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30./31.03.2008 - Letzte Aktualisierung: 31.03.2008 DHB-Pokal

Der THW Kiel holt den ersten Titel der Saison! DHB-Pokalsieg gegen HSV Hamburg

Titelverteidigung geglückt trotz roter Karte gegen Marcus Ahlm

DHB-Pokal, Finale: 30.03.2008, So., 14.05: THW Kiel - HSV Hamburg: 32:29 (17:18)
Update #2 KN-Berichte, Stimmen, Fotos und Spielbericht ergänzt...

Der THW ist Deutscher Pokalsieger 2008!
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Das "Projekt" Triple-Verteidigung ist erfolgreich gestartet: Mit einem hart erkämpften 32:29 (17:18)-Erfolg gegen den HSV Hamburg holten sich die Zebras am Sonntag Nachmittag den DHB-Pokal. Eine grandiose kämpferische Leistung, ein starker Thierry Omeyer im zweiten Durchgang und Nikola Karabatic mit neun Treffern ließen die Kieler am Ende von sechzig spannenden Minuten feiern.
Die Colorline-Arena war auch am Finaltag wieder bestens gefüllt, fast alle Fans der Halbfinalisten Rhein-Neckar Löwen und HSG Nordhorn wollten sich das Endspiel trotz der Absage des "kleinen Finals" nicht entgehen lassen. Die Hamburger allerdings wirkten trotz des vermeintlichen Heimvorteils anfangs nervöser, der THW ging durch Ahlm und Kavticnik mit 2:0 in Führung, während Bertrand Gille nur den Pfosten traf, Lijewski an Omeyer scheiterte und auch Pascal Hens seine ersten zwei "Fahrkarten" löste. Die Hanseaten verzichteten zunächst auf die Dienste von Spielmacher Guillaume Gille, für den Linkshänder Lijewski die Position im mittleren Rückraum bekleidete, auf Halbrechts hatte dafür Kyung-Shin Yoon Narrenfreiheit. Und diese nutzte er erstmals zum 2:1-Anschlusstreffer.

Marcus Ahlm erzielte seine fünf Treffer allesamt im ersten Durchgang.
Klicken Sie zum Vergrößern! Marcus Ahlm erzielte seine fünf Treffer allesamt im ersten Durchgang.
Insgesamt wirkten die Kieler in der Anfangsphase aber wacher, schienen auf die offensive Hamburger Abwehr sehr gut eingestellt. Allen voran Vid Kavticnik, der immer mal wieder im Rückraum auftauchte, von dort auch das 3:1 erzielte. Er und Marcus Ahlm machten am Anfang den Unterschied aus, so dass der THW nach neun Minuten verdient mit 6:4 führte. Doch Hamburg blieb nicht nur dran, ging sogar in der Folgezeit erstmals in Führung, weil die Kieler Abwehr noch zu brav gegen die halben Rückraumspieler der Gastgeber agierte, weil Thierry Omeyer einen schwachen Start in die Partie hatte und weil bei Kim Andersson im Angriff einfach nichts klappen wollte. Ein Pfostenwurf des Schweden - sein bereits dritter Fehlwurf - nutzte Bruno Souza aus, um im Gegenstoß den Ausgleich zum 6:6 zu markieren, wenig später war nach einer Parade von Bitter gegen Karabatic Hans Lindberg zur Stelle, um die Gastgeber erstmals in Führung zu bringen.

Die Hamburger Fans waren nun obenauf in der Colorline-Arena, und ihre Mannschaft legte noch nach: Weitere Paraden des in dieser Phase starken Johannes Bitter gegen Ahlm und erneut Andersson, drei weitere Yoon-Treffer, ein schöner Gegenstoß über Souza und Lindberg - der HSV zeigte sich Mitte des ersten Durchgangs in Spiellaune und führte nach 17 Minuten mit 12:10 - "nur" mit zwei Toren, weil immerhin das Kieler Trio Kavticnik, Karabatic und Ahlm im Angriff für Torgefahr sorgten.

