeden Spieler und jedes Team, diesen Wettbewerb zu erreichen, um mit den besten Mannschaften Europas einen gemeinsamen Titel auszuspielen. Aus wirtschaftlichen Gründen könnten wir aber auch längerfristig darauf verzichten, Ziel ist und bleibt es aber diesen Cup zu erreichen und irgendwann einmal ihn hoffentlich auch zu gewinnen.
Zebra:
Wie wichtig war die Qualifikation für den EHF-Cup in der letzten Saison?
Uwe Schwenker:
Es ist immer gut für den Verein, auch europäisch vertreten zu sein. Es ist eben nicht die Premiumklasse Champions League, in der man gegen solch große Vereine wie Barcelona spielen kann, aber ich denke, es ist dennoch wichtig, auch für die Spieler aus dem Bundesligaalltag einmal herauszukommen und natürlich auch besser für unser Image als europäischer Spitzenverein. Ebenfalls nicht zu unterschätzen war der dazugehörende Leistungsschub zum Ende der letzten Saison, der doch viele Fans noch einmal versöhnlich gestimmt hat und für die verbleibenden Spieler einen besseren Übergang in die neue Spielzeit darstellt. Darüber hinaus muss man anmerken, dass wir als zweiter deutscher Teilnehmer in diesem Cup nicht gesetzt sind und von Anfang an gegen die Topmannschaften antreten können, was der Attraktivität der Spiele zugute kommen wird. Wir werden uns bemühen, soweit wie möglich zu kommen.
Zebra:
Die stets ausverkaufte Ostseehalle wurde im letzten Jahrzehnt sehr verwöhnt und erwartet Erfolge. Muss sich das Publikum in näherer Zukunft bescheidener geben?
Uwe Schwenker:
Ich war und bin davon überzeugt, dass wir ein sehr sach- und fachkundiges Publikum haben, das durchaus einschätzen kann, wie die Situation sich momentan darstellt. Ich denke, es wird auch sicherlich einer jungen Mannschaft Rechnung tragen, dass sie zu 100 Prozent Einsatz und Siegeswillen zeigt, auch wenn der ein oder andere Spieler mangels Erfahrung nicht die nötige Routine und Kontinuität bringen kann. Ich hoffe und glaube auch, dass es die Mannschaft trotzdem weiter ermutigen und unterstützen wird, wie es seit eh und je war.
Zebra:
Sie haben zuletzt schon mehrmals auf die immer weiter steigenden Spielergehälter aufmerksam gemacht. Kann dieses asymetrische Verhältnis der Entwicklung von relativ stabilen Einnahmen und höheren Ausgaben bald zum Problem werden?
Uwe Schwenker:
Natürlich kann das ein Problem sein und es ist unsere Aufgabe, mit dieser Entwicklung fertig zu werden. Der Handball wird durch gute Spieler natürlich auch attraktiver. Allerdings ist der Transfermarkt sehr übersichtlich, was wirklich gute Spieler betrifft, so dass sich oft viele Vereine gleichzeitig auf die besten Spieler stürzen, wodurch die Preise entsprechend der Nachfrage steigen. Bei der momentanen wirtschaftlichen Lage ist dies ein antizyklisches Verhältnis und kann nicht endlos gut gehen, da wir nicht mehr ausgeben können, als wir einnehmen. Hinzu kommt, dass die Spielergehälter auf Netto-Basis ausgehandelt und Brutto bezahlt werden. Ein junger, unverheirateter Spieler kostet also mehr Geld als ein Verheirateter.
Zebra:
Kleineren Vereinen stehen noch wesentlich weniger Mittel zur Verfügung als dem THW. Dennoch war von drohenden Insolvenzanträgen in letzter Zeit nichts zu hören. Hat sich die Bundesliga sozusagen "gesund geschwitzt"?
Uwe Schwenker:
Ich war in den letzten Jahren nicht im Ligaausschuss dabei und kann somit wenig über die Internas sagen, auf der anderen Seite glaube ich schon, dass das neue Lizensierungsverfahren, welches vor einigen Jahren neu eingeführt worden ist, nun auch langsam greift. Dies ist sehr positiv für die gesamte Liga, da uns sportliche Nachrichten natürlich wesentlich besser bekommen als finanzielle Insolvenzfälle. Ich glaube schon, dass man mittlerweile schrittweise dazu übergegangen ist, insgesamt seriöser und sicherer zu wirtschaften.
