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23.05.2008 Bundesliga

Zebra-Journal: Hamburg: "Titel-Ebbe" an der Elbe

HSV nur die Nummer drei im Norden

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 23.05.2008:

30. März, kurz vor 16 Uhr: Es sind die Momente, in denen Kyung-Shin Yoon die letzte Chance auf einen deutschen Titel buchstäblich davoneilt. Der Südkoreaner sitzt mit angewinkelten Beinen auf der Bank seines HSV Hamburg. Sein Blick geht zum Videowürfel, dann gleich noch einmal. Nein, er hat sich nicht geirrt. Es sind nur noch wenige Sekunden zu spielen, an der Niederlage im Endspiel des Final Four gegen den THW Kiel ist nicht mehr zu rütteln.
Kurz darauf gratuliert der Koreaner artig den Kontrahenten. Seine Miene ist versteinert. Aus Enttäuschung und Erschöpfung. Eine Urkunde und das kleine Präsent nimmt der "beste Spieler des Final Four" freundlich entgegen. Doch die Laune bessert sich nicht. "Diese Auszeichnung ist mir nicht wichtig", sagt Yoon. "Ich wollte den Pokal. Er war wie mein Abschiedsspiel, die letzte Chance auf einen deutschen Titel."

Fast unglaublich, aber wahr. Der Akteur, der in zwölf Jahren Bundesliga für Gummersbach (1996 bis 2006) und Hamburg (seit 2006) insgesamt 2908 Treffer erzielte, so viele wie kein anderer in der 31-jährigen Liga-Geschichte, hat weder die Meisterschaft noch den DHB-Pokal in der Vita stehen. Beim letzten Anlauf gab er alles, erzielte im ersten Durchgang nicht weniger als neun Tore. Doch nach dem Seitenwechsel riss bei ihm der Faden - und der HSV geriet auf die Verliererstraße. "Man merkte bei uns das Fehlen einiger verletzter Spieler und den Kräfteverschleiß", sagte Yoon. "Auch ich war am Ende sehr müde."

Nach der Saison kehrte er mit der Familie nach Korea zurück. Nicht ganz ohne Vereinstitel. In der vorvergangenen Saison gewann der 2,04 Meter große Linkshänder mit dem HSV den europäischen Pokalsieger-Wettbewerb. "Er hat uns auf dem Weg an die Spitze geholfen", weiß Trainer Martin Schwalb. "Gerade sein Erfolgsdenken und seine einfachen Tore haben uns sehr genützt."

Zu gerne hätte der Coach dem scheidenden Star eine Trophäe ins Gepäck gesteckt. Doch nach dem DHB-Pokal 2006 und eben dem Pokalsieger-Cup vor Jahresfrist herrschte diesmal an der Elbe "Titel-Ebbe". In Tränen brach Schwalb deshalb aber nicht aus, zeigte sich vielmehr zufrieden. "Wir haben bewiesen, dass wir nicht nur ein Jahr ganz oben mitmischen können", resümierte er. "Viele Vereine schießen schnell an die Spitze, um dann eben so schnell wieder zu verschwinden."

In Spielerkreisen hatte manch einer von einem erneuten Empfang im Rathaus geträumt. Mit Meisterschale oder einem "Pott" unter dem Arm. Die Hoffnungen zerplatzten, die große Enttäuschung suchte man vergeblich. "Meine Erwartungen sind voll eingetreten", bilanzierte Nationalkeeper Johannes Bitter zum Abschluss seiner ersten Saison in Hamburg. "Jeder konnte sehen, dass wir eine schlagkräftige Truppe besitzen."

Die nach außen demonstrierte Zufriedenheit kann allerdings nicht ganz die Existenz bitterer Augenblicke vertuschen. In allen Wettbewerben bestanden Titel-Chancen. Etwa im DHB-Pokal, als der HSV im Finale zur Pause knapp führte, sich dann überrumpeln ließ, um nach der Roten Karte gegen Marcus Ahlm und der Zeitstrafe gegen THW-Trainer Noka Serdarusic bei eigener 6:4-Überzahl die Wende vor Augen zu haben. Guillaume Gille traf jedoch nur den Pfosten, Iwan Ursic fiel der Ball auf den Fuß - die Trophäe wanderte an die Förde. "Da war mehr drin", ärgert sich Schwalb: "So ein Endspiel muss man aber auch erst einmal erreichen."

In der Champions League überzeugte der HSV vor allem in der Hauptrunde, überstand die vermeintliche "Monster-Gruppe" mit Zagreb, San Antonio und Flensburg als Gruppensieger. Im Semifinale wackelten die Elbe-Handballer trotz einer 27:34-Hinspielniederlage kräftig am Thron des späteren Siegers Ciudad Real. Es fehlte im Rückspiel nur ein Tor. In der Schlussminute scheiterte Guillaume Gille an Torwart Arpad Sterbik. Die Atmosphäre in der Color Line Arena produzierte unvergessliche, positive Erinnerungen. "Ich hätte nicht gedacht, nach dem WM-Finale einmal eine noch bessere Stimmung zu erleben", schwärmte damals der neunfache Torschütze Pascal Hens.

Unter dem Strich fällt die Bilanz lediglich für die Bundesliga etwas kritischer aus. Der Vize-Meister des Vorjahres hatte zum Sturm auf die Spitze geblasen, um letztlich nur "Bronze" in den Händen zu halten - hinter Kiel und überraschend Flensburg. Ausschlaggebend: die Heimschwäche. Gleich sechs Zähler schenkte man den Gästen. Flensburg gewann, Kiel, Lemgo, die Rhein-Neckar Löwen und sogar Wetzlar entführten einen Punkt. Da geriet der 31:30-Triumph der Hamburger in Kiel zur Makulatur. "Einige unnötige Punktverluste", ärgert sich Bitter, "haben uns das Genick gebrochen."

Eine Saison ohne Titel - das wird den ebenso ehrgeizigen wie vermögenden HSV-Präsidenten Andreas Rudolph nicht zufrieden stellen. Meisterschaft 2008, die Champions League bis 2010 - diese Wünsche äußerte der Mäzen im Sommer. Die Hausaufgaben schienen gemacht. Mit einem Etat von rund 6,5 Millionen Euro gehören die Hanseaten längst zu den Schwergewichten der deutschen Eliteklasse. Und als im Winter die Titel-Hoffnungen auf der Kippe standen, rüstete Rudolph noch einmal auf. Neben Allrounder Heiko Grimm wechselte Super-Star Oleg Velyky an die Elbe. Nach langem Vertragspoker gaben die "Löwen" den gebürtigen Ukrainer vorzeitig ab. Zum Einsatz kam er allerdings nicht. Zunächst erlitt er bei der Europameisterschaft einen Kreuzbandriss, dann diagnostizierten Mediziner bei ihm erneut Hautkrebs.

Damit mussten die Hamburger auf ihre "große Trumpfkarte" im Meisterkampf verzichten. Als dann auch noch Leistungsträger wie Torsten Jansen, Bertrand Gille oder Hens in wichtigen Partien ausfielen, war der Kader zu knapp besetzt. Dementsprechend investierte Rudolph erneut und verpflichtete Marcin Lijewski, Blazenko Lackovic, Arne Niemeyer und Nicklas Grundsten für die kommende Serie.

Diesmal allerdings müssen die HSV-Handballer neidisch nach Kiel blicken. "Das ist bewundernswert - da weiß man, woran man sich zu orientieren hat", sagt Schwalb. "Wir werden aber unseren eigenen Weg gehen. Schließlich sind wir nicht der THW, sondern der HSV Hamburg."

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