Einmal mehr bester Torschütze: Nikola Karabatic erzielte die meisten Treffer am Wochenende.
Klicken Sie zum Vergrößern! Einmal mehr bester Torschütze: Nikola Karabatic erzielte die meisten Treffer am Wochenende.
Dennoch war Noka Serdarusic mit seiner Mannschaft nicht zufrieden, nahm daher nach dem Treffer von Bertrand Gille zum 12:10 seine Auszeit, bot im rechten Rückraum nun Börge Lund für den glücklosen Kim Andersson auf. Und tatsächlich, nach einer Parade Anderssons gegen Souza, einem Treffer von Ahlm und einem von Lund eiskalt abgeschlossenen Gegenstoß war der Ausgleich schnell wieder hergestellt, der Auftakt zu einer rasanten Schlussphase der ersten Halbzeit. Diese wurde von Nikola Karabatic und Kyung-Shin Yoon geprägt, der neun seiner zehn Treffer vor dem Pausenpfiff markierte. Bis zum 16:17 (27.) aus Kieler Sicht fiel ein Tor nach dem anderen. Mittlerweile kehrte Thierry Omeyer für den ebenfalls glücklosen Mattias Andersson ins Tor zurück und fand nun endlich in die Partie: Zunächst parierte er gegen Guillaume Gille, dann endlich auch einen Yoon-Wurf. Der THW hatte die Chance zum 17:17-Ausgleich, doch Marcus Ahlm ließ sich bei einem Freiwurf von Heiko Grimm den Ball stibitzen, weil der Schwede dachte, das Spiel sei noch nicht wieder freigegeben - Grimm nutzte diese Chance, erzielte das 18:16. Marcus Ahlm machte seinen "Fehler" immerhin noch mit seinem fünften Treffer wieder wett, dennoch ging Kiel mit einem kleinen Rückstand in die Halbzeitpause.

Nach dem Seitenwechsel sollte nun endlich ein Mittel gegen Kyung-Shin Yoon gefunden werden, Noka Serdarusic stellte dafür Dominik Klein an die Spitze einer 5:1-Deckung. Und tatsächlich: Die Abwehr stand nun besser gegen die Hamburger Angreifer, und vor allem Thierry Omeyer steigerte sich in eine Weltklasseform: Nach Paraden gegen die Gille-Brüder glich Börge Lund mit seinem Rückraumkracher aus. Als dann der fleißige Dominik Klein seinem Hamburger Gegenspieler einen Ball wegspitzelte, gelang Nikola Karabatic endlich die erste Kieler Führung seit dem 9:8 zum 19:18, die durch Yoons Siebenmeter schnell wieder egalisiert wurde - dies sollte allerdings der letzte Turniertreffer des Südkoreaners bleiben.

Denn nun hatten die Kieler ihre beste Phase, nachdem Thierry Omeyer seine Vorderleute mit einer sensationellen Parade bei einem Gegenstoß von Bertrand Gille endgültig wachrüttelte: Lövgren und Klein trafen vom Kreis, Kavticnik und Karabatic knüpften nahtlos an ihre starken Leistungen des ersten Durchgangs an, Thierry Omeyer entnervte mit seinen Paraden den gesamten Hamburger Rückraum. Plötzlich führten die Zebras mit 24:21 (41.), die Kieler Fans stimmten schon die "Schwarz und weiß"-Hymne an.

Dann aber die 43. Minute: Zunächst scheiterte Nikola Karabatic bei einem Strafwurf am Pfosten, dann bekam Marcus Ahlm bei einer kleinen Rangelei mit seinem Gegenspieler vom zuweilen unglücklich pfeifenden Schiedsrichtergespann Dang/Zacharias eine Zeitstrafe verhängt - eine folgenschwere, denn es war seine dritte. Der HSV witterte nun wieder Morgenluft, Ursic und der zuvor 35 Minuten lang abgetauchte Pascal Hens verkürzten in Überzahl auch auf 23:24. Und es kam noch schlimmer für den THW: Zwar traf Karabatic zum wichtigen 25:23, doch dann verhängten die Schiedsrichter eine zusätzliche Zeitstrafe gegen den mit deren Leistung sichtlich unzufriedenen und wild gestikulierenden Noka Serdarusic.

Doch die vier verbliebenen Kieler Feldspieler kämpften nun um jeden Zentimeter des Parketts, ließen keinen Gegentreffer in Unterzahl zu und erhöhten durch einen Strafwurf Kavticniks sogar wieder auf 26:23. Börge Lund übernahm in Angriff und Abwehr die Position von Marcus Ahlm, Andersson rückte wieder in den rechten Rückraum. Diese Variante funktionierte auch sehr gut: Während Thierry Omeyer weiterhin sensationelle Paraden zeigte und so Anschlusstreffer von Lijewski und Guillaume Gille verhinderte, schafften erneut Kavticnik per Gegenstoß sowie Stefan Lövgren gar das 28:23 in der 50. Minute.

Stefan Lövgren gelangen drei wichtige  Treffer in der zweiten Halbzeit.
Klicken Sie zum Vergrößern! Stefan Lövgren gelangen drei wichtige Treffer in der zweiten Halbzeit.
Entschieden war die Partie aber noch lange nicht, zwei Treffer von Lindberg ließen die Gastgeber wieder hoffen. Eine Hoffnung, die Igor Anic aber im Keim ersticken konnte, der junge Franzose erzielte in einer hektischen Phase das wichtige 30:25, nachdem Karabatic zuvor schon das 29:25 markierte.

Martin Schwalb ließ nun Lövgren von Heiko Grimm aus dem Spiel nehmen, die Kieler wackelten nun nochmal, da im Angriff die letzten Impulse fehlten. Hamburg kam durch zwei Gegenstöße Lindbergs noch einmal heran, und als Pascal Hens drei Minuten vor Schluss auf 28:30 verkürzte, wurde es noch einmal eng. Ein furioser Unterarmwurf Börge Lunds brachte den wichtigsten 31. Treffer der Kieler, und nach Grimms erneuter Verkürzung war es erneut der Norweger, der das Spiel und den Pokalsieg endgültig sicherte: 32:29 - der THW ist zum fünften Mal DHB-Pokalsieger und zieht damit mit Rekordsieger VfL Gummersbach gleich.

Aus dem Feiern nach dem Schlusspfiff kamen die Zebras gar nicht mehr heraus, denn nach der Pokalübergabe wurden zudem noch Thierry Omeyer als bester Torhüter sowie Nikola Karabatic als bester Torschütze mit 17 Treffern ausgezeichnet. Den totalen schwarz-weißen Triumph verhinderte lediglich Kyung-Shin Yoon, der zwar auch seine letzte Chance auf seinen ersten Pokalsieg nicht nutzen konnte, aber zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. Die Kieler feierten noch mehrere Minuten mit dem Fanblock, eine rauschende Pokalfeier indes wird in Kiel nicht geben: Der DHB-Pokalsieg wird am Ende der Saison nach dem letzten Bundesliga-Spieltag auf dem Rathausplatz gefeiert. Und vielleicht kommt ja bis dahin noch der ein oder andere Pokal hinzu, denn die Zebras sind ja bekanntlich Titeljäger...

(Christian Robohm / Sascha Krokowski)

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Lesen Sie auch folgende Berichte:


Stimmen zum Spiel:

HSV-Trainer Martin Schwalb:
Wir haben uns in der zweiten Halbzeit gegen die Kieler 5:1-Deckung schwer getan, außerdem hat Omeyer einigen unserer Rückraumspieler den Zahn gezogen. Es war ein Spiel auf sehr hohem Niveau, der THW war mit Omeyer einen Tick besser.
THW-Trainer Noka Serdarusic:
Ich habe immer versucht, unsere Bundesliga-Niederlage gegen Hamburg zu erklären: Wir waren damals nicht schlechter, sind aber immer am Torhüter gescheitert. Heute waren meine Torhüter in der ersten Halbzeit kaum zu sehen, in der zweiten Halbzeit haben sich Thierry und unsere 5:1-Deckung gesteigert - das hat Hamburg genervt, und man sieht, was am Ende dabei heraus kommt. Selbstverständlich darf heute gefeiert werden, meine Spieler sind alles junge Menschen und sie haben gerade den Pokal gewonnen. Klar, dass ich da eine halbe Stunde mehr Ausgang genehmige (lacht).

Bei meiner Zwei-Minuten-Strafe habe ich mich so aufgeregt, dass ich mich gar nicht mehr erinnere, warum ich sie erhalten habe (lacht). Nein, im Ernst: Normalerweise bin ich ein eher ruhiger Trainer geworden, aber da waren zwei Entscheidungen, über die ich mich sehr aufgeregt habe - ich musste reagieren. Und außerdem konnte man dabei sehen, dass ich auf der Bank auch etwas zu tun habe (lacht).

[zu Börge Lund:]
Ich bin bislang mit einigem, was er im Angriff spielt, noch nicht einverstanden. Aber wir beide arbeiten daran, dass es so wird, wie ich es will.

[zu Igor Anic:]
Ich habe ihn eingewechselt, weil ich hoffte, dass er ein Tor macht. Ich habe nie erwartet, dass Igor auf Anhieb den Sprung in die Mannschaft schafft. Er bemüht sich in letzter Zeit und macht Fortschritte, es ist aber noch ein langer Weg für ihn. Mit seinem Tor heute hat er das Spiel entschieden, das gibt ihm hoffentlich Auftrieb.

HSV-Torhüter Johannes Bitter:
Wir haben in der zweiten Hälfte keine Durchschlagskraft aus dem Rückraum mehr gehabt. Dennoch war das Spiel wesentlich knapper, als das Ergebnis aussagt. Im Endeffekt haben wir heute nur Kraft für die nächsten Wochen verschwendet. Ich bin sehr enttäuscht.
THW-Spieler Nikola Karabatic:
Es war geil heute! Es gibt nichts schöneres, als hier zu gewinnen. Zu Nokas Zwei-Minuten: Es war heute immerhin ein Finale, er hat gesehen, dass wir alles geben. Da war er natürlich aufgeregt [lächelt verschmitzt].
HSV-Spieler Pascal Hens:
Kiel war heute einen Tick besser.
THW-Spieler Dominik Klein:
So kann es weiter gehen! Wir wollen das Triple verteidigen - in der Champions League geht es weiter... Jetzt haben wir den Pokal geholt, aber bereits am Sonntag kommt der große FC Barcelona. Trotzdem werden wir heute im kleinen Rahmen ein wenig feiern.
HSV-Torhüter Per Sandström:
Der Unterschied war, dass der THW konstanter gespielt hat als wir. In der zweiten Halbzeit hatten wir schwächere Phasen und mussten dann dem Rückstand hinterher jagen. Jetzt müssen wir schnell den Schalter umlegen, weil Mittwoch ein schweres Spiel gegen Balingen-Weilstetten auf dem Programm steht.
Hamburgs Sportlicher Leiter Christian Fitzek:
Ich bin von der Atmosphäre in der Halle begeistert. Wir haben heute sehr gut dagegen gehalten und hatten den Fuß noch einmal in der Tür. Ich muss der Mannschaft, dem Umfeld und dem Trainer ein großes Kompliment machen.
THW-Spieler Vid Kavticnik:
Ich habe während des Spiels von der Stimmung in der Halle nicht viel mitbekommen; aber dass unsere Fans uns lauthals unterstützt haben und hinter uns standen, das war unüberhörbar.
THW-Spieler Marcus Ahlm:
Noka sagte uns in der Halbzeit, dass wir einfach in der Abwehr viel konzentrierter stehen und unser taktisches Spiel verbessern müssen. Wir waren nicht überrascht, dass der HSV so stark gespielt hat, doch das Spiel hat uns Kraft gekostet.
THW-Spieler Börge Lund:
In doppelter Unterzahl haben wir Tore gemacht und unsere Stärken gezeigt. Kleine Dinge waren heute für den Sieg entscheidend. Wir wollten gegen Hamburg gewinnen und haben bis zum Umfallen gekämpft und gesiegt!

Als ich am Kreis spielen musste, war das zwar nicht meine Lieblingsposition, doch lief es gut und ich hatte keine Probleme damit.


DHB-Pokal, Finale: 30.03.08, So., 14.05: THW Kiel - HSV Hamburg: 32:29 (17:18)

Logo THW Kiel:
Omeyer (1.-14. und 25.-60., 18 Paraden), M. Andersson (14.-25., 1 Parade); Lund (4), Wessig (n.e.), K. Andersson, Lundström (1), Kavticnik (8/2), Anic (1), Lövgren (3), Ahlm (5), Szilagyi (n.e.), Karabatic (9), Klein (1); Trainer: Serdarusic
Logo HSV Hamburg:
Bitter (1.-38. und 43.-60., 14/2 Paraden), Sandström (38.-40., 1 Parade), Müller (n.e.); Ursic (1), Souza (2), Schult, Torgowanow, Grimm (2), B. Gille (2), G. Gille (1), Lindberg (5/1), Lijewski (2), Hens (4), Yoon (10/3); Trainer: Schwalb
Schiedsrichter:
Dang / Zacharias (Mainz)
Zeitstrafen:
THW: 6 (3x Ahlm (12., 40., 43.), Kavticnik (15.), Serdarusic (45.), Lundström ging für ihn auf die Bank; Klein (59.));
HSV: 5 (Lijewski (7.), Grimm (12.), 2x G. Gille (25., 41.), Torgowanow (47.))
Rote Karte:
THW: Ahlm (43., dritte Zeitstrafe)
Siebenmeter:
THW: 5/2 (Bitter hält 2x Kavticnik (18., 47.), Karabatic an den Pfosten (43.));
HSV: 4/4
Spielfilm:
1. Hz.: 2:0, 3:1 (5.), 4:2 (6.), 5:3, 6:4 (10.), 6:7 (11.), 8:7 (13.), 9:8, 9:11 (16.), 10:12 (17.), 12:12 (20.), 13:13, 13:15 (24.), 14:16, 15:17, 16:18 (29.), 17:18;
2. Hz.: 19:18 (34.), 21:19 (37.), 22:20, 23:21 (39.), 24:22, 24:23 (44.), 28:23 (50.), 28:25 (53.), 30:25 (54.), 30:28 (57.), 31:29 (59.), 32:29
Spielgrafik:
Spielgraphik
Zuschauer:
12800 (ausverkauft) (Colorline-Arena, Hamburg)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008:

Manchmal ist es wie immer

THW Kiel setzt seine Erfolgsserie fort und gewinnt als erster Klub zum fünften Mal den DHB-Pokal
Direkt nach dem 32:29 (17:18)-Sieg im Endspiel um den DHB-Pokal sammelten die Handballer des THW Kiel Medaillen und Sporttaschen ein, eilten in ihren Mannschaftsbus, um bereits zwei Stunden nach dem Abpfiff in Kiel auf den ersten Titel dieser Saison anzustoßen. Bei "Tonis", einem italienischen Restaurant am Hafen. Hier, wo die "Zebras" im April und Mai bereits die einzelnen Etappen ihres Triples gefeiert hatten. Manchmal ist es eben wie immer.

"Heute lassen wir es richtig krachen", meinte Rechtsaußen Vid Kavticnik. "Ab morgen bereiten wir uns auf Barcelona vor." Die Spanier sind am Sonntag zu Gast im ersten Halbfinale der Champions League. Der Königs-Wettbewerb und dennoch ein Cup, an den gestern kein Kieler dachte. Zu groß war die Freude darüber, den HSV Hamburg in seinem Wohnzimmer in die Knie gezwungen zu haben. Vor einerfantastischen Kulisse, die weitgehend in der Hand der Kieler Fans war.

"Wir haben hier als Mannschaft gewonnen", meinte Marcus Ahlm, der in der 43. Minute die Rote Karte gesehen hatte. Seine dritte Zeitstrafe erhielt Kiels Kreisläufer, weil er den korrekten Abstand bei einem Freiwurf nicht eingehalten hatte. Eine Fehlentscheidung der sonst souveränen Unparteiischen Dang/Zacharias, denen wohl nicht bewusst war, welche Hypothek der Schwede bereits im Gepäck hatte. "Ich war zehn Minuten lang sauer auf die beiden, aber dann hatte ich mich wieder im Griff", meinte Ahlm, der die emotionale Schlussphase einsam auf einer Treppenstufe verfolgen musste. Zwei Meter von dem Pokal entfernt, den in dieser 43. Minute auch noch der HSV zum zweiten Mal hätte gewinnen können.

Über das Aus von Ahlm regte sich Noka Serdarusic so mächtig auf, dass auch er eine Zeitstrafe kassierte. "Sonst wird mir immer vorgeworfen, dass ich wie ein Stück Holz an der Seite stehe", klärte der THW-Trainer nach dem Abpfiff auf. "Da wollte ich mal zeigen, dass auch ich Emotionen habe." Das gelang eindrucksvoll. Kiel führte, angetrieben vom bärenstarken Nikola Karabatic, zu diesem Zeitpunkt 25:23. Ohne Ahlm, ohne Kapitän Stefan Lövgren, der sich für seinen Trainer auf die Strafbank setzte. Doppelte Überzahl für Hamburg, eine Eintrittskarte für ein Comeback in einem intensiven Ringen zweier Giganten. Doch das Team um den überragenden Kyung-Shin Yoon, der neun seiner zehn Tore vor der Pause warf, nahm das Geschenk nicht an.

"Da waren wir im Vorteil", ärgerte sich Johannes Bitter. "Diese Chance muss man brutal nutzen und das haben wir nicht." Die Strafe, so der Nationaltorhüter, sei hart gewesen. "Eine Siegerehrung als Zweiter zu erleben, ist das Bitterste, was einem als Sportler passieren kann." Kiel durchschritt auch dieses Tal, zog auf 28:23 davon und ließ sich nicht mehr aus der Spur bringen. Auch ein Verdienst von Börge Lund, der lange Kim Andersson im linken Rückraum ersetzte. Ein Verdienst von Igor Anic, der die Spiele seiner Kollegen sonst nur als Zuschauer erlebt und nach dem Ahlm-Aus ins kalte Wasser geworfen wurde. Anic, von seinem Trainer kürzlich öffentlich gerügt, machte mit dem 30:25 (53.) alles klar. "Das war das entscheidende Tor", lobte Serdarusic den jungen Franzosen. "Vielleicht wacht er jetzt auch im Training endlich einmal auf."

Hellwach präsentierte sich einmal mehr Thierry Omeyer, der diesmal aber einen langen Anlauf benötigte, um zur gewohnten Klasse zu finden. Seine Paraden zogen schließlich auch dem Südkoreaner Yoon den Zahn, der nach Saisonende in seine Heimat zurückkehren wird. "Omeyer war überragend und ich habe am Ende gemerkt, dass auch mir die Kraft ausging. Schade. Mein letztes Pokalspiel in Deutschland hätte ich gerne gewonnen."

Die Kieler dagegen hatten auf der Zielgeraden noch Sprit im Tank. Nach dem Ausfall von Ahlm waren sie noch einmal enger zusammengerückt. "Ich war danach noch heißer", meinte der starke Kavticnik, der mit acht Toren großen Anteil daran hatte, dass diese Saison weiter im Gleis verläuft wie die vergangene. Manchmal ist es eben wie immer. 1:0 für den THW, der als erster Klub zum fünften Mal den DHB-Pokal gewinnen konnte und sich auch diesen Rekord nicht länger mit dem VfL Gummersbach (4) teilen muss.

Der HSV Hamburg hat in dieser Saison aber noch zwei Chancen, den Traum der Kieler vom zweiten Triple in Folge platzen zu lassen: Im Finale der Champions League und am 16. April, wenn die "Zebras" in der Color Line Arena zum vorentscheidenden Spiel um die Meisterschaft antreten werden.

(von Tamo Schwarz und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008:

"Löwen" ließen Spiel um Platz drei platzen

Absage der Mannheimer sorgte für Unmut bei Veranstalter und Fans
Der Finaltag begann mit einem gellenden Pfeifkonzert. Als der Hallensprecher Fans und Mannschaft der Rhein-Neckar Löwen begrüßte, wurde es im weiten Rund laut. Die Absage der "Löwen", die tags zuvor kurzfristig auf ihre Teilnahme am Spiel um Pokal-Platz drei verzichtet hatten, erhitzte auch gestern noch die Gemüter.

Auch das von Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL). "Sie haben diese Veranstaltung beschädigt." Schließlich, so Bohmann, hätten die "Löwen" und die HSG Nordhorn ausdrücklich ihre Teilnahme zugesagt, sollten sie ihre Halbfinals verlieren. "Wir haben einen mündlichen Vertrag und der HBL-Vorstand wird prüfen, welche Konsequenzen daraus resultieren könnten." Die Mannheimer hatten am Sonnabend kurz vor dem Abpfiff der Halbfinalpartie zwischen Hamburg und Nordhorn ihren Verzicht erklärt und mit fünf verletzten Spielern begründet. So musste sich unter anderem Torhüter Henning Fritz (Rücken) bereits für das Kiel-Spiel spritzen lassen.

Beim "Final Four" wird nicht nur um den DHB-Pokal gespielt, sondern auch um die Qualifikation für den Cup der Pokalsieger. Da der THW Kiel (Bundesliga-Spitzenreiter) und der HSV Hamburg (3.) sich voraussichtlich wieder für die Champions League qualifizieren werden, hatten sie zeitig auf die Teilnahme an einem Spiel um Platz drei verzichtet. "Dafür haben wir angesichts der zahlreichen Termine vollstes Verständnis", meinte Bohmann. "Ursprünglich ist ein viertes Spiel beim Final Four gar nicht vorgesehen. Diesmal lag der Fall aber anders." Außerdem, so Bohmann weiter, habe er starke Zweifel daran, dass die "Löwen" auch nach einer Qualifikation für das Finale abgesagt hätten.

Wütend reagierten auch die Fans der HSG Nordhorn. "Unsere Mannschaft hätte sich das nie erlaubt", schimpfte Michael Wübben (40), der als Spielwart auch im HSG-Vorstand sitzt. "Das war unsportlich. Irgendein Team hätten sie aufbieten können. Kiel ist hier schon mit sieben Spielern angetreten." Ähnlich äußerte sich Jan Deelen (68), der Mitglied in beiden Fanclubs ("Wilder Westen" und "Rote Teufel") ist. "Gerecht wäre es, sie für den DHB-Pokal in der nächsten Saison zu sperren."

Die Löwen bemühten sich gestern bereits darum, die Wogen zu glätten. So erlebten Mannschaft und Manager Thorsten Storm das Endspiel im Fanblock. "Glücklich ist das natürlich nicht. Ich bin selbst traurig darüber", meinte Storm. "Aber wir hatten der HBL klar gesagt, dass wir uns eine Entscheidung bis Sonnabend vorbehalten." Ein Finale, so Storm, hätte er wohl nicht abgesagt. "Um den Pokal zu gewinnen, hätten die Verletzten sich wahrscheinlich spritzen lassen. Bei einem Spiel um Platz drei ist es aber legitim, wenn die Spieler zuerst an ihre Gesundheit denken." Spieltechnische Konsequenzen haben die "Löwen" nicht zu fürchten: Sollte sich auch Nordhorn für die Champions League oder den EHF-Cup qualifizieren, würden sie trotzdem als deutscher Vertreter im Cup der Pokalsieger starten dürfen.

(von Tamo Schwarz und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008:

"Wenn wir wollen, kaufen wir euch auf..."

Das Final Four in der Color Line Arena war auch ein fulminantes Festival der Fans
Rot, Gelb, Blau - und am Ende triumphierte doch wieder Schwaaarz und Weeeiiiß. Das Finalturnier um den DHB-Pokal 2008 war gestern und besonders am Sonnabend auch ein fulminantes und farbenfrohes Festival der Fans. Verlierer gab es dabei keine, kreativen Augenschmaus und bissige Sticheleien umso mehr.

Sonnabend, 12 Uhr: Die Fankarawane der HSV-Anhänger ist dem Regen zum Opfer gefallen. Dafür singen die 600 Kilometer weit angereisten "Tifosi" der Rhein-Neckar-Löwen (acht Busse): "Wenn wir wollen, kaufen wir euch auf." Die Nordhorner (300 km, 17 Busse) kontern messerscharf: "Ohne Dietmar (Hopp, SAP-Gründer und Hauptsponsor, d. Red.) wärt ihr gar nicht hier." In der Halle rundet das Spruchband "Alle wollen dasselbe - Retorten in die Elbe" das Statement der HSG-Fans aus dem "Wilden Westen" ab, die ihrer Mannschaft mit riesengroßen Spielerportraits wirklich kreativ die Ehre erweisen.

13.10 Uhr: Die "Löwen"-Meute ist klarer Punktsieger des Tages. Als "Gallier" mit dem Motto "Die Dörfer schlagen zurück" nehmen sie die Zebras förmlich auf die Hörner, zelebrieren eine wahre Asterix-Choreografie und bilden so den Farbtupfer des Turniers. "Ich bin zum dritten Mal hier in Hamburg", sagt das 27-jährige Fanklubmitglied Sven Wolf aus Mannheim und beweist Fähigkeiten als Prophet: "Ich glaube, dass Kiel den Pott holen wird - zumindest, wenn der THW uns besiegt." Die Meinung teilt auch der 65-jährige Franz Veltbor aus Nordhorn, früher selbst Handballer der HSG: "Wenn man ehrlich ist, muss man anerkennen, dass der THW das beste Personal hat."

Bei so viel Facettenreichtum können HSV-Maskottchen "Horni" (wer hat dem Tier diesen Namen gegeben?) und THW-Maskottchen "Hein Daddel" erst einmal einpacken. Ihre Stunde schlägt allerdings am Sonntag ab 14 Uhr, als bezeichnenderweise blaue Hamburger und schwarz-weiße Kieler auf Augenhöhe um die Vorherrschaft in der Arena singen, jubeln, klatschen. Nordhorner und "Löwen" sind gute schlechte Verlierer und jubeln mit: die Nordhorner für den THW, die Kronau-Östringer für den HSV. Die Entscheidung im Rennen um den "Fan-Oscar" im mit 12 800 Handball-Enthusiasten gefüllten Rund fällt schließlich in der 40. Finalminute beim Stande von 23:21 für den THW. Aus der Stille heraus stimmt der Kieler "Zebra"-Chor noch einmal die Hymne Schwaaarz und Weeeiiiß an. Und wir holen den Pokal... und wir holen den Pokal...

Gänsehaut-Atmosphäre, die auch die Spieler auf dem Feld in ihren Bann zieht. Immer wieder richten Dominik Klein, Nikola Karabatic oder Vid Kavticnik empor gereckte Fäuste und Blicke zu "ihren" Fans, deren Unterstützung auf keiner Skala mehr messbar ist. Die blauen Ränge in der HSV-Kurve erstarren. Würdiger könnten Fans ein solches Endspiel kaum gestalten. Noch einmal dröhnt eine Sirenen-Melodie aus Richtung blau in Richtung schwarz-weiß. Der Untergang der Titanic - gedacht als Häme für den Kontrahenten, geendet als Eingeständnis der eigenen Schwäche.

(von Tamo Schwarz und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008:

Pokal-Splitter

  • Feldvorteil
  • Seit Januar moderiert der 32-jährige Alexander Bommes das Hamburg Journal im NDR-Fernsehen. Der ehemalige Linksaußen des TSV Altenholz bleibt zudem "Field Reporter" in der Sportredaktion. Nach dem Finale hieß es dann: Bommes fragt "Pommes" (Pascal Hens, d. Red.).

  • Spitzen-Trio
  • Nikola Karabatic (THW) avancierte mit 17 Treffern zum besten Torschützen. Thierry Omeyer (THW) wurde als bester Torhüter geehrt, Kyung-Shin Yoon (HSV) als bester Feldspieler.

  • Spruch des Tages
  • "Ich habe nach dem Finale versucht, in der Kabine mit Nikola zu sprechen. Aber er war so kaputt, dass er mich erst nach 20 Minuten verstanden hat." (THW-Trainer Noka Serdarusic).

  • Zeitreise
  • Vor dem Halbfinale zwischen den "Zebras" und den "Löwen" machten sich der Ex-Kieler Henning Fritz und Kiels Mattias Andersson wie in alten Zeiten mit einem Fußball im Kabinengang warm. Beide trugen ein rotes Sweatshirt, die Verwirrung war perfekt. Nach der Niederlage sagte Fritz dann: "Jetzt soll Kiel den Pokal gewinnen. Und Stefan Lövgren hat mir versprochen, dass das auch passieren wird."

  • Aberglaube
  • Wie im vergangenen Jahr residierte das Kieler Team im Hotel "Klövensteen" in Schenefeld. Am Sonnabend verwandelte sich die Unterkunft in eine "Physio-Praxis" von Uwe Brandenburg, Karsten Krannig und Jan Bock, die sich bis 23 Uhr um Viktor Szilagyi (Bluterguss), Stefan Lövgren (Pferdekuss), Dominik Klein (Oberschenkelprellung) und den Rest der "Zebra"-Herde kümmerten.

  • Superheld
  • Optisch erinnerte der Österreicher Viktor Szilagyi in Hamburg an den "Sechs-Millionen-Dollar-Mann": das rechte Bein geschient, das linke mit Thrombosestrumpf und Tape gestützt, zwischen dem die schillerndsten Farben leuchteten. "Sieht aus, als wäre ein Laster drüber gefahren", scherzte Szilagyi. Kollege Vid Kavticnik wollte sogar ein Foto des riesigen Blutergusses auf seine Website (www.vidkavticnik.com) stellen. Da legte Szilagyi sein Veto ein.

(von Tamo Schwarz und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 31.03.2008)


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