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03.03.2009 Bundesliga

Kieler-Nachrichten-Kommentar: Falsches Deckungsspiel

Von KN-Chefredakteur Jürgen Heinemann

Aus den Kieler Nachrichten vom 03.03.2009:

Der THW Kiel ist einer der bestgeführten Handball-Vereine - nicht nur in Deutschland, vermutlich sogar in Europa. Für viele war die Arbeit von Geschäftsführer Uwe Schwenker und Trainer Noka Serdarusic vorbildhaft. Gestützt auf ein solides Fundament, das der Klub dem kontinuierlichen Engagement mittelständischer Unternehmen aus der Region verdankte, bauten zunächst die beiden die Kieler Erfolgstruppe zusammen und sammelten in 15 Jahren gemeinsamer Arbeit mehr Titel als jeder andere deutsche Verein.
Die Erfolgsgeschichte schien sich fortzusetzen, obwohl der THW sich vor knapp einem Jahr von Serdarusic trennte, nachdem das Gespann Geschäftsführer/Trainer hoffnungslos zerstritten war. Schwenker lotste Alfred Gislason als Trainer auch von menschlichem Format nach Kiel, der mit dem THW einen Rekordstart in der Bundesliga hinlegte, Champions-Leaque-Sieger Ciudad Real in der Sparkassenarena demontierte und auch im Pokal noch alle Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung hat.

Niemand weinte Serdarusic noch eine Träne nach, niemand hätte noch an ihn gedacht, wenn er nicht einen Trainervertrag bei den Rhein-Neckar-Löwen unterschrieben hätte und als Antrittsgeschenk Kiels weltbesten Handballer Nikola Karabatic mitzubringen gedachte. Der Krach darüber dauerte bis zur letzten Woche, bis Serdarusic aus gesundheitlichen Gründen (???) seinen Vertrag auflöste. Handball-Kiel hoffte auf "Nikos" Bleiben und den endgültigen Schlussstrich unter das Thema Serdarusic.

Doch mit den Bestechungsvorwürfen folgte am Sonntag ein Knall, der nicht nur den THW in seinen Grundfesten erschütterte, sondern eine ganze Sportart in Schutt und Asche legen könnte. Ohne dass ein Beweis auf dem Tisch lag und obwohl der Sitzungstermin von Vorstand und Aufsichtsrat sicherlich schon feststand, kommentierte ausgerechnet der Aufsichtsratsvorsitzende der Handball-Bundesliga (HBL), der Flensburger Manfred Werner, in den örtlichen Blättern die vermeintliche Schiedsrichter-Schiebung. Werner legte auf Agentur-Nachfrage gestern sogar noch Einzelheiten nach, während sich der THW derweil in nicht nachvollziehbarer Zurückhaltung übte. Kein Kommentar!

Obwohl Uwe Schwenker Empfänger des Briefes war und schon deshalb bestens informiert sein musste, wirkte auch gestern keiner der THW-Verantwortlichen auf die absehbare Hatz der Medien vorbereitet. Juristisch mag es, wenn es denn tatsächlich schon ein anhängiges Verfahren gibt, ja durchaus klug sein, zuerst die Akten- und Faktenlage zu prüfen. Zögernde oder halbherzige Stellungnahmen lassen nicht nur wildeste Spekulationen entstehen, werden in der ersten Aufgeregtheit auch schnell als Schuldeingeständnis interpretiert. Sie sorgen auch für Verunsicherung bei den Fans des THW, ohne deren Treue der THW sicher den einen oder anderen Titel verpasst hätte.

Eine der vielen Fragen gestern: Warum wehrt sich der THW nicht gegen diese ungeheuerlichen Anschuldigungen, fordert Aufklärung, verspricht die aktive Mitarbeit bei der Aufklärung, für die Gremien wie Vorstand und Aufsichtsrat der HBL eigentlich nicht taugen, formal vermutlich nicht einmal zuständig sind? Warum lässt der THW es zu, dass Verdächtigungen und Gerüchte die Nachrichten bestimmen, ohne dass - journalistisch sauber - der Betroffene zu den Vorwürfen gehört wird und seine Position gleichwertig transportiert wird?

Handball-Spiele werden in der Deckung gewonnen. Im wirklichen Leben kann aber auch der Angriff die beste Verteidigung sein. Der THW muss sich schnell entscheiden, sonst verliert er im Spiel um die öffentliche Meinung mehr als zwei Punkte.

Kein Kommentar?

(Von Jürgen Heinemann, aus den Kieler Nachrichten vom 03.03.2009)


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