Zebra:
Der THW ist dabei, sich mit Hilfe einer Münchner Agentur ein neues, moderneres Gesicht zuzulegen. Was versprechen Sie sich davon?
Uwe Schwenker:
Grundsätzlich war es für mich eigentlich klar, dass wenn eine Ära zu Ende geht und die Zukunft einer neuen, jungen Mannschaft startet, sollte dies auch nach außen hin sichtbar sein. Insofern lag es nah, "wann, wenn nicht jetzt", sich auch ein neues Design zuzulegen. Es dient dazu, den THW unverkennbar darzustellen und zu vereinheitlichen, was zwar wichtig ist, hinter dem Sport aber deutlich zurücksteht. Ich denke, es ist einfach wichtig für einen Spitzenverein wie den THW Kiel auch ein entsprechendes Erscheinungsbild zu haben, im Zweifel auch etwas jünger und moderner rüberkommt und man sofort erkennt: Das ist der THW! Diese neue Wahrnehmung wird sich aber sehr schnell einstellen, sobald die ersten Tore wieder fallen.
Zebra:
Auffällig am Logo des THW ist, dass man dem Zebra das Auge und die Freundlichkeit genommen hat...
Uwe Schwenker:
Das ist richtig und auch durchaus beabsichtigt so. Das neue Logo ist ein Ergebnis repräsentativer Umfragen. Das alte Zebra wurde demnach als zu freundlich und sympathisch empfunden und passt nicht so gut zu einer Mannschaft, welche nicht unbedingt gewillt ist, Geschenke an den Gegner zu verteilen. Das neue Zebra wirkt wesentlich moderner und kämpferischer. Ich selber habe mich inzwischen daran gewöhnt und es gefällt mir immer besser, je länger oder öfter ich es anschaue. Man hat eben eine neue Richtung eingeschlagen, ohne aber die alten Tugenden und Werte in diesem neuen Gesicht vergessen zu lassen.
Zebra:
Es ist aber nicht geplant, sich in Zukunft einen Beinamen zu geben, wie beispielsweise die Magdeburg Gladiators?
Uwe Schwenker:
Nein, auf keinen Fall!
Zebra:
Wie kommt man als Nordlicht ausgerechnet auf eine Münchner Agentur?
Uwe Schwenker:
Die Wege sind nun einmal unergründlich. Es handelt sich bei "ProSC" um eine Agentur, die dem Handball sehr geneigt ist, der man bei verschiedenen Veranstaltungen öfters über den Weg gelaufen ist. Die ersten Kontaktaufnahmen gab es von dieser Agentur an uns, wenn sie sich im Handball engagieren, dann wollten sie es bei dem THW Kiel. So hat sich die Verbindung nach und nach ergeben.
Zebra:
Haben Sie noch Einflüsse auf die TV-Vermarktung der Liga, nachdem Sie aus dem Ligaausschuss zurückgetreten sind? Ist mit Ihnen dort in absehbarer Zeit wieder zu rechnen?
Uwe Schwenker:
Ich glaube, ich habe immer noch genügend Kontakte und es wird auch immer noch genug gesprochen. Das Entscheidende aus meiner Sicht ist, ganz gleich wer welche Aktivitäten startet, dass dafür Sorge getragen wird, dass der Handball im Fernsehen mehr präsent ist. Den Teil, den ich dazu beitragen kann, will ich auch gerne dazu beitragen. Im Moment ist es für mich allerdings kein Thema, dem Ligaausschuss wieder beizutreten. Ich widme mich jetzt voll und ganz dem THW. Es kommt jetzt eine sehr schöne und spannende Zeit auf uns zu, welche aber auch mit viel Arbeit zu tun hat. Das heißt natürlich nicht, dass ich fortan alles über mich ergehen lassen werde, was über den THW hinaus auf nationaler Ebene passiert, da ist man natürlich schon versucht, ein wenig Einfluss zu nehmen.
Zebra:
Größeres Medieninteresse am Handball ist trotz der sehr erfolgreichen Europa- und Weltmeisterschaften und stetig steigenden Zuschauerzahlen größtenteils ausgeblieben. Sind Sie von dieser Entwicklung persönlich enttäuscht?
Uwe Schwenker:
Ich bin ehrlich gesagt nicht überrascht davon, aber weh tun tut es dennoch. Man muss sich verinnerlichen, was die Fernsehmacher dazu bewegt, Sport im Fernsehen zu zeigen. Neben der Fußball-Bundesliga gibt es eigentlich nur "Events" wie Welt- oder Europameisterschaften, welche dort Anklang finden. Das ist natürlich etwas anderes, als über den Handball-Bundesliga-Alltag zu berichten, der somit mehr und mehr zum "Regionalsport" verkommt. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es in dieser Saison auch wieder Bundesligaspiele im TV zu sehen gibt, auch ohne dabei draufzahlen zu müssen. Der Handball birgt als TV-Sport noch großes, ungeahntes Potential, welches es aufzuzeigen gilt.
Zebra:
Orientieren Sie sich also an Großereignissen wie im Fußball oder der amerikanischen NBA?
Uwe Schwenker:
Ich glaube, wer die Spiele in der Ostseehalle, der Köln-Arena oder auch Color-Line-Arena betrachtet, wird erkennen, dass durchaus ein gewisser Eventcharakter zum Vorschein kommt. Der Großteil der Zuschauer nimmt diesen Weg auch sehr gut auf.
Zebra:
Können Sie schon ein Fazit über den Hallenumbau ziehen? Hat er sich bewährt?
Uwe Schwenker:
Unsere Rückmeldungen waren durchweg positiv, sowohl von den Betreibern als auch von den Zuschauern. Die Leute bleiben vor und nach dem Spiel länger in der Halle, was allerdings auch abhängig vom Wochentag ist, an dem das Spiel stattfindet. Ich denke, der sehr erfolgreiche Dauerkarten-Verkauf zeigt auch sehr deutlich,dass man auch mit dieser großen Halle den einzelnen Zuschauer doch gut erreicht. Das bedeutet für uns eine dementsprechende Verpflichtung, die gute Atmosphäre in der Halle beizubehalten.
Zebra:
Unter Ihrem Management hat sich der THW zu einem absoluten Spitzenverein gemausert und hat Sie sicherlich viele Entbehrungen gekostet. Wie vereinbaren Sie Ihren zeitaufwendigen Beruf mit Ihrem Privatleben?
Uwe Schwenker:
(lächelt) Nun, das sollten Sie am besten meine Frau fragen. Im Ernst, meine Familie ist mir sehr wichtig und ich bin ihr sehr dankbar, dass sie voll und ganz hinter mir steht. Meine Frau trägt meine Interessen mit, hat früher selber einmal Handball gespielt und steht außerdem voll in ihrem eigenen Beruf. Ansonsten würde sich die Situation wahrscheinlich schwieriger darstellen... Im übrigen denken viele meiner Spieler, ich stünde den halben Tag auf dem Golfplatz, was natürlich nur entfernt der Wahrheit entspricht, wenn ich danach noch bis abends um 10 Uhr beschäftigt bin.
Zebra:
Und woher nehmen Sie die Motivation, jedes Jahr von neuem eine Top-Mannschaft zusammenzustellen, wobei Sie ja eigentlich schon mehr als die meisten anderen erreicht haben?
Uwe Schwenker:
Das stellt sich für mich relativ einfach dar. Selbst wenn ich nicht den THW managen würde, würde ich mich trotzdem ständig mit Handball beschäftigen. Ich habe sozusagen mein Hobby zum Beruf gemacht- für mich ist es die ideale Kombination. Ich setze mir jedes Jahr neue Ziele, wenn mein Team gerade Meister wurde, setze ich alles daran, die erbrachte Leistung immer wieder zu bestätigen, was ungleich schwerer ist, als vorher einmal Meister zu werden. Ich möchte mich nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen.
(Das Interview führten Thomas Fischer und Sascha Klahn (living-sports).)


(15.09.2003) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite